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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.11.1925
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- 1925-11-26
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- 26.11.1925
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18832 VSrlenblau f. d. Dtlchn. vuchhaud«1 Redaktton-eller Teil. 276, 26. November ISA. Münchens, Leute, mit denen sich wohl ganz unterhaltsam parlieren ließ, aber keine ernsthast zu nehmenden Persönlichkeiten sür Ver lag und Sortiment. Trotzdem hätte Crätz sich behauptet, wenn iricht zweierlei dazwischen getreten wäre: die Konkurrenz einer neuen Firma und ein Kriminalprozeß. Der Konkurrent war der Buchhändler Joh. Baptist Strobel, ein Schäfslermeistcrssohn von Aichach bei Augsburg, der zuerst Geistlicher toerden wollte, dann zum Lehrfach überging und sich nunmehr kurfürstlicher Professor nannte. Er hatte im Jahre 1779 in München das Bürgerrecht erworben und sich als Buch händler niedergelassen. Ein Altbayer von unendlicher Grobheit, schlau, gerissen und von einer naiven Rücksichtslosigkeit, die ge radezu in Erstaunen fetzt, hatte er Crätz und seinen Getreuen bald den pathetisch-rührseligen Jargon abgelernt, der damals Mode war, und wollte nun seinerseits der Aufklärung dienen. Crätz, der sich als buchhändlcrrscher Alleinherrscher auf diesem Gebiete fühlte, sah seine Stellung um so mehr ernstlich bedroht, als Strobel in dem Mitglied der Akademie der Wissenschaften und des kurfürst lichen Zensur-Kollegiums, dem Weltpricstcr Lorenz Wcstenrieder, der damals als Münchens Hervorragendster Schriftsteller galt, einen ihm von Jugend auf bekannten, von selbstloser, tiefster Hei- matlicbe erfüllten Mitarbeiter und Berater gewonnen hatte. Ein erbitterter Kampf zwischen den beiden Firmen setzte ein. Um gegen den Rivalen standzuhalten, suchte Crätz nach immer schärferen buchhändlerischen Sensationen. Persönlichkeiten der extremsten Richtung im Kampfe gegen Kirche und Staat drängten sich an ihn heran, verkommene Literaten, Schmähschriftenschreiber, allerhand zwcisclhaftes Gesindel, das an ihm hetzte und stichelte. Und schließlich ließ er sich verleiten, den Verlag der satirischen Monatsschrift »Der Zuschauer in Baicrn« zu übernehmen, eines Blattes, das rntter der Redaktion der beiden heitzspornigen, jungen Geistlichen Ignatz Schmid aus Gauting im Würmtal und Joseph Milbiller aus München, des späteren Professors der Geschichte an der bayerischen LandeSunivcrsität Landshut, im Jahre 1781 be nutz einen «drcyjährigen Rittcrzug aus Befehdung menschlicher Thorhcttcn- hinter sich hatte und nunmehr auf Bahnen wandelte, die einen Zusammenstoß mit den Behörden als unabwendbar vor- ausschen ließen. Uick Crätz tat nichts, um die herrschende Span nung zu mildern. Im Gegenteil, der »Zuschauer« wurde in seine» Angriffen, besonders auf Personen und ihr Privatleben, immer heraussordernder. Ja es war bereits so weit, daß man erzählte, cs sei in München »unter der niedrigsten Mcnschenklafse zum Sprichworte geworden, ivenn inan sich einander mit einer greu lichen Beschimpfung drohen wollte, zu sagen: ,Jch laß dich in den baicrischen Zuschauer setzen'«. Also schon das richtige Skandal blatt. Die Regierung vertvarnte Crätz. Er schrieb weiter. Man verurteilte ihn zu einer Arreststrafe. Er ließ sich nicht beirren, und die Angriffe nahmen zu. Der »Zuschauer in Baiern« wurde verboten. Er setzte ihn unter dem Titel »Der beste Nachbar« fort. Und nun kam das Ende. Im Dezember des Jahres 1784 tvar mit dem erdichteten Druckort Bamberg eine anonyme Schmähschrift gegen Buchhändler Strobel erschienen, die wegen ihrer alles Maß übersteigenden Beleidigungen in München gewaltiges Aufsehen er regte. Der Betroffene wandte sich sofort um Schutz gegen diesen »öffentlichen Ehrenraub- an das Stadtgericht und wies auf Crätz und seinen Ladendicuer Peter Philipp Wolf als die mutmaßliche» Urheber des Pasquills hin. Zunächst wurde Wolf verhaftet, und als dieser bei seiner gerichtlichen Vernehmung seinen Prinzipal als Verfasser genannt hatte, auch Crätz. Aber Wolfs weitere Aus sagen hatten noch Wichtigeres enthüllt. ES kam nunmehr zutage, daß Milbiller, der frühere Herausgeber des »Zuschauers in Baicrn«, der Korrespondent 'des berüchtigten Peter Adolph Win- kvpp war, jenes aus dem Kloster Petersberg bei Erfurt entsprunge nen Benediktiners, der nunmehr sich der Schriftstellers! widmete und durch seine Klostergeschichten, die im Ton der damals so be liebten Ritter- und Räuberromane gär Grauenhaftes aus dem Leben der von der Welt abgeschlossenen, gegen ihren Willen in den dumpfen Zellen zurückgehaliencn Jünglinge und Jungfrauen zu erzählen wußte, bekannt geworden ist. Und mehr noch durch seine Pasquille und Schmähartikel in norddeutschen Blättern, in denen er nicht niüde wurde, unter der Flagge der Aufklärung Bayerns Volk, Regierung, Beamtentum und Geistlichkeit in den Schmutz zu ziehen. Der Vermittler und wohl auch Mitarbeiter dieses Briefwechsels tvar Crätz. Und wie einst Friedrich der Groß« Schmähschriften, die seine eigene Person betrafen, unbeachtet ließ, dagegen mit unerbittlicher Strenge vorging, iocnn das Ansehen des Staates und seiner Organe in Frage kam, so geschah es auch jetzt in München. Der anfängliche Äuchhändlcrstreit wurde zur Kriminalsache. Crätz lam zu weiterer Untersuchung ins Zucht haus und erhielt erst im Juni 178S seine Freiheit wieder, Milbiller und Ignatz Schmid wurden ausgewiesen und verließen ebenso wie Peter Philipp Wolf ihre Heimat. Auch Crätz fühlte, daß seines Bleibens nicht länger mehr tvar. Nicht ein »Opfer der spanischen Inquisition in Bayern- war er geworden, wie seine Helfershelfer in ganz Deutschland geschäftig es verkündeten, seine eigene schrankenlose, unbezähmbare Leidenschaftlichkeit, sein rücksichtsloses Vorgehen gegen jeden, der anders zu denken wagte wie er, hatte ihn zu Fall gebracht. Und so gab er den Buchhandel auf und zog in die Fremde mit Weib und Kind. Wohin? Ich weiß es nicht. Vielleicht nach Sachsen oder in die Schweiz, wohin sich Wolf gewendet hatte. Und was blieb übrig als Ergebnis seines Münchner Wirkens? Ein geschäftlicher Zusammenbruch, ein be makelter Name, ein zerstörtes Familienglück. Er war wirklich ein »Unglücklicher« geworden, wie er sich selbst einmal nannte, ruhelos und heimatlos. Kornelius Leysserius und Joseph Alois von Crätz sind di« beiden Pole in der Geschichte der Firma. Und neben dem ernsten, glaubenstreuen Niederländer und dem ungestüm vorwärtsdrängen den Apostel der Aufklärung will ich nur leise andeutend und umreitzend noch einen dritten Eharakterkops aufleben lassen, der das ruhige, ja fast behäbig abwägende, die Gegensätze mildernde und klug der Zeit vertrauende Element vertritt, dem die Firma es verdankt, daß sie auch diese Krisis überwunden hat und noch heute besteht — den alten Lindaucr. Im Jahre 1786 hatte Joseph Lindauer aus Border- tchr, einem zur Pfarrei Kohlgrub gehörigen Weiler unweit von Muruau, die fast ganz abgehauste Crätzsche Buchhandlung erworben und war am b. Juli als Bürger und Buchhändler in München ausgenommen worden. Sein und -seiner Frau Vermögen besprich in 1200 Gulden, und mit diesem bescheidenen Betriebskapital cr- öffnete er, da der von Crätz bisher iunegehabie kostspielige Laden in der Kaufingergasse nicht zu halten tvar, zunächst ein beschei denes, freilich abseits vom Verkehr gelegenes Lädlcin ini Ruffschen Hause am Frauenplatz (jetzt Nr. 5). Und hier, im Schatten der Fraueittürme und mit dem Ausblick auf den damals noch -bestehen den und ganz ländlich gemuteten Friedhof, hat der erst Dreißig jährige mutig seine Arbeit begonnen. Joseph Lindauer -war ein Prachtmensch, einer jener tüchtigen, energischen und unternehmungslustigen Bauernsöhne aus unserem Oberland am Staffclsee, von wo, um unter vielen nur ein paar zu nennen, der durch seine Tätigkeit auf landwirtschastlichem und industriellem Gebiete so hervorragend tätige Münchner Bürger meister Utzschnei-dec stammte, und Matthäus Rieger, der Gründer der -im 18. Jahrhundert zu Weltruf gelangten Augsburger Firma gleichen Namens. Lindauer war bereits in Ungarn, in Prcßbnrg an der Donau, Teilhaber einer -Buchhandlung gewesen, und als er -das Geschäft in München übernahm, machte sich seine Sach kenntnis alsbald bemerkbar. Bor allem war er, -wie schon sein Vorgänger Crätz, von der Wichtigkeit der Reklame in der Tages preise überzeugt, und säst kein Mittwoch-Annoncenblatt der Münch ner Zeitung erschien, ohne daß seine Sortimentsbuchhandliing Neuheiten angezeigt -hätte. Bald waren cs historische Werk, Theologisches, neue Dramen, -hinwieder auch Porträts Hingerich teter -Verbrecher, -das Stück zu sechs Kreuzer. Auch Werke der großen Meister der Tonkunst, Haydn und Mozart, waren bei ihn, zu haben. Man sieht, er befriedigte jeden Geschmack und hütet« sich wohl, als Buchhändler ausgesprochener Parteimann zu sein. Dazu eröfsnetc er eine Leihbibliothek, und zwar, >vas für München etwas Neues war, auch mit wissenschaftlichen Werken. Sein Haupt augenmerk aber richtete Lindauer auf -den Verlag, und es ist interessant, zu erfahren, -daß -der Propst des Augustincrchorhcrren- Stiftcs Rottenbuch an der Ammer, -der bücherfreudige Ambrosius Mösncr, es geivesen war, der seinem ehemaligen Kohlgruber Psarr- lind durch Gewährung eines Darlehns diese Geschkftserweiterung er-
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