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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.01.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-01-10
- Erscheinungsdatum
- 10.01.1913
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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302 Döisenbl-lr f. d. Dlschll, Buchhandel. Redaktioneller Teil. W 7, 10. Januar 1913. Vom Superlativ und seinen Gesellen. Einige Worte über den SM der buchhändlerischen Anzeigen. Der Erbprinz von Hohenlohe-Langenburg hat neulich in einem lesenswerten Aufsatz über den Deutschen und seine Geltung in der Welt auch von dem Superlativismus gesprochen, der sich seit einiger Zeit in unserem öffentlichen Leben anmaßend breit mache. Der ehemalige stellvertretende Kolonialdirektor sieht in dem neumodischen Schreistil ein Symptom der Unsicherheit, die dem Deutschen anhaftet, weil er sich noch nicht recht in die Rolle hincinfinden kann, die er infolge der rapiden Entwicklung des Reichs zu spielen berufen ist. Andere sehen in unserem Wort« protzentum lediglich eine Anpassung an amerikanische Sitten und wollen wissen, daß es auf dem gleichen Boden gewachsen sei wie die Bluffs unserer Vettern jenseits des großen Teichs. Wie dem auch sei — es ist jedenfalls begrüßenswert, daß man vor der Öffentlichkeit einmal von der superlativischen Schwatzerei spricht, die sich auf dem Stamm unserer alten Kultur ausnimmt wie ein von unberufener Hand gepfropftes, wucherndes schlechtes Reis. Die alten Kennworte »gut«, »billig« und »geschmackvoll« ziehen in kaufmännischen Anzeigen längst nicht mehr. Sie sind — Fritz Müller-Zürich hat vor einiger Zeit im Kunstwart anregend dar über geplaudert — durch »vortrefflich«, »billigst« (ein logischer Unsinn) und »prächtig« (als ob Pracht eine höhere Stufe des Ge schmacks wäre!) überboten worden, und jetzt ist man allerorten glücklich bei »herrliche«, »kolossal billig« und »exquisit« angelangt. Unser lieber Buchhandel steht in solchem Gebaren hinter den anderen »Branchen« nicht mehr zurück, und ich muß gestehen, daß es mir nicht ganz verständlich ist, weshalb Herr Friede!- mann in der Sprechsaalnotiz des Börsenblattes vom 29. Ok tober 1912 (Nr. 253, Seite 13358) sich gerade über seinen Fall, ein allerdings reichlich plumpes Jugendschristeninserat, gar so sehr erboste. Derartige Anzeigen sind leider Gottes durchaus keine Unika mehr. Sie füllen, wenn auch meistens etwas geschickter ab- gesaßt, im Börsenblatt Seite um Seite und wuchern geradezu in den Spalten der kleinen Grossistenblättchen. Der Waschzettel vollends, zweifellos an sich schon die bedenklichste Art buchhänd lerischer Empfehlung, der wahrlich allen Grund hätte, hübsch be scheiden auszutreten, ist hier und da nur noch ein Gemengsel von formellen und logischen Superlativen. Und was erreichen wir durch den großen Stimmauswand? Der bombastische Waschzettel fängt vielleicht dann und wann eine harmlose Seele, nötigt aber dem Wissenden höchstens ein Lächeln ab. Die Börsenblattanzeige, allzu oft ein simples Destillat des Waschzettels, mutet den Herrn Kollegen vom Sortiment eine wahr haft kindliche Leichtgläubigkeit zu, wenn sie beispielsweise ver kündet, ein bekannter Mediziner hätte in seinem Plauderbüchlein im Märchenton »Rätsel der Unendlichkeit restlos gelöst«, oder wenn sie einen gewandten politischen Polemiker als »den fein sten Geist der Jetztzeit« (das ist übrigens ein ganz fürchterliches Wort, dem ich in punkto Scheußlichkeit nur das Kompositum bald möglich mit seinem Superlativ »baldmöglichst« an die Seite stelle) empfiehlt. Wahrlich, wären alle die Genies, die im Börsenblatt ausposaunt worden sind, in der Tat als Götter und Helden durch die Welt marschiert, wir lebten in einem Weihefrühling ohne gleichen! Dieweil aber der Sortimenter den Spuren genialen Wirkens trotz aller Versicherungen der Herren Verleger außerhalb des Börsenblattes gar zu selten begegnet, hat er sich Wohl zu der Ansicht durchgerungen, das »Beste« müßte manchmal zu schlecht sein, als daß man es mit reinem Gewissen »gut« nennen dürfte. So erscheint der Superlativismus in der Anzeige, auch in der ohne Verkappung direkt ans Publikum gerichteten, nicht nur geschmacklos, sondern auch rechtschaffen töricht. Selbst verständlich ist die Gehilfenschaft des Buchhandels längst von der protzigen Hyperbelsucht angesteckt worden. Was für »erste Kräfte« mit »vornehmsten« Umgangsformen, was für »fähigste Köpfe« mit »eigensten« Ideen und sogar »prima« Zeugnissen (wo bei die Tatsache, daß man das Adjektiv prima aller Grammatik zum Trotz nicht dekliniert, durchaus nicht stört) preisen sich im Stellenbogen des Börsenblattes an! Ich habe einen jungen Mann gekannt, der mit den blanlpolierten Eigenschaftswörter: um sich warf wie sonst nur mit dem Konfetti in der schönen Faschingszeit.! Stundenlang habe ich ihm gepredigt, daß ein »gefälliger« Brief Unsinn wäre, weil das Objektivum gefällig im Deutschen eine ganz andere Bedeutung habe, als der junge Herr ihm zu geben beliebte, daß eine »ergebene« Mitteilung gleicherweise unmöglich sei und — und man mag mir hier den rhetorischen Komparativ passieren lassen — eine »ergebenste« Bitte noch viel mehr — stundenlang habe ich doziert, und dann schrieb er mir gelegentlich einen Brief, der fol gendermaßen schloß: »und danke ich Ihnen für denselben und Ihr wertestes Interesse verbindlichst. Ihr hochachtungsvoll er gebener N. R.« Daß den urteilsfähigen Menschen jenseits der Grenzen unseres Berufes, die dem Buchhandel von alters her recht gern und recht neugierig über den Zaun sehen, solche Lächer lichkeiten nicht verborgen bleiben, ist selbstverständlich, und bei der Beurteilung, die unser Stand samt seinen Angehörigen er fährt, sind sie nicht ohne Gewicht. So gibt es mancherlei Gründe, die uns bewegen sollten, vom Schwulst zur Klarheit, von der superlativischen Marktschreierei zum Tatsachenstil zurückzukehren. Zunächst einmal beim Wasch zettel. Für und Wider seine moralische Berechtigung sind der Lanzen so viele gebrochen worden, daß ich mich wohl hüte, den alten Prinzipienstreit hier wieder aufzunehmen. Ich bin der Meinung, daß wir im Waschzettel zuvörderst eine Aufforderung an die Redaktionen sehen sollten, das vorgelegte Buch zu lesen und dann selbst zu besprechen. Mit diesem Leitgedanken habe ich mir für den Waschzettel belletristischer Bücher ein Dispositions schema aufgestellt, das sich in der Praxis ganz gut bewährt hat. Ich habe es an anderer Stelle schon einmal mitgeteilt, bringe es aber hier noch einmal, weil mir die Frage jetzt wieder zeitgemäß zu sein scheint: Genaue Titel-, Verlags- und Preis angabe. Wer ist der Autor? Was hat er früher geschrieben? Was ungefähr enthält sein neues Werk? (Präzise Inhalts angabe.) Wie fügt es sich in die Reihe der früheren Schöpfungen ein? (Bei neuen Leuten: Welche Vorbilder oder Anreger hat der Autor offensichtlich?) An welchen Leserkreis wendet sich die Novität in erster Reihe? Der fünfte Punkt sollte aber beileibe nicht zu einem Aburteilen oder Heraufloben ohne den richtigen Matzstab verleiten. In bezug auf die Börsenblattanzeige gilt das Prinzip: Knapp und klar in gutem Deutsch das Wesentliche. Dem hat sich alles unterzuordnen, auch die wichtige, aber meines Er achtens manchmal allzu sehr in den Vordergrund gestellte Sorge um die typographische Gestaltung des Inserats. Langatmige An preisungen und philologische Erörterungen zu lesen, hat der Sor timenter keine Zeit. Trotzdem möchte ich empfehlen, mit der An zeige schon eine kurze Inhaltsangabe der Novität zu bringen; geht das aber, etwa des knappen Raumes wegen, nicht an, so er scheint es mir durchaus zweckdienlich, nach dem Vorschlag, der neulich an dieser Stelle gemacht wurde, die Inhaltsangabe auf besonderem Blatt dem Buch selbst beizufügen und im Börsen blatt daraus zu verweisen. Will man, etwa bei der Anzeige einer neuen Ausgabe, durchaus Rezensionen bringen, so sollte man sich davor hüten, Freunde des Autors oder des Verlags zu zitieren; der Soctimentsbuchhändler hat für Gefälligkeits produkte eine sehr feine Witterung. Der Gehilfe schließlich, der sich um eine Stellung bewirbt, ist zehnfach besser beraten, wenn er klipp und klar sagt, wer er ist, was er gelernt hat, was er kann und was er sucht, als wenn er pathetisch von seinem »unbeugsamen Willen« und von seiner »Eignung« für jeden Posten schwafelt. Wer in der Realschule das Einjährige oder auf dem Gymnasium die Se- kunda erjagt hat, der tut fast immer gut, seine »gründlichen Sprachkenntnisse« nicht anzupreisen, zumal dann, wenn seit seiner Pennälcrzeit etliche Jährchen verstrichen sind. Auch mit dem Schlagwort von der guten Allgemeinbildung ist nur in seltenen Fällen etwas zu erreichen. Es entpuppt sich bedenklich oft als Seifenblase, die zerplatzt, wenn man ihr gelinde zu Leibe geht, und hat darum keinen rechten Kurswert mehr. Für mancherlei (Fortsetzung aus Seite 34tz.i
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