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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.04.1905
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- Erscheinungsdatum
- 29.04.1905
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- Deutsch
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4066 Nichtamtlicher Teil. ^ 98, 2S. April 1905. ausschließlich für den Beruf des Buchhändlers bilden zu helfen. Damit ist unzweideutig ausgesprochen, daß der höchste Grundsatz für den gesamten Unterrichtsbetrieb in unsrer Anstalt lauten muß: Uon sebolLS, ssä ritao äiseimus, oder in recht freiem Deutsch: Aus der Praxis für die Praxis; und dieser Satz, meine Herren, ist zu unterstreichen! Von den beiden vom Fachmann unterschiedenen Seiten des Unter richts, von denen es die formale mit der Ausbildung und Entwicklung der geistigen Kräfte und Anlagen, die materielle dagegen mit der Übertragung einer gehörigen Menge von Unterrichtsstoffen auf den Schüler zu tun hat, wird also jene zugunsten dieser stark zurücktreten müssen. Gleichviel um welche Klasse oder um welchen Unterrichtsgegenstand es sich dabei handle, immer haben wir den dem Schüler mitzu teilenden Stoff daraufhin zu prüfen, ob er wirklich dem Kreise des Buchhandels oder wenigstens verwandten Gebieten angehört und also der vorhin erhobenen Forderung entspricht. Wie berechtigt diese gerade ist, kann man daraus ersehen, daß selbst konservative Lehranstalten, wie unsre neuhumanistischen Gymnasien, dem Zug der Zeit Rechnung tragen müssen und sich allmählich bequemen, den Realien, die den Bedürfnissen des täglichen Lebens dienen, mehr und mehr Stunden in ihren Lehrplänen einzuräumen. Aus der Praxis für die Praxis! Dieses Wort, meine Herren, bedeutet ein Programm, und es muß wirksam werden in jeder einzelnen Lehrstunde, vom Schreiben ange- sangen bis hinauf zum Unterricht im Deutschen und in den fremden Sprachen, so also, daß z. B. die zu behandelnden Aufsatzthemen vornehmlich dem engern oder weitern An- schauungs- und Erfahrungsbereiche des Buchhändlers zu entnehmen sind. Merken unsre Schüler erst, daß der Unter richt erteilt wird im Sinne und Geiste des von ihnen er wählten, hohen idealen Zwecken dienenden schönen Berufs, dann kann es nicht fehlen, daß sie unfern unterrichtlichen Bemühungen ein ganz andres Interesse entgegenbringen werden als bisher; wir werden leichter Aufmerksamkeit finden und ebenso den unbedingt erforderlichen Hausfleiß. Freilich setzt das voraus, daß wir selbst uns mit Wesen und Art der vielseitigen buchhändlerischen Tätigkeit eingehend vertraut gemacht haben, und ich verhehle mir keineswegs, daß dies schwer, sehr schwer ist; aber ein englisches Sprich wort lehrt uns: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Der eine oder der andre von uns Lehrern hat gewiß Fühlung zu einzelnen Buchhändlern, die ihm gern Auskunft über verschiedene Fragen ihres Berufs erteilen; außer dem gibt es ja aber auch Bücher, die geeignet sind, uns in der angedeuteten Richtung vorwärts zu bringen, und da gilt nun das Schristwort: Suchet, so werdet ihr finden! Wenn auch Lehrbücher, die eigens für die Bedürfnisse unsrer Schule zurecht gemacht wären, im Augenblick meines Wissens noch nicht existieren, so wird sich doch auch über diese Schwierigkeit in einiger Zeit hinweg kommen lassen. Als Direktor der Buchhändler-Lehranstalt darf ich aber füglich an Sie alle, meine hochgeehrten Herren, die ergebene Bitte richten: Sprechen Sie mir gegenüber, mündlich oder schriftlich, Ihre Wünsche bezüglich unsrer Schule aus, und ich bin jederzeit gern bereit, in eine Prüfung derselben mit den Herren des Schulausschusses wie des Lehrerkollegiums einzutreten und alle Anregungen zu Verbesserungen dankbar entgegenzunehmen, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Zweifellos steht an Fachschulen, die naturgemäß vom Utilitätsprinzip beherrscht werden und infolgedessen in ihrem ganzen Betrieb die diesseitigen Werte vor den jenseitigen bevorzugen, der Unterricht mehr im Vordergründe des päda gogischen Interesses als die Erziehung. Wenn demnach an vielen andern gewerblichen Schulen der erziehlichen Seite im Vergleich zur unterrichtlichen nur sekundäre Bedeutung beigemessen wird, — uns zwingt die Eigen art unsrer Anstalt dazu, die Erziehung als gleichberechtigten Faktor neben dem Unterricht anzuerkennen und jede Ge legenheit wahrzunehmen, das zu pflegen, was einer unsrer besten Pädagogen die Charakterstärke der Sittlichkeit nennt. Hat doch der Buchhändler, ganz anders als der Kaufmann sonst, selbst eine hohe erzieherische Mission zu erfüllen, die zur Voraussetzung hat, daß er sich der außerordentlichen moralischen Verpflichtung gegen Gott und seine Mitmenschen bewußt ist, da er über eine gewaltige geistige Macht verfügt, »die auf das Wohl und Wehe, den intellektuellen, sittlichen und religiösen Fortschritt der Menschheit tief und bestimmend einwirkt. - Zwar sind wir bei der ohnehin beschränkten Zahl von Unterrichtsstunden, in der die Schüler unsrer Obhut und Pflege unmittelbar unterstellt sind, außerstande, dem Reli- gions- oder Moralunterricht Eingang in unfern Lehrplan zu gestatten; aber auch im Rahmen der bisherigen Lehrgegen stände, so in der Literatur und in der Lektüre, vermag der umsichtige Lehrer recht wohl, mit dem Geist zugleich das Gemüt, kurzum, die ganze Persönlichkeit zu packen. Worte, gesprochen aus warmem Herzen des Lehrers, finden auch den Weg zu dem Herzen der Schüler, und ein solch warmes Herz lassen Sie uns, meine Herren Kollegen, für unsre jungen Leute, die nicht immer in rosigen sozialen und wirt schaftlichen Verhältnissen ausgewachsen sind, stets haben. Und zu jenem religiös-sittlichen Ideal gesellt sich weiter das nationale Ideal, das in der Liebe zum angestammten Volk und zugleich im Verständnis für die Gegenwart und ihre wirtschaftlichen und sozialen Fragen wurzelt. Vaterlands liebende Jünglinge sollen aus unsrer Anstalt hervorgehen, die überall, wo sie auch dereinst leben und wirken, ihr deutsches Vaterland in Ehren halten, ihr Deutschtum nie vergessen oder gar verleugnen. Mit zündenden Worten hat Herr Professor Raydt auf dem Festmahl, mit dem die Jubelfeier vor zwei Jahren abschloß, es ausgesprochen, unsre deutsche Jugend wisse immer noch nicht genug und müsse immer von neuem darauf hingelenkt werden, in welchem Segen sie aufwachse, welchem unerschöpflich reichen Boden sie entsprossen sei, welch unermeßlicher Wert für sie in dem Bewußtsein liege, ein Deutscher zu sein. Und so stimme ich denn in der Stellungnahme zur Erziehungsfrage in unsrer Anstalt mit dem ersten Direktor derselben, vr. Paul Möbius, überein, der einmal gesagt hat: »Die Schule soll vor allem bei einem jungen Menschen die Kanäle öffnen und gangbar machen, durch die später der Strom des Lebens, seiner Erfahrungen und der verschiedensten Kenntnisse den rechten Weg zum Ziele aller wahrhaften Bildung findet, zur Ver edelung des Herzens und seines Willens.« Die Erziehung oder — was dasselbe besagen will — die Zucht hat aber ferner für uns Wert insofern, als sie die Bedingung bildet, unter der allein eine wirklich er sprießliche Erteilung des Unterrichts möglich ist. Sie deckt sich dann mit dem, was für gewöhnlich Disziplin genannt wird, und diese Disziplin werde ich in der Buchhändler schule mit aller Freundlichkeit zwar, aber nötigenfalls auch mit aller Strenge und unter Anwendung aller in der Schul ordnung angedrohten Zuchtmittel aufrecht zu erhalten suchen. Namentlich erachte ich es für meine Pflicht, dahin zu wirken, daß die Schüler pünktlich zum Unterricht kommen und stets pünktlich ihre Hefte abgeben, und es wird uns jenes um so leichter gelingen, je mehr wir selbst ihnen darin Vorbild sind. Im übrigen wollen wir danach trachten, das Leben unsrer Schule in jener hohen geistigen Atmosphäre zu er halten, in die es, wie das ein Redner am Jubelfest des
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