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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.12.1925
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- 1925-12-08
- Erscheinungsdatum
- 08.12.1925
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- Deutsch
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X 286, 8. Dezember 192Ö. Redaktioneller Teil. Nunmehr schilderte der Redner den abendlichen Familien- oder Freundcstrsch, um den Lesende geschart sitzen, jeder sein Glas vor sich, nach dem er hin und wieder greift; die Gemeinsamkeit der geistigen Konzentration auf das Buch hält sie einander nah gleich Betenden. Diesem friedlichen Bilde gegenüber steht die härteste, die Kricgszcit, in der Tausende deutscher Soldaten ihren Faust, Zarathustra, Gottfried Keller als Trost im Tornister trugen, das teure Buch bildete die Brücke, auf der sie zum lebenstüchtigen Dasein zurückkehren konnten. Nicht nur für sich: auch für die versammelten Hörer legte der Redner das Bekenntnis zum Buche ab, in Dankbarkeit gegen den Buchhandel, der es uns vermittelt; der höchste Ruhmestitel eines Volkes sei cs, die meisten Bücher zu besitzen, die allesamt Leser fänden, meint er. Verwehrt ihm selber auch der Zeitmangel, ein fleißiger Leser zu sein - - dennoch ist das Buch ihm Lebensgefährte. In stillen Ferienzeiten greift er nach den »Wahlverwandtschaften«, nach Gottfried Keller, nach den alemannischen Gedichten und Kaiendergeschichten I. P. Hebels, nach Unruhs temperamentheißeu Büchern, nach Hohenlohes Memoiren. Da stehen so manck)c wartende Bücher, die zu wissen scheinen, das; ihre Zeit mit ihres Besitzers Mutze einst kommen wird. Was soll gelesen werden? Eine Menge guter Namen wurde genannt: Bindings Tagebuch, Nrehm, die Klassiker der Kunst in Monographien, Thomas Manns Zaubcrberg, Hauptmanus Insel der grotzcn Mutter, Nansens ewig junges Nordpolbuch, Emil Ludwig. Napoleon, Paul Bckkcrs Beethoven, Leo Frobcnius, Burckhardts Renaissance in Italien, Schräder, Ponten, Mcier-Graefc, Borrmann, Amundsen, Eurtius, der uns den franzö sischen Geist, Wendel, der uns den des Balkans verständlich zu machen sucht. Neben Tolstoi, Dostojewskis, Wilde nannte Herr Sutter das Architekturbuch »Vom Blockbaus zum Wolkenkratzer :, den neuen packen den Balkanroman »Kyra Kyralina . Der Redner entschuldigte die Systemlosigkeit seiner Empfehlungen mit dem Goethewort: »Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen«; seinen Wunschzettel mutz jeder selber schreiben, um im neuen Buch dem geeigneten Gefährten zu begegnen, liberal! bietet sich solche Gefährtschast; angekurbelt an seine Zeit, wird der gehetzte Mensch noch am ehesten einen Richter finden, der ihm mildernde Umstände zubilligt, wenn der Bann eines guten Buches die Pflichtvergesscnheit verschuldet hat. Dank sei dem Buche! Es schlägt aufs neue gangbare Brücken zwischen entzweiten Völkern, in ihm begriitzcn wir das Denkmal des Guten, des reinen Strebcns der Menschheit. F r a n k f u r t a. M. L e o n t c M c pe r h o f - H i l d e ck. Was ist das schönste und billigste Weihnachtsgeschenk? In der Trierischen Land-.'szeituug veröffentlicht Heinrich Tiaden folgenden Artikel, den wir wegen seines zeitgemäßen Inhalts unseren Lesern nicht vor enthalten möchten. Das Abdrücksrecht ist von dem in Trier lebenden Verfasser zu erwerben. Man sagt, die Zeiten seien schlecht und teuer. Es wäre eine Tor heit, die Nichtigkeit dieser Behauptung abzustreitcn — denn wahrlich, die Zeiten sind für unendlich viele unter uns fast untragbar. Leider finden die Wenigsten den rechten Weg, sich die schwere Bürde ein wenig zu erleichtern. Jeder Mensch strebt nach Lebensgenuß. Das Be dürfnis, sich zeitweise über die graue Alltäglichkeit hinauszuhcben, ist um so entschiedener, je höher die Bildungsstufe. Wenigstens für Stunden will man hin und wieder vergessen, mit welch schweren Ketten mau an die Täglichkclt gefesselt ist will vergessen die drückenden Sorgen für die Zukunft, das leidvolle Erinnern an die Vergangen heit. Und auch der Mittelloseste ist dann und mann geneigt, für letzte Groschen sich in einen Zustand holder Illusion zu versetzen. Wie wenige aber wählen den rechten Weg und das beste Mittel! Wenn alle Menschen sich darüber klar wären, welches Mittel unter geringstem Kostenaufwand am sichersten das ersehnte Ziel erreichen läßt, dann wären heute die Buchlädcn nicht so arm an Kunden. Denn wahrlich, kein Lebensgenuß ist so tief, erhebend und dauerhaft, dabei mit verhältnismäßig so geringen Kosten zu erkaufen wie der, den ein gutes Buch vermittelt. Alle, die diese Zeilen lesen, mögen sich fragen, wieviel schöne, weltvergessene Stunden ihnen beschert wurden durch fesselnde Lektüre von jenen seligen Jugendtageu an, da die staunen den Augen alle Herrlichkeiten der Welt aus Märchen- und Gcschichten- bücheru herauslocktcn - bis heute, da gereistcre Lebenserfahrungen eine Lektüre verlangen, in der des Lebens ernste Fragen widerklingen? Wer kann aus seinen Erinnerungen all die Stunden zusammenzählen. da ein gutes Buch ihm der angenehmste und interessanteste Gesell schafter war! Und wenn man nun den Preis eines guten Buches mit den Kosten vergleicht, die andere Lebensgenüsse weit leichterer und flüchtigerer Art erfordern, so wird man finden, das; fast in allen Fällen das Buch den weitaus bescheidensten Anspruch an den Geldbeutel stellt. Erwägt man dann aber, daß nach einmaliger Lektüre das eigene Buch seinen Wert durchaus nicht verloren hat (sofern es sich um einiger maßen wertvolle Literatur handelt), das; es vielmehr dem Menschen ein treuer und liebenswürdiger Begleiter auf allen seinen Lebenswegen bleibt, dann verschwindet die Preisfrage der W c r t frage gegen über fast vollkommen — dann steht einer Ausgabe, die manchmal nach Stunden wieder verschmerzt ist, ein Genuß gegenüber, der an Kraft überl>aupt nicht nachläßt und sich manchmal mehr und mehr steigert, je tiefer und je öfter man sich in den Geist des Werkes versenkt. Wer die Richtigkeit vorstehender Worte anerkennt — und ich glaube kaum, das; man sie mit guten Gründen widerlegen kann der muß cS nunmehr sehr befremdlich finden, daß von diesem wunder vollen und so überaus wohlfeilen Mittel, sich das Leben zu bereichern und zu durchsonuen, gerade in dieser düsteren Zeit verhältnismäßig wenig Gebrauch gemacht wird. Man sollte doch annchmeu, das; gerade in diesen unseligen Jahren, in denen unendlich viele Menschen für die leichten, flüchtigen, teils sehr problematischen Lebensgenüsse, wie sie vor dem Kriege unter uns leider zu verbreitet und alltäglich waren, kein Geld mehr übrig haben — das; alle diese Menschen sich nun dem weit bcglückenderen und weit billigeren Genus; der Lek türe hingcben würden. Vielleicht ist das in der Tat anch der Fall vielleicht herrscht in den Leihbibliotheken jener Andrang, den die Buchlädcn vermissen lassen. Ich möchte aber an dieser Stelle wieder holen, was man allen Menschen, besonders jenen, die Anspruch aus Kultur machen, nicht oft und dringend genug ans Herz legen kann: jenen tiefen beglückenden Einfluß, von dem ich in vorstehenden Zeilen sprach, gewährt nur das eigene Buch. Das Lesen geliehener Bücher gewährt nur einen teilweise« Litcraturgenuß, ei» Surrogat, möchte ich sagen. Man glaube mir: der Besitz eines guten Buches ist nicht gleichbedeutend mit dem Besitz irgendeines Dinges, eines toten Gegenstandes, möge sein materieller Wert noch so hoch sein. Das Buch ist ein Teil des seelischen Lebens seines Verfassers, und indem ich das Buch besitze, besitze ich zugleich einen Teil der Seele jenes Men schen, der Gedanken gedacht hat, die mich ergreifen oder begeistern oder ergötzen. Und jeder echte Bücherfreund und Kulturmensch hat selt samerweise die größte Freude an einem neuen Buche dann, wenn er es nach der ersten Lektüre in seinen Bücherschrank stellt — denn dieses Buch ist nunmehr nicht nur sein materielles, sondern auch sein geistiges Eigentum; er kennt den Verfasser und kann ihn zwingen, sich ganz nach seinem Belieben mit ihm zu unterhalten und ihm Ge sellschaft zu leisten, so oft und solange er nach dieser Gesellschaft Ver langen hat. Dort steht nun das neue Buch in der Reihe der anderen, die ihm nach der ersten Bekanntschaft Freunde geworden sind, Freunde, von denen er nie wieder lassen will und die auch von ihm nicht mehr lassen, denn kein Freund ist in seiner Liebe so treu und in seiner Anhänglichkeit so zähe wie ein gutes Buch. Und wenn der Besitzer es dort stehen sicht, dann freut er sich seines Besitzes — im Ge danken an die schönen Stunden, die er damit verlobt hat, und au die schöneren, deren er noch für die Zukunft gewärtig sein darf. Es liegt aber auf der Hand, daß man solches Glück nur mit eigenen Bii chcrn erleben kann. Diese Gedanken sollten sich nun wenigstens alle die zu eigen machen, die die Absicht haben, zum bevorstehenden Wcihnachtsfeste einem lieben Anverwandten oder Freunde eine Freude zu bereiten. Nur sehr wenige Menschen sind von den Dingen der Kultur so wenig berührt, daß ihnen ein schönes Buch keine Freude bereitet. Jeder Mensch hat irgendein Gebiet, das seiner Seele naheliegt. Gehört cS nicht dem Reiche der Phantasie an, dann findet man cs in den Be zirkeu des täglichen Lebens. Das herauszufinden, kgmi keinem Men schen, der einem anderen mit einem Geschenk eine wirkliche Freude bereiten will, schmerfallen. Und wie unendlich reichhaltig ist die Bücherstube der Welt! Der Weg von der abstrakten Philosophie bis zur Briefmarkenkttnde (beispielsweise!) ist erstaunlich lang und be rührt alle Interessengebiete, die es für die Menschheit gibt. Wo aber das eigene Wissen nicht ausreichl, da hilft der kundige Buchhändler bereitwilligst nach. 2580*
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