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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.05.1912
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1912-05-13
- Erscheinungsdatum
- 13.05.1912
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- Deutsch
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^ 110, IS. Mai 1S12. Nichtamtlicher Teil. v»rs-n«Iatt s. d. Dtlchn. «uchr-ndkl. 5901 Bei einem erheblichen Prozentsatz kann man die Frage getrost verneinen. Zum Lernen gehört nämlich besonders dann, wenn die bez. Zwangsmaßregeln eingeschränkt sind, unumgänglich guter Wille. Der Lernzwang für junge Leute, die der Volksschule entwachsen sind, hat immer etwas Heikles, wie eS jeder Zwang zum Glücklichmachen an sich hat. Dabei ist eS sehr zweifelhast, ob der Schulmeister nach deni Beispiel von Sadowa, das ihm angedichtet wird, Erfolge erzielt. Das Ideal wäre wohl ein fakultativer Fort bildungsunterricht, aber er mußte zum schlechteren, zwangs- weisen werden, weil dieses Ideal auch ideale Arbeitgeber voraussetzte, die denjenigen ihrer Lehrlinge und jungen Ge hilfen, die in sich den allein zu einem Ziele führenden Drang nach Ausbildung fühlen, gern auch Zeit und Gelegenheit geben, dem Streben zu folgen. Das ist dieselbe Sache wie mit der Sonntagsruhe, die auch nur zwangsweise eingeführt werden konnte. Nicht wegen der Arbeitnehmer, sondern wegen des vorauszuschsnden Verhaltens der Arbeitgeber mußte die Fortbildungsschule obligatorisch, d. h. schlechter werden. Schlechter, weil die Indolenten das Niveau der Schule not wendigerweise herabdrllcken müssen. Wohltaten soll man nicht PLI- oräro äu dloukti verteilen wollen! Aber jetzt haben wir den Segen einmal und müssen ihn über uns ergehen lasten! In dem ersten Münchener Brief ist darauf hingewiesen worden, daß der Verlag bei Gelegenheit von Vor trägen mehr als bisher Veranlassung nehmen sollte, in das Vortragsgebiet fallende Schriften anzubietcn, und auch der zweite Berliner Brief beschäftigte sich mit der Frage. Der Gedanke hat etwas Verlockendes, besonders wenn man den -heißen Bildungshunger« als Triebfeder für den Besuch der Vorträge annimmt. Wir haben hier in Köln geradezu eine Überfülle von Vorträgen; die Lokalblätter haben eine eigene Rubrik, in der fortlaufend darüber berichtet wird. Die Mehrzahl dieser Vorträge geht aber von Vereinen oder Vortragsvercinigungen aus, und der Besuch ist öfter für jedermann frei. Die Vereinsmitglieder oder Teilnehmer, die auch die Vorträge gegen ein geringes Entgelt abon nieren und die manchmal alle vierzehn Tage zu solchen Veranstaltungen eingeladen werden, setzen sich zunächst nicht aus lauter gleichgesinnten Interessenten zusammen, sondern in so einer Vortragsreihe werden die verschiedensten Themata aus Geschichte, Naturwissenschaft, Literatur usw. behandelt. Mit dem heißen Bildungshunger ist es gewöhnlich nicht allzuweit her; man betrachtet es oft als zum guten Ton gehörend, wie im Theater und auf Konzerte, so auch auf Vorträge abonniert zu sein, oder man will einen berühmten Mann sehen und hören. Besonders der letztere Grund »zieht« oft in den sogenannten Literarischen Gesellschaften. Wenn dieselben Werke von einem Vortragskllnstler oorge- lragen würden, wären sicher damit nicht die Hälfte der Besucher heranzuziehen, als wenn der Schriftsteller oder Dichter -mitgeliefert- wird und seine Produktionen meistens schlecht und wirkungslos vorbringt. Oft denke ich auch, daß die Leute, wenn sie wirklich Interesse an einem besonderen Thema hätten, viel weiter kämen, wenn sie das Eintrittsgeld für ein entsprechendes Buch anlegten, statt sich in einem einstündigen Vortrag belehren zu lasten, wovon sie, vorausgesetzt, daß sie überhaupt folgen können, in einigen Wochen nichts mehr wissen. Viel wertvoller wäre es, wenn sie ein Werk des Dichters kauften und ihn geistig kennen lernten, als für den Genuß, seiner Locken mehr oder minder große Fülle mit leiblichem Auge zu schauen, Geld zu bezahlen. Unsere Kultur ist in großem Umfang eben eine ganz seichte Oberflächenkultur, und nur diese Erkenntnis macht diese Flut von Vorträgen erklärlich. Ich sehe also diese Sorte von »Vortragsinteressenten« mit ganz anderen Augen an, und diese Wertung hat sich auch bei Proben Börsenblatt sitr den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. auf dis in Frage stehende Propaganda als zutreffend erwiesen. Verleger sowohl wie Sortimenter haben nämlich hier schon verschiedene Versuche auf dem angepriesenen Wege gemacht. Ohne ' den geringsten Erfolg! Auslage tische mit den Büchern der Vortragenden wurden kaum berücksichtigt, verkauft wurde nichts, und teure Prospekte, die die Verleger gerade für die betreffenden Vorträge hatten drucken und verteilen lassen, wurden so in der Art der Theaterprogramme benutzt, nämlich bei dem Vortrag verfolgt und dann meist auf den Stühlen liegen gelassen. Daß nur ein Buch auf Grund dieser Propaganda mehr verkauft worden wäre, ließ sich nicht Nachweisen, aber wenn auch ein »Erfolg» aus diese Weise erzielt worden wäre, so war er jedenfalls so minimal, daß der Gewinn daran die Kosten dieser Propaganda, die doch nur in einem sehr eng be schränkten Kreise von 200 bis 400 Personen stattftnden konnte, bei weitem nicht gedeckt hat. Es gibt in Köln einen Geschichts-Verein »Alt-Köln», der sich die Pflege alter Sitten, des Dialektes und der ruhmreichen Geschichte der Stadt angelegen sein läßt. Zu den monatlichen Sitzungen legt Herr Buchhändler Staufs, der Vorsitzender des Vereins ist, auf einem Tische den jeweiligen Vorträgen entsprechende Literatur aus. Nun besteht ein solcher Verein mit einem so festen, beschränkten Programm gewiß aus Leuten, die ihr Interesse an ihm durch ihren Beitritt bekundet haben, aber selbst hier ist der geschäftliche Erfolg gleich Null. Wohl werden ganz billige Sachen von 10 und 20 Pfennig gekauft, aber wenn Herr Staufs es nicht der Sache zuliebe täte, hätte er diese Art von Büchervertrieb längst aufgeben müssen, denn allein der Lohn des Verkäufers übersteigt den Gewinn aus dem Absatz. Ähnlich ist es bei den Jatho-Vorträgen und sonstigen persönlichen Veranstaltungen. Nun mag man ja sagen — und es ist auch gesagt worden —, daß man hier nicht nach dem sofortigen Erfolg rechnen dürfe, sondern die Propaganda wirke auch nach. DaS mag in ganz vereinzelten Fällen zutreffen, aber ich glaube, daß die Kosten von Prospektdrucken auf andere Weise, z. B. in Zeitungsinscraten, Plakaten und dergleichen besser angelegt würden. Dann muß man sich auch vergegen wärtigen, daß ein -besseres« Publikum, d. h. ein solches, das mehr Geld hat als die große Maste, gar nicht das literarische und Bildungs-Interesse zu haben pflegt, das es heuchelt. Schon jetzt steht man in der Mehrzahl der literarischen, ästhetischen und geschichtlichen Vorträge nur noch Frauen, die die Plätze absitzen, die der Herr Gemahl oolsvs volsvs nehmen mußte, und man kann in dem Publikum Szenen beobachten, die aus Paillerons -Welt, in der man sich langweilt« zu stammen scheinen. Der wertvollste Vortragszyklus, den wir in Köln eine lange Reihe von Wintern regelmäßig hatten, ist Heuer aus Mangel an Interessenten eingegangen! Wirkliches Interests findet man vielmehr in den bildenden Vorträgen sür Arbeiter, die für 10 H Eintrittsgeld geboten werden — hier von der »Vereinigung für wissenschaftliche Volkskurse» und den »Studentischen Arbeiterunterrichtskursen« veranstaltet — und bei denen man in der Tat von so etwas wie Bildungsbestrebungen sprechen könnte. Aber in diesen Kreisen fehlt das Geld zur Anschaffung von Büchern, deren Verkauf rentabel wäre; dort kann man auch nur Pfennigliteratur absetzen, und so hat man denn hier nach mancherlei Versuchen in dieser Richtung diese Art von Propaganda für den Bücherverkauf allseitig aufgegeben. Daß es in anderen Städten anders ist, glaube ich nicht recht, und im allgemeinen wird in den größten Städten, wo so viel Abwechslung in Vergnügungen aller Art geboten wird, ver hältnismäßig am wenigsten Literaturintereste vorhanden sein. Auf dem Lande, in kleinen Städtchen, wo Theater, Konzerte und Vorträge zu den großen Seltenheiten gehören, sind mir 769
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