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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.07.1905
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- 14.07.1905
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- Deutsch
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6354 Nichtamtlicher Teil. pv 161, 14. Juli 1905. uns aus den Augen verschwindet. Dieses Rätsel in seinem Leben zu lösen, hat bisher auch den eifrigsten Nachforschungen nicht gelingen wollen. Erst im März des Jahres 1500 taucht Anshelm wieder auf, und zwar dieses Mal in Pforzheim, wo ihm die am längsten währende und zugleich die bedeutsamste Tätigkeit seines Lebens beschieden sein sollte. Hier war es Johannes Reuchlin, zu dem Anshelm in die engsten Beziehungen trat, und wenn jemals zwischen einem Autor und seinem Verleger ein Verhältnis gegenseitiger Förderung bestanden hat, dann war dies der Fall bei dem großen Humanisten und seinem Drucker. Allerorten, selbst in Rom und Paris, empfahl Reuchlin seinen Fach- genosscn mit Worten rühmender Anerkennung die Presse seines kunstfertigen Freundes, der »torss so nitiäe-, sauber und zierlich zu drucke» verstehe, und dieser wiederum gewährte dem Gelehrten auch da seinen Beistand, wo der geschäftliche Erfolg zweifelhaft war, oder wo, wie bei dem erbitterten Streite wegen der Judenbücher, die Übernahme des Verlags sogar bedenklich und gefahrbringend für den Drucker erscheinen konnte. Die ersten Erzeugnisse der Anshelmschen Offizin in Pforzheim waren vielbegehrte Schulbücher, politische und religiöse Flugschriften, eine Anleitung zum kaufmännischen Rechnen und ähnliche gangbare Kleinigkeiten, die bei geringem Aufwand raschen und lohnenden Absatz versprachen. Alle diese Drucke sind ausgezeichnet durch Klarheit der Schrift und gefällige Anordnung. Ein typographisches Meisterwerk aber, das auch noch heute höchste Bewunderung zu erregen vermag, lieferte Anshelm in seiner Prachtausgabe in Rot- und Schwarzdruck von Rabanus Maurus Werkchen: »Zum Lobe des heiligen Kreuzes«. Am 27. März 1506 glanzte dann dasjenige Werk zur Vollendung, das mit dein unsterb lichen Namen seines Verfassers zugleich den Ruhm des tat kräftigen und gewandten Buchdruckers auf die Nachwelt zu bringen verdient: des Reuchlin »Raäimonts Uoguss Kobrsioss«. Der geschäftliche Erfolg dieses Werks war allerdings kein sehr ermutigender, und Anshelm mochte es wohl als ein Glück betrachten, daß Reuchlin den erheblichsten Teil der Kosten übernommen hatte. Im Jahre 1511 verlegte Anshelm seine Presse nach Tübingen, wo er am 20. März zusammen mit seinem Sohn Johann als Buchdrucker der Universität in die Matrikel ein getragen wurde. Hier druckte ec noch im selben Jahre Reuchlins Erwiderungsschrift gegen Johannes Pfefferkorn, den »Augenspiegel«. Das Büchlein, so urteilt Korth, das gewaltiges Aussehen erregte, nennt weder Ort und Jahr des Erscheinens, noch den Namen des Druckers, und wenn auch jeder irgend eingeweihte Zeitgenosse ebenso gut wie der mo derne Bibliograph, auf den ersten Blick ein Erzeugnis der Anshelmschen Presse darin erkannt haben wird, so zeigte sich doch schon bald, daß eine gewisse Vorsicht durchaus nicht überflüssig gewesen war. Wir übergehen die Schilderungen Korths über die wissenschaftlichen Federkämpfe Reuchlins und erwähnen nur, daß Anshelm den großen Gelehrten nicht nur, sondern auch dessen Mitkämpen Ulrich von Hutten durch seine Druckertätigkeit kräftig unterstützte, wobei er selbst einmal Gefahr lief, von der Obrigkeit angegriffen zu werden. Als er nach Fertigstellung der zweiten Auflage von Huttens »Idlllwpbus Ospnionis» 1518 auf der Frank furter Messe erschien, stellte der vom Kurfürsten von Mainz zum Zensor und Bücherkommissar ernannte Pfarrer Peter Meyer bei den reichsstädtischen Behörden den Antrag, sie möchten »den buchfuerer Thomas Anshelmi oder Antjel, welcher ksmosos libelloZ veil gehabt, mit leib und gut ver haften«. Zum Glück schenkten die Herren vom Rate diesem Ersuchen kein Gehör. Die verhältnismäßig kurze Frist, während deren Anshelm in Tübingen tätig war — vom Frühjahr 1511 bis zum Herbst 1516 —, hat er nahezu siebzig Verlagsartikel auf den Markt gebracht, und zwar nicht bloß Klassikerausgaben, philologische Untersuchungen oder schöngeistige Erzeugnisse, wie damals die unermüdliche Geschäftigkeit der Humanisten sie in Fülle zu liefern pflegte, sondern auch gar manches andre Buch, das wirkungsvoll an einen größer» Leserkreis sich wandte. Einen Beweis für Anshelms vielseitigen Unternehmungsgeist dürfen wir darin erblicken, daß aus seiner Presse auch die erste eigentliche Monographie über einen deutschen Badeort (Wildbad) her vorgegangen ist. Weitaus die meisten Werke, die Anshelm druckte und vertrieb, waren zugleich das, was der Buchhändler heutzu tage -gute Verlagsartikel- nennt, und trugen ihm reichen geschäftlichen Gewinn ein. Er verschmähte auch nicht, solche Aufträge anzunehmen, die gegenwärtig unter den Begriff des Akzidenzdrucks fallen. Ein Rätsel in dem Lebensgange des merkwürdigen Mannes ist es, daß er nach verhältnis- mäß kurzer Zeit auch dem schwäbischen Musenfitze wieder den Rücken wandte. Im Juli 1516 finden wir ihn noch in Tübingen tätig, im November desselben Jahres bereits veranstaltet er in Hagenau einen Neudruck des »DisIoZus Mz-tboloZieus«, eines vielbenutzten Schulbuches aus der Feder des kurz vorher verstorbenen Bartholomäus von Köln. Daß Anshelm nicht in Unfrieden gegangen war, erhellt insbesondere auch aus der ungetrübten Fortdauer seiner guten Beziehungen zu den Universitätsbehörden, für die er noch im März 1522 eine Bekanntmachung über die Erteilung unentgeltlichen Unterrichts druckte und auf der Frankfurter Ostermesse vertrieb. Auch scheint sein Sohn in Tübingen zurückgeblieben zu sein, denn in einer Urkunde vom Jahre 1518 wird ein Johannes Anshelm als Eigen tümer eines Hauses in der Neckarhalde erwähnt. In die »dürre Sandwüste«, wie Hagenau einmal in einem Briefe an Erasmus genannt wird, brachte Anshelm frisches Leben. Mit Bewußtsein ging er darauf aus, seine Druckerei zugleich zu einem Mittelpunkte wissenschaftlicher Anregungen zu gestalten, und es durfte seinem Ehrgeize schmeicheln, daß von der gelehrten Welt die »sesäsmis Lns- ksllliiLn»« in der kleinen deutschen Stadt mit der berühmten Akademie des Lläus LIsnutius in Venedig verglichen wurde. Seine emsigste Tätigkeit galt auch in Hagenau der Er neuerung des klassischen Altertums und den selbständigen Schöpfungen seiner humanistischen Freunde. Zu ganz be- sonderm Ruhme gereicht dein trefflichen Meister der aus erlesene Geschmack, von dem alle seine Schöpfungen Zeugnis ablegen. Und wie er stets sich zu vervollkommnen bemüht war, so bezeichnen gerade die Werke aus der Hagenauer Zeit den Höhepunkt seiner Leistungen und damit zugleich einen der Höhepunkte deutscher Druckkunst überhaupt. Bei keinem der zahlreichen elsässtschen Typographen aus dem Anfänge des sechzehnten Jahrhunderts findet sich ein so mannig faltiger Schmuck an Initialen und Randleisten, und nirgends ist er mit gleicher Sorgfalt ausgeführt wie bei Anshelm. Auch in der bildenden Kunst hat Anshelm sich glücklich und geschickt betätigt. Er ist der Urheber der mit 1. .4. be bezeichneten Holzschnitte, von denen einer den heiligen Sebastian, ein andrer den Leichnam des Heilands unter dem Kreuze, wieder ein andrer mit der Schlußschrist: Pfortz- heym 1501«, die heilige Anna, ein vierter endlich Maria von Engeln gekrönt zwischen Malachias und Jesaias zur Darstellung bringt. Ein hohes Alter war dem Unermüdlichen nicht be schieden. Wahrscheinlich im Spätherbst des Jahres 1522 ist er in Hagenau gestorben nach einem Leben, das reich und gesegnet genannt werden darf. An der Lösung der Auf gaben, die eine vielfältig bewegte Zeit den Strebenden, den
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