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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.05.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-05-28
- Erscheinungsdatum
- 28.05.1913
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- Deutsch
- Sammlungen
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Redaktioneller Teil. ^ 120, 28. Mai 1913. werden dann den Versuch machen, in Form eines Spazierganges durch die weitläufigen Anlagen der Ausstellung den Buchhändler auf dasjenige aufmerksam zu machen, was ihn von Berufs wegen interessiert, und von wo er soviel Anregung mit nach Hause nehmen kann, daß seine für die Besichtigung aufgewandte Zeit und Mühe als lohnend angesehen werden müssen. Auf einen Teil der Ausstellung, der für den Leipziger ein wertvolles Stück der Vergangenheit in kleinen Dimensionen wie der aufleben läßt, und der auch im Hinblick auf die Völkerschlacht bei dem Fremden ein kulturhistorisches Interesse wachrufen wird, sei noch besonders aufmerksam gemacht, nämlich aus die Rekon- struktion des alten Leipzigs um 1800, ein Meisterstück des Archi tekten Fritz Drechsler, Leipzig. Eine Anzahl historisch bemerkens werter, zum Teil vom Erdboden verschwundener Leipziger Bau ten, darunter die Pleißenburg mit ihrer klassischen Festungsarchi tektur, das Dominikaner-Kloster mit seinem originellen Majolika- Fries, das Peterstor, die Peterskirche, Thomaskirche, Pauliner- kirche, das Grimmaische Tor usw. sind durch geschickte Anord nung zu einem entzückenden Städtebilde vereinigt worden, dessen intimer Reiz nur wenig darunter leidet, datz sich darin Bacchus und Gambrinus im innigen Verein mit Frau Musica niederge lassen haben. Namentlich bei Nacht und Mondschein fin det man sich in den engen krummen Gäßchen und Durch gängen mit ihrem holperigen Straßcnpflaster wie in eine andere, längst vergangene Welt versetzt, deren Stimmungszauber unvergeßlich bleibt. Von außen repräsentiert sich das Ganze in einer gewissen herben Nüchternheit, die für das Wesen der Stadt Leipzig von jeher charakteristisch ist. Auf dieser Einfach heit und Nüchternheit beruht ja ein gut Stück Entwicklung unse rer Stadt überhaupt, die als Handelsplatz heute so bedeutend ge worden und imstande ist, an die Stelle seiner früheren schlichten, aber im Stil bemerkenswerten öffentlichen Bauwerke Pracht bauten zu setzen, die Millionen verschlingen und das Stadtbild immer mehr der großstädtischen Gestaltung entgegenfllhren. Frei- lich geht dabei ein gut Stück alter Kunst verloren, das der pietät volle Geschichts- und Altertumsfreund nur mit wehem Herzen schwinden sieht. Wie es unmöglich ist, die Zeit zurückzuschrauben, so läßt sich auch die neuzeitliche Entwicklung nicht aufhalten. Sie beschert uns täglich neue Dinge und hat innerhalb kurzer Frist das Theater wesen unserer Stadt in einer Weise umgemodelt, die seinem Leiter nicht nur schwere Sorgen, sondern auch dem Stadtsäckel gewaltige Unkosten aufbürdet. Wie Pilze aus der Erde wachsen die Nino- theater aus dein Erdboden, und man denkt ernstlich daran, diese »Konkurrenz« mit einer harten Steuer zu gunsten der echten Kunst zu belegen. In den Kreisen der Kinobesitzer spricht man von Streik als Gegenmaßregel. Das kann ja furchtbar werden! Leipzig ohne Kientopp! Eine Stadt ohne Licht! Ist es nicht fast wie bei den Römern? Was will das Volk? vanem et eüeenses. Unter eiroenses müssen wir heute Kinovorführungen verstehen. Und wenn die Kinobesitzer mit Streik drohen, so liegt darin die deutliche Absicht, die Volksstimmung zu ihren Gunsten auszunutzen. Denn das Kino ist nun eimnal das Theater des kleinen Mannes. Wird cs ihm genominen oder ihm der Zugang durch teurere Eintrittspreise erschwert, so wird sich sein Zorn notwendigerweise gegen die Stadibehörde richten. Allerdings ist der Sachse zu gemütlich veranlagt, als daß man deshalb gleich einen Volksaufruhr zu befürchten hätte. Inzwischen hat sich auch in Gestalt des Königspavillontheaters ein Kino für die vor nehme Welt aufgetan. Manches Provinz- und auch manches großstädtische Theater muß sich vor diesem Kinotempel verstecken. Ein großer, architektonisch bedeutender Raum mit Logen im Preise von zwei und drei Mark, erhellt von einer Lichtflut von Hunderten von elektrischen Glühlampen. Und was bekom men wir zu sehen? Den verfilmten Roman »tzuo vaclis« von Sienkiewicz! Zwei Stunden dauert das Schauspiel, das in atem raubender Hast sich vor unseren Augen bei den Klängen einer der Stimmung angepaßten Musik abspielt. Diese Vorführung ist insofern bemerkenswert, als man an ihr alle Stärke und Schwäche kinematographischer Kunst studieren kann. Auf der einen Seite eine hochentwickelte, vor keiner Äußerlichkeit zu- rückschrcckende Regiekunst, auf der anderen die Unmöglichkeit, eine nur einigermaßen brauchbare Verbindung der einzelne»^ Szenen zu schaffen. Die wenigen Worte, die der Lichtbildapparat an die Wand wirft, sind kaum gelesen, geschweige verdaut, wenn sich eine neue Szenerie mit neuen Ereignissen auftut. Der Be sucher wird durch eine Handlung durchgepeitscht, die seine Ner ven bis in ihre innersten Tiefen aufregt. Am Schlüsse greift er nach seinem Kopf und findet sich nur schwer in der ihn um gebenden Alltäglichkeit zurecht. Der Mangel aller psychologischen Feinheiten, die brutale Art des tzerauskehrens von Effekten aller Art bedeutet die Verunstaltung und Vergewaltigung einer Kunstschöpfung, die nur dann ein Genuß und ein Gewinn für den Menschen sein kann, wenn er sie in ihrer ursprünglichen Form des Romans sich zu eigen macht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß wenigstens ein kleiner Teil von den Tausenden der Be sucher diesen Mangel empfindet und ihm durch nachträgliches Lesen des Romans abhilft. Wie mir versichert wurde, war die Nachfrage nach einer der billigen Ausgaben während der Auf führung des Kinodramas eine derart rege, daß eine große Auf lage im Handumdrehen vergriffen war, nachdem man nur einigermaßen den Reklame- und Propagandaapparat hatte spielen lassen. Es läßt sich also unstreitig ein gewisser Einfluß Nachweisen, den das Kinotheater auf den Bllcherabsatz ausübt. Prozentual auf die Zahl der Kinobesucher ausgerechnet, dürfte sich aber nur ein geringer Bruchteil derjenigen Leute ergeben, die aus diesen Theatern die Anregung zum Lesen und Bücherkaufen mit heimnehmen. Das Sortiment wird gleichwohl auch über diese neuen Kunden erfreut sein und sie gern auf dem eingeschlagenen Wege, der schließlich doch zum Literatur« und Kunstverständnis und zur Geschmacksbildung emporleitet, weiterführen. Es muß sich heute dieser Pflicht umsomehr bewußt sein, als mancherlei Kräfte am Werke sind, ihm diese seine schönste Pflicht abzu- sprcchen und abzunehmen. Wenn beispielsweise der Leiter des Dürerbundes von dem Glauben ausging, bei seinen merkwürdi gen Vertriebsmanipulationen auf die Unterstützung des Sorti ments rechnen zu können, so dürfte er sich auch hinsichtlich der Leipziger Sortimenter einer schweren Täuschung hingeben. Unser Sortimenterberein war einer der ersten, der bei den bemfenen Organen des Buchhandels Protest gegen die drohende Bevor mundung durch dön Dürerbund eingelegt hat. An den Schaufenstern der Buchläden merken wir, datz das Jahr 1913 ein Jubiläumsjahr besonderer Art ist. Nicht allein die Literatur über die Völkerschlacht spielt darin eine hervor ragende Rolle. Auch allerlei Werke über den großen Sohn un serer Stadt Richard Wagner erinnern daran, daß hundert Jahre darüber hingegangen sind, datz dieser Meister der Tonkunst in un seren Mauern das Licht der Welt erblickte. Ein würdiges Denk mal aus der Werkstatt Max Klingers soll ihm an der Prome nade errichtet werden. Den Grundstein dazu hat man bereits in feierlicher Weise gelegt. Außerdem hat das Stadtgeschichtliche Museum eine Richard - Wagner«Gedächtnisausstellung veran staltet, die in ihrer Reichhaltigkeit und eigenartigen Zusammen stellung nur selten wiederkehren dürste. Zum Schlüsse möchte ich noch einige Publikationen erwäh nen, die in letzter Zeit herausgekommen sind und sich mit den denkwürdigen Tagen der Freiheitskriege und speziell der Leip ziger Völkerschlacht beschäftigen. An erster Stelle sei eine sehr geschmackvolle Mappe genannt: »Urkunden der Deut schen Erhebung«, die im Verlage von Georg Merseburger in Leipzig erschienen ist. und eine Anzahl wichtige Aufrufe, Erlasse, Flugschriften, Lieder und Zeitungsnummern in Faksi miledrücken vereinigt, vr. Friedrich Schulze zeichnet als Her ausgeber. Nicht weniger als 40 Nummern enthält die Mappe, darunter den »Aufruf an mein Volk«, »Germania an ihre Kin der« von Heinrich von Kleist, ferner den offiziellen Schlachtbericht der Leipziger Zeitung in Nr. 202 vom 22. Oktober 18l3, »Leyer und Schwert« von Theodor Körner, 1814, »Ein Wort über die Feier der Leipziger Schlacht« von E. M. Arndt, 1814, und einen Schlachtenkalender aus dem Jahre 1813 als übersichtsblatt. Dem Chefredakteur der Leipziger Neuesten Nachrichten, vr. Ferdi- nand Grautoff, verdanken wir ferner ein hübsches im Ver last- der Dieterichschcn Verlagsbuchhandlung in Leipzig erschie nenes Büchlein »In Leipzig während der Völker- iForlseßung aus Seile S711.j
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