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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.01.1913
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- 1913-01-22
- Erscheinungsdatum
- 22.01.1913
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17, 22. Januar 1913. Redaktioneller Teil. denn letzterer lasse in verschleierter Form die Absicht des Direktors er» kennen, sich die Balletteuse, die er fürs Theater nicht engagieren kann, zu einem außerehelichen Geschlechtsverkehr für längere Zeit dadurch zu sichern, daß er sie als Klavierlehrer»! engagiert. Die Nummer 10 ist wegen des Bildes »Auf dem Semmering« für »unzüchtig« erklärt worden. Es zeigt drei junge Mädchen, die in Wintersportkleidung auf einem Schlitten von der Hohe des Berges zu Tal fahren. Die beiden vorderen Mädchen sitzen, während das dritte hinten steht. Bei dieser sind infolge des bei der Fahrt entstehenden Zuges die Nocke etwas in die Höhe geflogen, so daß man ihre Waden sieht. Aber nicht nur dies — so hat das Gericht gesagt — ist unzüchtig, sondern weit mehr noch der unter dem Bilde stehende Text, der lautet: »Ich sage euch, Kinder, heiraten kann man unter seinem Stande, aber ein Hausfreund muß standesgemäß sein!« Das Unsittliche in diesen Worten hat das Gericht darin erblickt, daß den jungen Mädchen ehebrecherische und unzüchtige Gedanken und Worte, die sich auf die künftige Bestellung eines Haus freundes beziehen, beigelegt worden sind. — Gegen das Urteil hatten die drei Einzieyungsinteressenten, die, da sie im Ausland wohnen, selbst nicht strafrechtlich von der deutschen Behörde verfolgt werden können, Revision eingelegt; es sind das der Redakteur Siegfr. Gritzmann, der Verleger Ignaz Goldblatt und der Drucker H. Pollack, die alle drei inWien wohnen. Sie behaupten, daß alle die beanstandeten Bilder zu Unrecht als unzüchtig angesehen worden seien. Überall fehle im Urteil eine genauere Darlegung dessen, worin, d. h. in welchen Einzelheiten die Unzüchtigkeit des Bildes, bzw. auch des Textes erblickt worden ist. Das Urteil bewege sich in unzureichenden Allgemeinplätzen, wenn es nur von einer »das normale Scham- und Sittlichkeitsgefühl ver letzenden« Darstellung usw. spricht. Das Reichsgericht verwarf je doch die Revision als unbegründet. (2. D. 800 u. 872/12.) R. sic. Die Operette »Der Weiberfeind« vor dem Schöf fengericht. (Nachdruck verboten.) — Der Inhaber der Firma Albert Ahn in Bonn, vr. Albert Ahn, hatte vor dem Leip ziger Schöffengericht eine Privatklage gegen den Inhaber des Verlages August Cranz in Leipzig angestrengt, in der er die Ver nichtung sämtlicher Exemplare der Operette »Der Weiberfeind« bean tragte, die sich in dem Besitze des Verlags August Cranz befinden. Der Klüger behauptete nämlich, daß der Text der Operette »Der Weiber feind« eine unzulässige Bearbeitung der bei der Firma Albert Ahn herausgegcbenen Burleske »Rillet <le lo^ement« (Die Einquartierung) von Mars sei. Die ganze Szenenfolge, die Charakterisierung der ein zelnen handelnden Personen, die psychologische Entwicklung, die Schür zung und Lösung der Konflikte seien in den beiden Operetten durchaus identisch. In fast einen ganzen Tag dauernder Verhandlung wurden die beiden Werke zur Vorlesung gebracht, ebenso auf Otto Erich Hart lebens »Der gastfreie Pastor« hingewiesen, der schon früher dasselbe Motiv behandelt haben sollte. Nach dem Gutachten der Sachverstän digenkammer für Werke der Literatur in Leipzig ist zwischen den Motiven der beiden Operetten eine starke Übereinstimmung, auch in der Handlung zu finden, nicht dagegen zwischen dem »Gastfreien Pastor« und der »Einquartierung«, wie der Beklagte behauptete. Das Schöffen gericht erkannte auf Vernichtung der Platten und Einziehung der noch vorhandenen Exemplare des »Weiberfeinds«, die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Von dem Urteile werden die Lieder und das Liederbuch nicht betroffen. Eine Faschingszeitung vor dem Reichsgericht. (Nachdruck verboten.) — Wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften im Sinne des § 184,1 des St.-G.-B. hat das Landgericht Königsberg i. Pr. am 14. Sep tember v. I. den Buchhändler Willy Schnock zu 20 Mark Geldstrafe verurteilt. Die bekannte Faschingszeitung »Berliner Blaueste Nach richten« brachte in der Nummer vom vorigen Jahrgang u. a. folgendes Inserat: »Blumentag! Kavalier, der junger Dame Ecke Tauentzien- und Nürnbergerstraße die ersten Blüten mit 20 Mark bezahlte, wird um Angabe seiner Adresse gebeten unter Ali Mente 50«. Dieses Inserat wurde von der Zensur wegen seines unsittlichen Inhalts für anstößig gehalten und die Faschingsnummer deshalb beschlagnahmt. Inzwischen waren aber natürlich weitere Exemplare dieser »Blauesten Nachrichten« nach auswärts gegangen. Sv auch nach Königsberg, wo sie auch der nachmalige Angeklagte Sch. in seinem Laden feilhielt. Da erschien am 8. Februar ein Kriminalschutzmann in seinem Geschäft und beschlag nahmte zwei Exemplare. Sch. wurde wenige Tage später auf das Po lizeipräsidium bestellt, wo man ihm die Mitteilung machte, daß der Verkauf dieser »Blauesten Nachrichten« wegen des Inserates verboten sei, es sei denn, daß das Inserat überschwärzt werde. Dessenunge achtet versuchte Sch. die letzten sieben Exemplare noch los zu werden, indem er sie noch besonders empfahl durch die Worte »konfisziert und freigegeben«, die auf einem Zettel standen. Am 29. Februar erschien der Schutzmann abermals und beschlagnahmte auch noch den Rest. Dieser Beschlagnahme folgte dann die Strafverfolgung des Angeklagten wegen »Verbreitung unzüchtiger Schriften« im Sinne des 8 184,1, die den be reits erwähnten Ausgang nahm. Die Unzüchtigkeit des Inserats ist vom Gerichte darin erblickt worden, daß der Text verschleiert aus einen außerehelichen Geschlechtsverkehr Hinweise. Dies erkenne jeder Leser deutlich, wenn er die beiden Worte der Chiffre »Ali« und »Mente« in ein Wort zusammenziehe. Und dieser unzüchtige Charakter des Inserates und somit des ganzen Blattes sei, so sagt das Urteil, dem Angeklagten nicht unbekannt gewesen. — Gegen das Urteil hatte der Angeklagte Revision eingelegt mit der Begründung, daß das Inserat zu Un recht als anstößig und unsittlich angesehen worden sei. Es sei vielmehr eine ganz harmlose Annonce gewesen. Vor allen Dingen aber sei ihm nicht widerlegt, daß er, wie behauptet, den unsittlichen Sinn nicht er kannt habe. Das ReicySgericyl erranme indessen auf Verwer fung des Rechtsmittels, da der Charakter der Annonce vom Vorder- richter nicht verkannt und auch erwiesen sei, daß der Angeklagte das Be wußtsein der Unzüchtigkeit gehabt habe, zumal er ja selbst zugegeben habe, daß er die Annonce bei den letzten Exemplaren deshalb nicht mehr habe schwärzen lassen, weil es sich bei den sieben noch vorhandenen Nummern nicht mehr gelohnt habe. (8 1). 1000/12.) R. sic. Schriften von Richard Ungewitter vor dem Reichsgericht. (Nach druck verboten.) — Mit den bekannten Schriften des Stuttgarter Schrift stellers Richard Ungewitter, »Nackt« und »Kultur und Nackt heit«, hatte sich vor kurzem der erste Strafsenat des Reichs gerichts in letzter Instanz zu befassen. Um die komplizierte Rechtslage auszuklären, sei folgendes über die der Reichsgerichtsverhandlung vvr- aufgegangenen Gerichtsverfahren mitgeteilt: Vom Landgericht Stuttgart ist Ungewitter in betreff des Buches »Nackt« am 8. Mai 1909 außer Verfolgung gesetzt worden, in betreff des Buches »Kultur und Nackt heit« am 27. Januar 1912, in beiden Fällen deshalb, weil der subjek tive Tatbestand verneint werden mußte. Ferner wurde vom Land gericht Wiesbaden am 3. April 1912 der Buchhändler Seitz, der die Schrift »Kultur und Nacktheit« feilgeboten hatte, wegen Vergehens gegen 8 4 Abs. 1 des Str.-G.-B. zu einer Geldstrafe verurteilt, außerdem noch auf Einziehung und Unbrauchbarmachung von »Kultur und Nackt heit« erkannt. Weiterhin verfügte das Landgericht Berlin 1, das am 14. Mai 1912 den Buchhändler Meyer betreffs des Keilhaltens des Buches »Nackt« freigesprochen hatte, im objektiven Verfahren am 0. Juli 1912 die Unbrauchbarmachung einer kleinen Stelle (»Meine Familie .... Badenentziehung«) von »Nackt«. Diese beiden Urteile sind, da gegen sie keine Revision erfolgte, rechtskräftig geworden. Die Verhandlung vor dem Reichsgericht hatte ein Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24. April 1912 im objektiven Verfahren zum Gegen stand, in dem auf Unbrauchbarmachung des Kapitels »Eitelkeit und Schamgefühl« in »Kultur und Nacktheit« erkannt worden war, während im übrigen der Antrag der Staatsanwaltschaft, die beide Bücher, »Nackt« und »Kultur und Nacktheit«, verurteilt wissen wollte, zurück- gemiesen wurde. Uber Inhalt und Charakter der Schriften gab das Urteil die nachstehenden Feststellungen: Ihre Tendenz gehe auf ein möglichst allgemeines Nacktleben der Menschen aus hygienischen, ethi schen und ästhetischen Gründen. Wenn in den beigegebenen Photo graphien die Nacktheit gezeigt werde, so habe dies noch nicht als un züchtig zu gelten. So sei bei den dargestellten Personen nirgends geschlechtliche Erregung wahrnehmbar. Die zahlreichen Briefe und Zitate deuteten auch nirgends Unzüchtiges an, vielmehr gehe aus ihnen stets die sittliche Absicht eines ernsthaften Mannes, der gesunde Refor men einführen wolle, hervor. Überhaupt dürften die Grenzen des Zulässigen nicht zu eng gezogen werden, wolle man nicht alle Dar stellungen des Nackten, also zahlreiche Gemälde berühmter Meister, wegen ihres angeblich unsittlichen Charakters vernichten. Nur das Kapitel »Eitelkeit und Schamgefühl«, das die Briefe eines weiblichen Malermodells enthalte, müsse als unzüchtig erachtet werden. Gegen das Urteil legten Revision ein die Staatsanwaltschaft im vollen Umfange, die Einziehungsinteressenten, der Verfasser Ungewitter und die Druck firma Strecker L Schröder, nur, insoweit auf Unbrauchbarmachung erkannt war. In der Verhandlung vertrat der Rechtsanwalt Unge witters in längerer Ausführung den Standpunkt der Revision, bestritt den unzüchtigen Charakter der inkriminierten Stelle und betonte, daß das Reichsgericht sich durch das Wiesbadener und Berliner Urteil an einer selbständigen Prüfung nicht dürfe hindern lassen. Der Reichs- anmalt legte jedoch dar, daß durch die rechtskräftig gewordenen Urteile der Landgerichte Berlin I und Wiesbaden »Kultur und Nacktheit« und die eine Stelle in »Nackt« als endgültig zur Unbrauchbarmachung be stimmt anzusehen seien. Für den übrigen Teil von »Nackt« ließen sich unzüchtige Eigenschaften nicht Nachweisen. Der Reichsanmalt bean tragte daher, das Urteil in bezug auf »Kultur und Nacktheit« und die inkriminierte Stelle in »Nackt« aufzuheben und das Verfahren einzu- stellcn, im übrigen aber die Revision der Staatsanwaltschaft wie auch der Einziehungsinteressenten als unbegründet zu verwerfen. Das Reichsgericht hob das Urteil im vollen Umfange auf und stellte das
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