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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.06.1905
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- Erscheinungsdatum
- 29.06.1905
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- Deutsch
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5960 Nichtamtlicher Teil. 148, 29. Juni 1905. Volksbildung. (Vergl. Börsenbl. Nr. 142 und 147). — Auf der in voriger Nummer erwähnten Hauptversammlung dieses Ver bandes in Mylau hielt sein Vorsitzender Herr Justizrath Or. Gensel- Leipzig einen Vortrag über Volksbildung und Lebens genuß. Als Ziel seines Vortrags bezeichnte der Redner: darzulegen, daß das Streben nach den Zielen der Volksbil dung dem wahren Lebensgenüsse nicht nur nicht hinderlich sei. sondern mit ihm im Verhältnis wechselseitiger Förderung stehe. »Sich ausleben« könne, recht verstanden, nur heißen, daß wir unserem Leben soviel bleibenden Gehalt wie möglich geben, dem in unsrer Brust lebenden Ideal immer näher zu kommen suchen. Daraus erwachse dann von selber die eigenartig geprägte Persönlichkeit. Das sei aber nicht zu erreichen ohne Arbeit, ohne Selbstzucht, ja Selbstverleugnung. Selbst Widerwärtigkeiten überwinde man leicht, sobald man gelernt habe, sie als Prüfungen, als Übungen zu betrachten. Unter den Dingen, die den Lebensgenuß fördern, sei das erste die Gesundheit, die aber von den meisten noch lange nicht voll geschätzt werde. Daß man übrigens auch im dauernden Kampf gegen Siechtum ein glückliches und fruchtbares Leben führen könne, zeige das Beispiel Schillers. Ebenso sei durch viele Beispiele erwiesen, welche Leistungsfähigkeit mit körperlichen Gebrechen, Blindheit usw., vereinbar sei. Was für den Körper die Gesundheit, das sei für den Geist die Wahrhaftig keit. Redner führte hier Carlyles Wort an: »Bei deinem Seelen heil, rede dir nicht ein, etwas zu glauben, was du nicht wahr haftig glauben kannst.» Das sei viel mehr im Geiste Luthers, als die unmögliche Forderung, am »Glauben der Väter die neuere Literatur, die uns die Bibel erschließe und die unver gleichliche Persönlichkeit Jesu menschlich näher bringe und die einem religiösen Hunger weitester Kreise begegne. Reichtum führe würden Stiftungen für Volksbildungszwccke, wie die Zeiß-Abbe- Stiftung, viel häufiger sein. Ein sicherer Weg zur Zufriedenheit als Reichtum sei die Bedürfnislosigkeit, die zudem der Gesundheit zuträglich sei. Ausführlich ging der Redner auf die Alkohol frage ein, die er als eine Kulturfrage ersten Ranges bezeichnete. Nach dem Zeugnis vieler werde durch Enthaltung der Lebens genuß nicht vermindert, sondern erhöht. Jeder könne das an sich probieren. Durch öffentliche Bibliotheken und Lesehallen sei das Volk vom Wirtshausleben abzuziehen und für edleren Genuß zu gewinnen. Mit dem Werte der Kunst für die Volks bildung habe sich der Verband schon früher beschäftigt, der Naturgenuß müsse spätercrBehandlung Vorbehalten bleiben; er wolle hier nur auf das von Ratzel hinterlassene Werk über Naturschilderung Hinweisen. Endlich gedachte Redner noch der rechten Gastlichkeit als eines der erfreulichsten Hebel des Lebensgenusses; wenn der Gast von der Eigenart des Hauses so berührt und angeregt werde, daß er nun auch sein Bestes gebe: die Persönlichkeit, so werde dadurch die wahre Bildung gefördert. Und wer an der Allgemeine Befolgung dieser Worte würde einen wohltuenden Einfluß auf den Bücher-Absatz ausüben. Der Buchhandel hat von einer Erweiterung und Vertiefung der Volksbildung nur Vorteile zu erwarten, weshalb der Hauptinhalt des gediegenen Vortrags nach einem Bericht des »Leipz. Tagebl.« hier wiedergegeben ist. (Red.) Die deutsche Rechtschreibung in Frankreich. — Kürzlich hat die deutsche Rechtschreibung die französische Regierung be schäftigt. Unter Vorsitz des Unterrichtsministers tagte ein Ausschuß von Spitzen der Unterrichtsverwaltung, der beschloß, vom nächsten Schuljahr angefangen, für alle deutschen Prüfungen zur Aufnahme in die Polytechnische Schule, Saint Cyr usw., die neue amtliche deutsche Rechtschreibung als allein zulässig zu erklären. »Das Neue Magazin» vor Gericht. — Wegen Ver breitung einer unzüchtigen Schrift hatten sich am 23. Juni der Schriftsteller Renö Schickele und der Student Otto Feake vor der 10. Strafkammer des Landgerichts I. in Berlin zu ver antworten. Schickele ist Herausgeber der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift »Das Neue Magazin«. Im Heft 19, das vom zweiten Angeklagten verantwortlich gezeichnet war, war ein Aufsatz von Friedrich Perzynski veröffentlicht worden, der die Überschrift trug: »Zwei Welten, eine erotisch-moralische Skizze«. Nach Ansicht der Anklagebehörde soll »der Aufsatz objektiv geeignet sein, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Beziehung gröblich zu verletzen». Die Angeklagten bestritten das entschieden, und ihr Rechtsanwalt behauptete, daß die Skizze keineswegs die perverse Liebe behandle, sondern nichts weiter sei, als eine psycho logische Schilderung aus dem Stadium der psychischen Pubertät. Der auf Antrag des Verteidigers als Sachverständiger geladene vr. Max Dessoir, Professor an der Berliner Universität, der sich mit den hier einschlägigen Fragen besonders beschäftigt, bestätigte dies und begutachtete, daß durch die Skizze das Scham- und Sitt lichkeitsgefühl nicht gröblich verletzt werde. Der Gerichtshof er kannte auf Freisprechung der Angeklagten. (Leipz. Tagebl.) »Simplicissimus«-Prozesse. (Vgl. Börsenbl. Nr. 114, 125 u. 142.) — In beiden »Simplicissimus«-Prozessen wurde am 26. Juni das Urteil veröffentlicht. Schriftsteller Ludwig Thoma wurde wegen des Spottgedichtes auf den Sittlichkeitskongreß (Be leidigung der evangelischen Geistlichen) zu sechs Wochen Gefängnis, Redakteur des Simplicissimus Julius Linnekogel in gleicher Sache zu 200 ^ Geldstrafe und wegen Beleidigung des Dresdner Schöffengerichts nochmals zu 200 ^ Geldstrafe verurteilt. — In der Begründung des Urteils wird, wie in Tagesblättern gemeldet wird, die Auffassung vertreten, daß Geistliche in Ausübung ihres Berufes am Sittlichkeitskongreß teilgenommen haben und daher die Kirchenbehörden antragsberechtigt waren. Die Häufung und die Schwere der Beleidigungen, sowie die Bildung des Beleidigers fielen erschwerend ins Gewicht. Bei dieser Gelegenheit sei eine falsche Angabe berichtigt, die sich in allen Zeitungsmeldungen über den Prozeß fand und auch in unfern Bericht in Nr. 142 übergegangen ist. Es war da ge sagt, daß der als Sachverständiger zu der Verhandlung zu gezogene berühmte Münchener Verteidiger Justizrat vr. Max Bernstein auch als dramatischer Schriftsteller unter dem Pseudonym Ernst Rosmer bekannt sei. Das stimmt nicht. Nach Kürschners Deutschem Literaturkalender ist Ernst Rosmer das Pseudonym für Frau Elsa Bernstein in München. Verbandstag Deutscher Journalisten- und Schrift stellervereine in Dar m st ad t. (Vergl. Börsenbl. Nr. 80, 139 u. 143.) — Aus dem Geschäftsbericht sei noch erwähnt, daß der Verband zurzeit in 28 Vereinen 2100 Mitglieder zählt. Be sonders hervorzuheben ist der Beitritt des Württembergischen Schriftsteller-Verbandes in Stuttgart mit 100 Mitgliedern. Die Tätigkeit und Entwicklung des Verbandes könne als eine erfreu liche bezeichnet werden. — In seinem Vortrag: »Schutz des geistigen Urheberrechts in Amerika» wies Herr Kgl. Wirkl. Rat Leher-München auf das von Amerika ausgehende systema tische und fabrikmäßige Raubsystem, das Deutschland jährlich um ca. 12 Millionen Mark schädige, in längern Ausführungen hin. Alle Reklamationen würden in unhöflicher Weise von den »Kommandierenden Generalen« mit dem Hinweis abgewiesen, daß der Nachdruck gesetzlich nicht verboten sei; doch gebe es noch ein Gesetz: »Du sollst nicht stehlen«, auf das man die Herren Hin weisen solle. Redner gab dann eine ganze Reihe von Stich proben, in denen eine Anzahl Schriftsteller um Beträge von 5—1000 ^ geschädigt worden seien. Am rücksichtslosesten von den Tageszeitungen sei die »Newyorker Staatszeitung», obwohl sie über Millionen verfüge. Gegen die Verleger, die die einzelnen Werke in ungezählten Auflagen drucken lassen, sei man vollständig machtlos, sogar die Vermittlung von Karl Schurz sei nicht in der Lage gewesen, in einzelnen Fällen auch nur einen Pfennig zu erlangen. Einzelne Auflagen erscheinen 400000 Bände stark! Tatsache sei, daß die Deutschen in Amerika niemals einen Schriftsteller hervorgebracht hätten, da sie einfach durch das fortgesetzte Stehlen ausländischer deutscher Werke nicht existieren
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