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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.01.1876
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- 26.01.1876
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- Deutsch
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^7 20, 26. Januar. Nichtamtlicher Theil. 287 zunächst alle Verdrießlichkeiten und Weitläufigkeiten eines Prozesses durchzumachen. Und ist der Fall so undenkbar, daß dies zweifelhafte Vergnügen einem Autor gelegentlich blüht, dem etwa angeblich „Beschädigte" gegenübcrstehcn, die ihn aus diesem oder jenem Grunde chicaniren möchten ? Das Autorengesetz, wenn es „Briefe" pnro als „Schriftwerke" faßt, öffnet dieser Chicanc Thür und Thor. Formell stände aller, gegen einen armen Teufel von Autor, der in dem oben an mir selbst nachgewiesenen Falle ist, loszulassendcn Bosheit nicht das Geringste im Wege. Allerdings wäre es Don Quixoterie, würde der Richter mich vcrurtheilen. Aber den Prozeß hält mir doch das Gesetz nicht vom Halse; ein solcher aber ist wohl nicht unter die Annehmlichkeiten des Lebens zu rechnen. Vielleicht darf ich auch von einem indirccten Beweise sprechen, der mir vorschwebt. Gesetzt, es sei erwiesen, daß ich eine Abhand lung, ein Drama oder dergl. aus der Feder eines deutschen Schrift stellers — der es mir Privatim zum Durchlcsen gegeben hätte — in meinem Pulte verwahrte, mit der Erklärung: ich wolle es nicht zurückgeben, gleichviel aus welchem Grunde. Dann zweifle ich nicht, daß es zu einem Prozesse käme, infolge dessen ich entweder durch irgend eine Requisition gezwungen würde, die Arbeit herauszu- geben, oder: für deren etwaigen Verlust Entschädigung zu zahlen. So bei einem wirklichen „Schriftwerk". — Bei „Briefen" — wenn sie diesen absolut gleichständen — hätte somit das gleiche Verfahren einzutretcn? Und es sollte nicht „abenteuerlich", nicht „horrend", nicht „ungeheuerlich" sein, diesen Consequenzen nach zudenken? Hr. Hinstorff selbst wird sagen: „Allerdings". Hat doch auch er selbst die Besitzer von Reuterbriesen nur „freundlich bitten" können, ihm selbige zu leihen — hätte er gewußt: da oder dort stecke bei Hinz oder Kunz eine „nachgelassene Novelle" von Fritz Reuter — was gilts?: die „freundliche Bitte" hätte sich in eine sehr kategorische Aufforderung verwandelt. Zuletzt wird es ergötzen, zu sehen, wie mein verehrter Wider sacher selbst schon einmal in praxi nicht lwie ein Sprichwort sagt) die Suppe so heiß verzehrt hat, wie er sie in Ibosi aufträgt. Reuter war eben gestorben, da brachten (im Juli 1874) die Hamburger Nachrichten unter der Rubrik „Verschiedenes" einen kleinen Aussatz aus der Feder des Sanitätsraths Michael Marcus in Altona, worin eine sehr drollige Anekdote aus Reuter's Leben erzählt, und ein bisher noch nicht publicirtes Gedicht des Verstorbenen — eine scherzhafte Epistel an Marcus ä.ä.Neubrandcnburg, 2!>.Novbr. 1858 — mitgetheilt wurde. Hier also ist die Sachlage für den Sanitätsrath Marcus und die Hamburger Nachrichten im allerhöchsten Grade, und doppelt bedenklich, denn der „Brief" Fritz Renter's, der dort publicirt wurde, tritt in hervorragender Weise — vermöge seiner Eigenschaft als zwangzigzciliges Gedicht — als „Ausfluß einer indivi duellen geistigen Thätigkeit" auf. Und wie sagt Seuffcrt? „Es be geht eine strafbare Handlung, wer" u. s. w. — Diese strafbare Handlung also liegt hier ohne alle Frage vor; es »ahmen an ihr Theil: die Hamburger Nachrichten und nach ihr die gesummte Presse deutscher Zunge. Wie in den Journalen das „Vermischte" zusammengestellt wird inämlich mit der Papierschere), ist bekannt; überraschen konnte es daher nicht, wenn der Michael Marcus'sche allerliebste Aufsatz die Runde durch die Zeitungen machte — durch dieselben Zeitungen, welche kurz daraus frei nach Hinstorff katego risch erklärten: „Briese Reuter's zu publiciren, steht nur dessen Erben oder Rechtsnachfolgern zu". Und Hr. Hinstorff? — Er hat diesem Rundgange eines „Brieses" seines „Fritzing" ruhig zugesehen; wenigstens hat man von erhobener Einsprache seinerseits nichts vernommen. — Nach alle diesem glaube ich: auch für die von mir vertretene Ansicht werde sich Mancher gewinnen lassen. Sie gipfelt eben in der Anschauung: daß „Briese" prinzipaliter und ohne Wei teres — keine „Schriftwerke" sind, die unter die Gesichtspunkte des Autorengesctzes fallen. Gern gebe ich zu, daß eventuell eine Sachlage eintreten kann, derzusolge über die Strafbarkeit des Nachdrucks von Briefen gar kein Zweifel aufzukommen vermag. Eine solche wäre sogleich da gegeben, wo es sich z. B. handelt um eine Sammlung von Briefen von irgend Jemand, als selbständiges „Werk" zusammengestellt, etwa um den Briefschreiber zu zeichnen. Das ist eben ein Organismus, auf welchen allein den legal Befugten ein Recht zustcht, nicht einem Dritten, frei willig oder zufällig dazukommendcn. Ich glaube, da hat das Gesetz den Schöpfer dieses Organismus in Schutz zu nehmen, gerade so, wie mir eine Ungerechtigkeit darin zu liegen schiene, wenn z. B. heute ein freisinniger, geistvoller, belesener Mann aus verschollenen Ge dichten des vorigen Jahrhunderts eine Sammlung herausgäbe, welche großen Anklang fände, und nun straflos sollte nachgedruckt werden können, weil die Contribuenten zu dieser Sammlung alle seit 30 Jahren todt sind. Da träte der Umstand ein: daß der ur sprüngliche, belesene Sammler, der vielleicht Jahre lange Arbeit auf sein Sammelwerk verwendet hat, sich der Früchte desselben gänzlich beraubt sähe. Dagegen, dächte ich, sollte — mindestens dem Sinne nach — tz. 2. des Autorengesetzcs schützen, welcher den „Herausgeber eines aus Beiträgen Mehrerer bestehenden Werkes" — „wenn dieses ein einheitliches Ganzes bildet" — einem „Urheber" gleichgestellt. Und dieser tz. ist, glaube ich, der jenige, der Hrn. Hinstorff beistände, wenn ich mir den Nachdruck seines Sammelbandes von Reuterbriesen erlaubte, den er mir an heimgibt. Damit aber wäre nur ausgesprochen, was ich keineswegs bestreiten wollte: daß zweifellos das Ganze in seiner gegen wärtigen Form geschützt ist, aber gewiß ebenso zweifellos die Theile dieses Ganzen nicht von vorn hereinunter den nämlichen Rechtsschutz fallen. Ohne Weiteres, fürchteich, kann man „Briefe" keineswegs „Schriftwerke" nennen, womit ja nicht ausgeschlossen ist, daß Fälle eintreten mögen, infolge deren sie nichtsdestoweniger dem Autorengesetz unterliegen. Schwerlich aber werden dann andere W. aus einen etwaigen Nachdruck Anwendung finden, als Z. IS. und tz. 29., welche die Entscheidung darüber, ob ein Schaden entstanden ist, dem Gerichte „unter Würdigung aller Umstände" auheimgeben, bezw. den Richter „den Thatbestand nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlungen geschöpften Ueberzeugung" seststclleu lassen. Soll aber neben dieser abstract juristischen, wesentlich nach der Seite sinanzieller Gesichtspunkte hin gravitirenden An schauung der Sache gelegentlich auch die moralische ins Auge ge faßt und Briesschreibern ein Schutz gegen Jndiscretionen verliehen werden, an den das Autorengesetz vom 11. Juni 1870 wenigstens sicher nicht gedacht hat und nicht zu denken in der Lage war, — dann bin ich der Erste, der ein solches Gesetz mit wahrer Freude begrüßt. Gesängniß für die Indiskreten! Ich stimme von Herzen zu. Das aber ist eine ganz an de re Seite der Frage; um sie hat es sich zunächst gar nicht gehandelt. Vcytaux-Chillon am Gensersee, 22. Januar 1876. vr. Hermann Uhdc. Nachschrift. Das Vorstehende lag bereit, abgesendet zu werden, als mir Nr. 2 des bekannten Berliner Blattes: „Der lite rarische Verkehr" zugeht. Dorthin hatte ich bereits am 8. Decem- ber v. I. einen, meine Auffassung der Sachlage behandelnden Ar tikel gesendet; denselben, der soeben in jener Nr. 2 abgedruckt ist. Möchte er — der Demjenigen nichts Neues bringt, welcher die vor liegende Nummer des Börsenblattes gelesen hat — bewirken, was ich bei seiner Einsendung wünschte, nämlich: auch literarische Col lege n zur Ausnahnie der Streitfrage zu veranlassen! vi. H. U. SS*
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