Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.12.1912
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1912-12-31
- Erscheinungsdatum
- 31.12.1912
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19121231
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191212310
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19121231
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1912
- Monat1912-12
- Tag1912-12-31
- Monat1912-12
- Jahr1912
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
16424 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 303. 31. Dezember 1912. sten Zeit, während der Weihnachtszeit, verloren geht, wie wenig Kontinuationen auf Fachkalender oder teure mehr bändige Werke während dieser Zeit auf den Fortsetzungs- listen notiert werden. Und alle Wertvergeudung nur, weil der Jahresplan fehlt, weil daher immer nur das erledigt werden kann, was auf den Fingem brennt. Da ist dann allerdings die Mahnung: »Arbeiten und nicht verzweifeln«, mehr als sonst am Platze. In solchen Geschäften sinkt der Buchhändler, trotz seinem honetten Titel, zum Mechaniker herab. Nicht alle finden dann noch die Stärke, aus dem Gleichmaß der Geschäfte, sich in das Land der Ideale hinüberzuretten. Und damit steigt der eigentlich lächerliche, in psychologischer Hinsicht aber recht grausame Konflikt auf, daß der Verkäufer seine eigene Ware nicht kennt, daß er andere zum Lesen reizen will, selbst aber nichts liest. Hat Benno Wels Wohl aber recht, wenn er in der Kritischen Tribüne Nr. 17 sagt: Wie falsch, wie ganz ungebildet ist es darum, in der Beschenkungszeit, den einfachen Buchhändler, der im Laden fertige Bücher verkauft, um Rat zu fragen. Was kann er wissen, der die Bücher nicht gelesen hat und sie nach den Anzeigen des Verlegers oder nach einigen Zeilen einer Kritik, oder nach dem Gerede beurteilt? Was kann der Buchhändler wissen und raten, da er den Menschen nicht kennt, der ihn fragt, und den nicht, um dessen Beschenkung er gefragt wird ?") *> Eine ähnliche lieblose Einschätzung der Fähigkeiten des Sortimenters findet sich auch in einem Anfang Dezember in der »Kölnischen Zeitung« erschienenen Artikel: »Die Kunst des Kausens«, der einer Anzahl deutscher Tageblätter des Nachdrucks, anscheinend aber nicht des Nachdenkens, wert schien, da sie ihn ohne Kommen tar zum Abdruck brachten. »Bei gewissen Dingen«, heißt es in dem Artikel, »hat es etwas geradezu Beschämendes, wenn sich die Kunden aus das Urteil des Verkäusers verlassen, vor allem im Buchladen, wo es leider fast noch häufiger der Fall ist als in andern Ge schäften. Wenn ein Backfisch dem literarischen Geschmack des Buchhandlungsgehilsen soviel vertraut, daß sie (!) sich von ihm einen Moderoman empfehlen läßt, so ist das für ihre (!) Bildung kein besonderes Zeichen, aber es mag noch hingehen! wenn aber eine Mutter die Wahl des Märchenbuchs, oder der Abenteurergeschichte, die sie in die Hände ihrer eigenen Kinder zu legen gedenkt, nach dem Rat eines solchen (!) Kommis trifft, so ist das, wenigstens sllr eine gebildete Frau, eine un verantwortliche Bequemlichkeit. Wer es sich nur Geld und nicht auch ernstes Nachdenken kosten lasten will, der wird die Kunst des Kausens nie erlernen.« Was Herr Necknagel über den Unterschied zwischen der Be wertung eines Buches vom literarhistorischen Standpunkt und seiner Eignung sür einen bestimmten Käufer sagt, wird man ohne weiteres unterschreiben können. Wertvoll für den Käufer kann der Rat des Sortimenters auch da werden, wo es sich um ver schiedene Ausgaben ein und desselben Werkes handelt, über die unsere Literarhistoriker meist schon deswegen ketnUrtetl haben,weil sie nie in die Lage kommen, diese Unterschiede im Wege des Vergleichs festzustellen. Das gilt besonders auch von Übersetzungen und deren Ausgaben. Selbst wenn der Sortimenter kein eigenes Urteil über den Wert der einen oder der anderen abgeben kann, so hat er doch einen wertvollen Anhalt an dem Namen des Übersetzers bzw. des Verlages. Wenn zwei dasselbe tu», so ist's nicht immer dasselbe. Auch hinsichtlich der verschiedenen Welt-, Literatur- und Kunstgeschichten, in denen oft der religiöse oder nationale Standpunkt, von dem aus die Dinge gesehen werden, eine Rolle spielt, ist der Sortimenter meist in der Lage, ein Urteil abgeben zu können, das nicht von rein geschäftlichen Erwägungen, Rücksichten aus sein Lager, günstigen Bezugs bedingungen »sw. diktiert zu sein braucht. Denn cs wird ihm immer lieber sein, ein gutes als ein schlechtes Buch zu verkaufen, da er bei diesem Grundsätze seine Rechnung Von jedem Eisenwarenhändler, von jedem Konditor setzen wir voraus, daß er seine Ware kennt, wir verlangen daher auch sein Urteil und seinen Rat, immer in der Erwar- tung, daß er ein tüchtiger Geschäftsmann ist, der uns so berät, daß wir wiederkommen. Der Buchhändler allein ist aus genommen ! Joch gemach! Eine derartige Einschätzung ist doch Wohl wert, daß wir sie ein bißchen untersuchen, nicht nur weil sie in der Kritischen Tribüne steht, einer Zeitschrift, die ihre Sonde immer tief gelegt hat. Sie geht uns ans Mark, denn wenn wir heute nicht mehr wegen unserer ideellen Arbeit geschätzt werden, dann sind die Klugen unter uns, und deren gibt es noch eine gute Zahl, samt und sonders Narren. Eine gut gehende Käsehandlung ist dann noch immer besser als eine gut gehende Buchhandlung, denn jene rentiert sich immer besser bei gleicher Arbeitsleistung, und Ware ist dann eben Ware. Ich höre nun schon verschiedene Kollegen über diesen geschmacklosen Vergleich opponieren. Sie täuschen sich; wir sind Kaufleute und müssen daher unsere Ware mit anderer vergleichen lassen, und dies geschieht, vergleichen Sie nur ein mal das vorstehende Urteil etwas. Nur ist eben ein kleiner Unterschied in der Ware, wie in der Empfehlung, die der Fachmann ihr angedeihen läßt, vorhanden. Der Sortimenter steht ja einer viel komplizierteren Ware gegenüber als der Lederwarenhändler. Er hat aber auch mit ganz anderen Stimmungen beim Einkauf zu rechnen als dieser. Eines jedoch hat er genau zu beachten, wie dieser, er dars nicht seinen Geschmack als den Geschmack ansehen. Und in dieser Hinsicht sind die meisten Sortimenter dem Kritiker »über«, wie Bräsig sagt. Denn der Kritiker, der durch seine Gymnasiastenzeit gezogen wurde, der durch soundsoviele Se mester sich durchgesressen hat und durch alle Literaturen ge watet ist, hält natürlich sein Urteil für maßgebend. Er be achtet selten, nur sehr selten, daß er zu einem tausendköpfigen Publikum spricht, von dem jeder jedes Buch nur nach seinem eigenen Ersahrungskreis werten kann. Er beachtet ferner ein anderes nicht: daß er selbst, er mag es zugeben oder nicht, in seinem Urteil über das Buch von seiner eigenen Stimmung abhängig ist. Er beurteilt doch sicher Stirncr, Der Einzige und sein Eigentum ganz anders, wenn er sich als glücklicher Genießer einer Rente von, sagen wir, 20 000 -K fühlt, als der, bei dem eben der Gerichtsvollzieher manifestieren mußte, daß seine Siegelmarke schon überreichlich vertreten ist. Ganz anders der Sortimenter. Er steht sich seinen Bücher- käuser an und schätzt ihn durch Frage und Antwort auf die und jene Bildungsstufe, auf feine gesellschaftliche Stellung ein. Er hat damit schon eine Norm gewonnen, die dem ästhetisierenden Kritiker niemals gegeben ist. Dann fragt er als kluger Geschäftsmann noch, was den, dem das Buch zugedacht werden soll, schon besonders gefreut hat. Tann muß er allerdings etwas empfehlen können, was den Käufer veranlaßt, wiederzukommen. Um nun gleich richtig demonstrieren zu können, füge ich bei, daß der Sortimenter bestimmt weiß, was er vorzulegen hat, wenn er hört, daß Ganghofer gern gelesen wird. Er empfiehlt dann, ich will nun einmal süddeutsche Verhältnisse beibehalten, den ebenso gefühls tiefen Hermann von Schmid, oder auch den etwas herberen besser finden wird, als wenn er sich durch den Gedanken an ein paar Pfennige Mehrrabatt leiten läßt. Aus den Vorwurf stillschweigender Einbeziehung geschäftlicher Erwägungen in die Empfehlung lausen doch wohl alle diese An griffe, wenn sic nicht direkt gehässig find, hinaus, da selbst ein solcher (!) Buchhändler immer noch mehr von Büchern verstehen wird als ein Backfisch. Wenn es manchen Kritikern möglich ist, ein Buch zu besprechen, ohne es gelesen zu haben, so ist es auch kein Kunststück, es ohne genauere Kenntnis seines Inhalts zu ver kaufen. Red.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder