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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.07.1905
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- Erscheinungsdatum
- 26.07.1905
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- Deutsch
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6666 Nichtamtlicher Teil. ^ 171, 26. Juli 1905. Kläglichkeit der Menschen, mit denen ich zu tun habe und denen ich nicht aus dem Wege gehen kann, trübt die Hoheit der Stimmung. Vielleicht wird man einmal diese Briefe lesen und die im Mutterleibe getöteten Kinder bedauern, dann wird es zu spät sein, wie es bei Kepler zu spät war, der auch in diesem unseligen Linz lebte, und wie es bei Mozart zu spät war. Ich bin kein Kepler und kein Mozart, aber wenn meine bisher veröffentlichten Arbeiten etwas wirkten, so bin ich doch etwas, denn ich weiß cs, daß diese Arbeiten mein Mindestes sind und daß Tieferes in der Seele schlummert, das nur nicht erweckt werden kann, weil es mit holden Stimmen und göttlichen Klängen gerufen werden muß, jetzt aber nur mißtönige Fuhr mannslaute ihm in die Ohren klingen.<- Bekanntlich war Adalbert Stifter ein großer Natur freund und ein meisterhafter Schilderer der Natur. Be sonders das Meer ergötzte und erquickte ihn; doch war es ihm erst im Juni 1857 vergönnt, auf einer Reise das adriatische Meer zu erblicken und sein jahrelanges Sehnen zu befriedigen. Seinem Entzücken gibt er in einer Zuschrift an Heckenast vom 20. Juli des genannten Jahres Ausdruck: »Ich kann Ihnen mit Worten nicht beschreiben, wie groß die Empfindung war, welche ich hatte; alle Dinge, welche ich bisher von der Erde gesehen hatte, Berge, Wälder, Ebenen, Gletscher versinken zur Kleinheit gegen die Erhabenheit des Meeres. Ich wußte nicht wie mir geschah, ich hatte eine so tiefe Empfindung wie ich sie nie in meinem Leben gegenüber von Naturdingen gehabt hatte .... Wie groß ist Gott, wie herrlich seine Welt! Ich hatte nicht geahnt, daß das Meer so lieblich sein könne. Jeden Tag, jede Stunde war es anders und immer herrlich. An Farben wie lichter Smaragd, wie leuchtender Azur, wie tiefes Ultramarin, ja wie ein Panzer mit lauter Silberschuppen spielte es vor mir, je nachdem die Sonne es be strahlte, die, eine mit Wolken gestickte oder ganz reine Kuppel, über ihm stand, je nachdem der Himmel am Morgen in tiefer Bläue ruhte, oder am Nachmittage in fast weißer Hitze glühte. Am 21. Nachmittags sah ich ein Gewitter im Westen aus dem Meer-emporsteigen. Die Wolken standen senkrecht wie schwindelnd hohe Berge an seinem fernen Rande. Wie in jeder andern Lage glaubte ich auch wieder, in dieser sei das Meer am schönsten. Ich wohnte im Hotel äe la. vills gerade auf die Rhede hinaus. Bei 300 Schiffe standen vor mir, gegen 8 Uhr begann das Blitzen, welches sich spiegelte, daß Himmel und Meer ein einziges Feuer waren und die Unzahl der Schiffe einen Augenblick im Leeren hing. Dabei war atemlose Stille. unseren Häuptern. Leider konnte ich der Finsternis halber das Schäumen des Meeres nicht sehen, sondern nur hören. Ebenso hörten wir das Rufen der Schiffleute in den Tauen, das zeitweilige Läuten von Schiffglocken, das Rasseln der Ketten der herabgelassenen Notanker und mitunter einen Kanonen schuß. Es sollen 3 Schiffe von ihren Ketten gerissen, aber von Dampfern wieder eingebracht worden sein. Von Unglücken auf der weiteren See verlautet nichts. Am nächsten Tage war das über ihre dunkle Unterlage. Wolken breiteten wand lange Schatten über das Schauspiel. Gegen Nachmittag be ruhigten sich Himmel und Wasser. Kaum minder als das »ewige Meer« (wie Homer sagt) ergriff mich das Treiben der Menschen und das Betrachten eines Volkes, das so merkwürdig ist und eine so große Geschichte hinter sich hat. Ich habe nur ein Stückchen Italien gesehen, und dieses mir bisher fremd ge bliebene Betrachten eines so ganz anderen Volkes, als das deutsche, hat mich ganz neu und mächtig erregt.« Gustav Heckenast gehörte zu den Verlegern, die wegen ihres edlen Charakters und ihrer Uneigennützigkeil viele Freunde halten. So war er z. B. auch mit dem Leipziger Ver leger Georg Wigand eng befreundet, und dessen Tod im Jahre 1858 erschütterte ihn aufs tiefste. In einem Brief an Stifter gibt er seinem Schmerz über das Ableben des Freundes und Kollegen lebhaften Ausdruck. Der Dichter tröstet ihn in seinem Kondolenzschreiben vom 15. Februar desselben Jahres mit den Worten: »Wir können es uns denken, wie sehr Sie dieses Ereignis ergreifen muß, wenn es Ihnen auch nicht ganz unerwartet gekommen ist, da es heißt, daß der Verstorbene an einer lang wierigen llnterleibskrankheit gelitten hat. Jeder schmerzliche Verlust kommt unerwartet, und zudem war der Verstorbene erst ungefähr 50 Jahre alt. Sie haben immer mit Liebe von ihm gesprochen, und er war es ja auch, mit dem Sie die Karpathenreise gemacht haben. Ich schreibe Ihnen in diesen Zeilen unsere innigste herzlichste Teilnahme, wir sind sehr be trübt über diesen neuen Schlag, der Sie getroffen hat, und hegen den wärmsten Wunsch und bitten Gott, daß nun doch einmal auch wieder freundlichere und heitere Tage für Sie kommen möchten. Legen Sie ein Teilchen Liebe, das Ihnen durch diesen Tod anheimgefallen ist, uns zu. Wenn wir es auch durch unsere Eigenschaften nicht verdienen, so verdienen wir es durch unsere Zuneigung zu Ihnen, die Ihnen recht gern einen kleinen Ersatz geben möchten, für das, was Sie verloren und denen es zur Freude gereichen würde, wenn dieser Ersatz ein recht großer wäre.« Bald darauf hatte Heckenast die traurige Veranlassung, seinem Freunde, der seine Mutter verlor, zu kondolieren. Mit großer Liebe hing Stifter an seiner Mutter. In einer schönen Zuschrift vom 12. Mai 1858 schildert er seine innige Liebe zu ihr: »Seit mehr als 40 Jahren gingen die Fäden meiner besten Gefühle, meiner Vorstellungen und Wünsche in dem Herzen meiner Mutter zusammen. Obwohl sie nur eine Bürgersfrau in einem kleinen Marktflecken war, und nicht eine ausnahms weise Bildung erhalten hatte, war ihr Herz doch von einer sittlichen Tiefe, von einer Großmut und Leutseligkeit, sowie ihr Verstand von einer Klarheit, wie man es in den sogenannten besten Kreisen selten antrifft, was sich auch dadurch offenbarte, daß, nicht nur die 3 Priester und die Beamten des Bezirksamtes, welche die Leiche meinetwegen begleiteten, sondern auch aus be nachbarten Dörfern zahlreiche Menschen zur letzten Ehrbezeigung herbei kamen, die von mir nichts wußten. Ich liebte und ehrte daher meine Mutter nicht blos wie eine Mutter, sondern auch wie einen seltenen Menschen. Darum wurden meine ersten Dichtungsversuche ihr gewidmet. Alles, was ich strebte, alles, was mir Gutes geschah, bezog ich auf sie und ihre Freude. Erst nach meiner Vermählung dehnten sich diese Fäden auch auf meine Gattin aus. Selbst die Kleinigkeiten, die wir Brüder immer zur Unterstützung ihres Alters sandten, machten nach und nach einen gewohnten holden Verkehr aus. Dieses goldene Netz von Gedanken, Gefühlen und Vorstellungen war nun gelöst, und die Fäden lagen bestimmungslos und hindernd In den letzten Jahren seines Lebens hatte durch wiederholte Erkrankungen Adalbert Stifters die Korrespondenz zwischen beiden Freunden oft Unterbrechungen erlitten, und Mißverständnisse und »Friktionen« hüben und drüben blieben infolgedessen nicht aus. Auch war der Dichter nicht immer imstande die Manuskripte seiner Schriften prompt abzuliefern, so daß für den Verleger viele unliebsame Störungen entstanden. Als dieser wieder einmal drängte, schrieb ihm Stifter aus Linz am 17. September 1864 die folgenden, für- feine innigen Beziehungen zu seinem Freund Heckenast sehr- bezeichnenden Worte: »Gerade die Rücksicht für Sie, dem ich so viel Liebe und Freundschaft verdanke, der für mich getan hat, was Große und Mächtige dieser Welt hätten tun sollen, war es, die mich ewig an dem Werk (es handelte sich um den Roman -Witiko«) feilen, bringen, das Ihnen eine recht große Freude machen soll, wodurch dann freilich ein anderes Übel entstand, an das ich garnicht gedacht habe. Meine Gattin hat oft ge sagt: Lasse die Sache einmal, er hat sich ja schon einmal geäußert, daß sie ihm sehr gefällt, worauf ich immer antwortete: ,Sie wird ihm dann noch besser gefallen
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