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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.08.1912
- Strukturtyp
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- 1912-08-19
- Erscheinungsdatum
- 19.08.1912
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- Deutsch
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9508 «Irl-nN-tt f. d. Dlschn. Vuchhand-I. Mchtamtlicher Teil. ^ 192, 19. August 1912. bloh für die Schaffung der geeigneten Volksbildungsmitlel durch den Verlag, sondern ebenso für ihre Verbreitung durch das Sortiment. Wie die Ausführungen über das billige Buch in Nr. 164—168 ergeben haben, war es durchaus nicht nötig, mit der Produktion billiger Schriften vorzugehen, da der Verlag aus diesem Gebiete wirklich schon Bedeutendes geleistet hatte; übrigens haben die Hamburger Buchhändler schon 1909 einen Prospekt über gute billige Bücher Hamburger Autoren in Hamburger Verlagen verbreitet. Verhängnisvoll wäre es aber in Rücksicht auf die Verbreitung des Buchs, wenn zwi schen Sortiment und Volksbildung ein Gegensatz geschaffen würde. Der bedenk s am sie Faktor für den lite rarischen Konsum ist und bleibt der Sorti mentsbuchhandel. Das weiß am besten der Verlag, so viel Kritik er auch immer am Sortiment üben mag. Wenn B. den Verlag gegen das Sortiment auszuspielen sucht, so beweist er nur, daß er die Eigenart beider nicht kennt. Jeder Verleger ist bei der Herausgabe eines neuen Werkes von der unbegrenzten Absatzmöglichkeit desselben so fest überzeugt wie der Vater von den wunderbaren Fähigkeiten seines Kin des. Wenn dann der Sortimenter nur in Kommission bezieht und gar noch remittiert, so raisonnierl er natürlich über die mangelhafte Werbekraft des Sortimenters, sucht auch wohl eigene Wege, an die Masse heranzukommen, aber er steht sich doch immer auf das Zusammenarbeiten mit dem Sortiment angewiesen, weil er wohl weiß, daß täglich zahlreiche Neu erscheinungen vom Sortimenter erwarten, placiert zu werden! Das sollten auch alle Volksbildungsbestrebungen einsehen lernen. Darum darf zwischen beiden kein Gegensatz kon struiert werden, sondern sie müssen zu gemeinsamem Wirken Fühlung und Verständigung suchen. Einer solchen Verständi gung dient aber die Brunckhorstsche Broschüre nicht, da der Verfasser, ein Schüler von Wolgast, entsprechend den Tradi tionen im Hamburger Prüfungsausschuß außer stände ist, auch den Sortimentsbuchhändler mit Avenarius als Kulturarbeiter zu werten, und ihm jede Kenntnis des Buchhandels abgeht. Es ist im höchsten Maße bedauerlich, daß Herr Brunck- horst, der eine große Organisation repräsentiert und ihre Inter essen vertreten soll, als Ankläger und Neformprediger öffent lich gegen einen geachteten Stand austritt, ohne die Verhält nisse desselben zu kennen. Entschiedene Verwahrung mutz ich aber dagegen einlegen, daß Herr Brunckhorst sich so geriert, als spräche er im Namen der Volksbildungsbestrebungen. Die geringen Angaben, die er über Bestrebungen zur Förderung der Volkslektüre macht, lassen nicht erkennen, daß er dies Ge biet auch nur oberflächlich kennt, und selbst aus dem Gebiet der Jugsndlektüre ignoriert er bedeutsame Erscheinungen. Statt des anspruchsvollen Titels »Grundsätzliches und Prak tisches von der Verbreitung guter billiger Jugend- und Volks- lcktüre«, unter dem uns in Jahren vielleicht einmal vr. von Erdberg, der Vorsitzende der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schundliteratur, einen überblick über die vorhandenen Be strebungen gibt, hätte B. wählen sollen- Prüfungsausschüsse und Buchhandel. Denn das ist der beschränkte Inhalt seiner Ausführungen. Schon die Ausführungen des zweiten Abschnitts über das Bedürfnis des Volkes nach guten billigen Büchern lassen erkennen, daß dem Verfasser der Einblick in die geschichtliche Entwicklung der hier in Betracht kommenden geistigen Strö mungen fehlt. Die soziale Frage war, wie ich schon 1903 auf der Kirchlich-sozialen Konferenz in meinem Vortrag über Volks- und Jugendlektüre nachwies, zur Bildungsfrage ge worden, und die Lehrerschaft begann, in neuer Wertung Pesta lozzis, die soziale Seite ihrer Ausgabe zu erforschen. Daß diese gesamte Volksbildungsarbeit nur möglich war »auf dem Boden eines starken geistigen Bedürfnisses in breiten Massen des Volkes«, wer wollte das bestreiten; es müßte ja übel be stellt sein um unsere Arbeit in der Schule; aber die ganze Bewegung ist ein Verdienst der Gebildeten, die sich im Evan gelisch-sozialen Kongreß, in der Zentralstelle für Arbeiterwohl- fahrtsetnrichtungen, Comenius-Gesellschaft und verwandten Organisationen mühten, die soziale Frage lösen zu helfen. Aus ihren Bemühungen sind alle jene Bestrebungen hervorge gangen, die der Volksbildung dienen: Vorlesungswesen und Bücherhallen, volkstümliche Musik- und Theateraufführungen, Volksheime und Jugendfürsorge. Gewiß haben alle diese Be strebungen auch »in der Masse«, bei den »Arbeitern« Wurzel gefaßt; aber ich mutz B., der mit diesen beiden Worten so oft operiert, doch darauf Hinweisen, daß auch der von ihm zitierte Hennig, Zehn Jahre Bibliotheksarbeit, Geschichte einer Arbeiterbibliothek nur die Feststellung Pfannkuches: Was liest der deutsche Arbeiter? bestätigt, daß nämlich diese Arbeiter, bibliotheken »nicht den Anspruch erheben können, wissenschaft liche Bildungsbibliotheken zu sein«. Es ist doch wahrlich kein glänzendes Ergebnis der Kunsterziehungsbewegung, wenn in der Schönen Literatur unter den 20 meistgelesenen Autoren Zola, Otto Ruppius, Daudet, Gorki, Jükai, Maupassant, Rob. Schweichel erscheinen, und als die meistgelesenen »wissenschaft lichen« Werke Corvin, Pfaffenspiegel; Blos, Geschichke der Revolution; Gekrönte Häupter; Fischer, Probenächte deutscher Bauernmädchen u. dgl. stehen. Gewiß wollen wir bei unseren Bildungsbestrebungen die »breite Masse« zu erreichen suchen, aber wir wollen doch auch nicht verkennen, daß sich nur ein relativ kleiner Teil der Masse der Bildung erschließt, wenn sich auch das Bildungsstreben besonders bei wirtschaftlich hochstehenden Arbeiterklassen zeigt. In den Hamburger Nach richten plaidierte neulich ein Bildungseliger für Obdachlosen bibliotheken! Obdachlosen mit Büchern helfen — welche Ironie! Denen ist nicht mal mit Brot oder Arbeit gedient! Wer die Statistik der Tippelbrüder kennt, weiß, daß es vielen derselben an »Bildung« nicht gefehlt hat, sondern nur an der Energie, die man aus keinem Buche holt. Wir Lehrer sollten doch offen eingestehen, daß es vergebliche Liebesmüh ist, in allen Menschen geistige Interessen zu erwecken. Auch aka demische Würden sichern nicht davor, daß jemand die Welt außerhalb seiner engen Berufsgrenzen nicht sieht; Banausen gibt es in jeder sozialen Schicht; aber der Prozentsatz wächst mit dem wirtschaftlichen Druck. Uns Lehrern wie den Geist lichen gibt unser Amt die Möglichkeit und die Pflicht, in allen Kreisen für Bildung zu werben, und wir freuen uns, daß jetzt auch in anderen die Erkenntnis dieser sozialen Pflicht erwacht; aber von einem Beruf stände ver langen, daß er seine wirtschaftliche Existenz aus solche Utopien wie den »Bildungshunger der Blassen« gründet, i st naiv und ungerecht. Das Verhalten von B. erinnert mich an die beweglichen Kla gen eines Kandidaten gelegentlich eines Vortrags; auch er war für literarische Kultur entflammt, wollte im Jünglings verein eine Bibliothek einrichten, aber die bösen Buchhändler (es waren sogar christliche!) wollten ihm die nötigen Bücher nicht schenken. Wir, denen ein festes Amt eine sichere Existenz bietet, können uns Wohl aus Idealismus in Volksbildung be tätigen; wem sie aber nicht bloß eine Existenz geben, sondern auch die Zukunft der Familie sichern soll, der mutz Wohl rech nen. Das Buch ist eben auch eine Ware; die Konkurrenz und die Gleichgültigkeit der Masse sorgen schon dafür, daß die Buchhändler nicht üppig werden. Und dann, ich möchte es nicht erleben, was aus der Literatur würde, wenn etwa die Bücherproduktion wie der Vertrieb amtlich geregelt würden! Wenn wir Volksbildner von Amts wegen mithin dem Buch händler sein kaufmännisches Verhalten ebensowenig verdenken sollen wie etwa dem Pribatlehrer, so können und dürfen wir unsere Augen nicht davor verschließen, daß in keinem anderen Beruf soviel Verständnis und Interesse für Volksbildung lebt
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