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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.06.1912
- Strukturtyp
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- 1912-06-04
- Erscheinungsdatum
- 04.06.1912
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- Deutsch
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«V 127, 4. Juni islr. Nichtamtlicher Teil. v«rlm»I-!> s, d. rischn. «llch?and-I. 881L Schlafen eingerichtet sind und man gegen Lösung einer Platz karte — wofür sich der Russe der echt russischen Ausdrucks »PlatzkLrt« zu bedienen Pflegt — immer sicher ist, sich aus- strecken zu können. Aber sogar in der II. Klasse dar Publi kum und damit zusammenhängend bei der Länge der zurück- zulegenden Strecken d i e Atmosphäre! Die III. Klasse kommt auch für den anspruchslosesten Westeuropäer gar nicht in Be tracht, sa, sie kann, möchte ich fast sagen, eigentlich nur mit Wasserstiefeln betreten werden. Die russischen Wagen sind der Kälte wegen mit festzugeschraubten Doppelfenstern und auch mit Doppeltüren versehen, also nicht ventilierbar, und somit kann sich jeder die dort herrschende Atmosphäre vorstellen. Während man NUN aber, und das ist das Beste, auf der ganzen Welt das Recht hat, gegen ein gelöstes Billet mit einem bestimmten Zug befördert zu werden, ist das in Rußland nicht der Fäll: dort besteht der Zug aus so und soviel Wagen zu so und soviel Plätzen, d. h. es wird für jeden Zug nur eine bestimmte Anzahl von Plätzen ausgegeben, und wenn diese üusverkauft sind, so muß man eben warten bis zum nächsten Zug. Es geht dort also ungefähr so zu wie bei einer be deutenden Premidre im Theater. Nun kommt es aber vor, daß auf stark frequentierten Strecken auch schon der Nächste Zug »ausverkauft ist«, und unter Umständen kann diese Warte zeit auch ein paar Tage dauern. Ich kenne einen Herrn in Moskau, der bei Gelegenheit einer Auslandreise seinen Platz vierzehn Tage im voraus belegte, nur um sicher zu sein, mii dem betreffenden Zug befördert zu werden. Für Leute, die schnell reifen müssen, ist es von Wichtigkeit, dies zu wissen, und sie dürften gut tun, ihren Platz wenigstens 1—2 Tage im vor aus zu belegen. Ob sie bis dahin mit ihren Geschäften fertig werden oder nicht, ist allerdings ihre Sache. Auf den nahe liegenden Gedanken, noch ein paar Wagen einzuschalten oder bei starkem Andrang eventuell den Zug zu verdoppeln, scheint die russische Bahnverwaltung gar nicht zu kommen. Es ist eben nach dem in Rußland so beliebten Grundsatz »immer so ge wesen«, folglich muß es auch heute noch gut sein. Hand in Hand mit dem Reisen in Rußland geht der Besitz eines Passes, ohne den niemand die Grenze überschreiten oder das heilige Reich verlassen kann. Das Nach-Rußland-Hineirr kommen geht noch an, aber die Rückreise gestaltet sich wesent lich schwieriger, denn das geringste Versehen irgendeines der zahlreichen Beamten, durch deren Hände der Patz geht und die fremdländische Namen in russischer Orthographie nicht immer übereinstimmend schreiben, kann die peinlichsten Folgen nach sich ziehen. Im Hotel wird einem der Paß, noch bevor man auf sein Zimmer geführt wird, abgenommen, und man steht ihn erst wieder, wenn man seine Rechnung bezahlt hat — ein vor zügliches Mittel gegen Zechprellereien —, denn ohne Patz ist man in Rußland ein blinder Mann. Nun kam ich gleich zu Anfang meiner Reise, noch in Petersburg, in die Lage, mein Hotel wechseln zu müssen, und zwar unglücklicherweise gerade zu der Zeit, in der Stolypin ermordet wurde. Dieser harm lose Wechsel allein genügte, um den Verdacht der russischen Polizei zu erregen. Warum wechselt der Mann seine Woh nung? Er muß doch einen Grund dafür haben! Nun wurde nach dem »Grunde« gesucht, und ich sah keine Möglichkeit, in den Besitz meines Passes zu gelangen, und konnte nicht ab- reisen. Was das für Geschäftsleute, die mit der Zeit fast noch mehr rechnen müssen als mit barem Geld, bedeutet, liegt auf der Hand. Im zweiten Hotel wollte man mich als patzlosen Mann gar nicht aufnehmen und war nur aus Vorweisung eines ziemlich umfangreichen Kreditbriefes dazu zu bewegen. Ich wäre vielleicht heute noch in Petersburg, wenn ich mich nicht auf den Rat eines Bekannten an die Gesandtschaft meines Landes gewandt und von dieser einen Brief an die zuständige Behörde erhalten hätte. Es war eine Freude, zu beobachten, was dieser Brief für Wunder wirkte: in 10 Minuten war der Patz, von dem noch am gleichen Vormittag der gleiche Beamte behauptet halte, daß er »nicht da« sei, zur Stelle, und ich konnte als freier Mann gehen, wohin ich wollte. Trotz aller dieser Kalamitäten, die man mit in den Kauf nehmen mutz und die einem in der Erinnerung harmloser er scheinen als im Augenblick des Erlebens, lassen sich in Ruß land noch große Geschäfte erzielen — auch im Buchhandel, trotz aller Zensurschwierigkeiten und trotz allen literarischen Piratentums —, denn Rußland ist und wird es für die nächsten Jahrzehnte Wohl auch bleiben, »das Land der Zukunft«. Der 70. Geburtstag eines Bilderblatts. Von A. Rutari, London. Einer der letzten Nummern der lllustratsä l-ouäou Ho v» war ein Blättchen beigegeben, das viel von sich reden macht, wiewohl es nicht viel größer ist als meine Hand; neben der ausgewachsenen neuen Zeitschrift nimmt es sich aus wie eines jener kleinen Eskimokinder, die die Mütter in ein Tuch ge schlungen auf dem Rücken tragen. In diesem Falle aber ist das Baby die Mutter, eine verkleinerte Vervielfältigung nämlich der ersten Nummer der Illustratsä I-onäov Hovs: »Nr. 1, für die Woche, die mit dem 14. Mai 1842 zu Ende geht«. Vor siebenzig Jahren ist die erste Nummer dieser Wochenschrift er schienen, die den Grund für die gesamte illustrierte Presse der Welt legte. Sie war von Herbert Ingram ge gründet worden, einem jungen Buchhändler, der eigens sein Geschäft aus Nottingham nach London verlegt hatte. Als er noch in der Provinz sein Geschäft als Buchhändler, Drucker und Zeitungsverschleißer führte, war es ihm ausgefallen, wie bedeutend der Absatz einer Zeitung anschwoll, sobald ihrem Text irgend eine Abbildung beigefügt war. Ost war es nur ein roher Holzschnitt, grob und ungefüg, wie die Presse ihn damals Hervorbringen konnte, eine Hinrichtungs szene, das Bildnis einer Tagesberühmtheit — sei es, was immer es war — ein Bild, und die Auflage war im Nu ausverkauft. Für Herbert Ingram genügte diese Tat sache, um die »unbegrenzten Möglichkeiten« zu erkennen, die im Schoße der illustrierten Presse verborgen lagen, und als praktischer Englishman verlor er nicht viel Worte, sondern machte kurz entschlossen selbst die Probe darauf. Er lebte lange genug, um sich zu überzeugen, daß sein Exempel stimmte: nicht seine Saat allein ist herrlich aufgegangen, über den ganzen Erdball hat sich die periodische illustrierte Presse verbreitet. Hat Herbert Ingram für sich und seine Söhne und Enkel (welche heute die Geschicke des Blattes in Milsord Laue leiten) ein fürstliches Vermögen erworben, so hat er zugleich den Reichtum für tausend andere begründet. In gewissem Sinne wohnte der ersten Nummer der Illustratsä I-onäon klsvs ein prophetischer Geist inne, der sich erst Jahrzehnte später erfüllen sollte. Es spricht sich bereits im Titel aus: Die illustrierten Londoner Neuig keiten sollten in erster Linie eine Art Tageszeitung sein, die allerdings nur einmal wöchentlich erschien. Wenn wir uns den minutiösen Text der heutigen verkleinerten Nach bildung der ersten Nummer durch das Vergrößerungs glas ansehen, so lesen wir allerhand Nachrichten, Parla- msntsberichte, politische Briefe, Berichte über Festlichkeiten, denen allen passende Illustrationen beigegeben sind. Erst im Laufe der Zeit hat sich der Charakter der illustrierten Zeitschrift verändert, die Illustrationen nahmen nicht nur an Zahl zu, sondern begannen ein selb ständiges Leben. Ein Rivale trat auf, der künst lerisch geschult war, Mr. William Thomas, der andere Künstler um sich scharte und im 6rapbio seinen besonderen Zweig der graphischen Künste, den Holzschnitt, zu hoher Blüte brachte. Jahrzehnte hindurch war die ganze Weit »bildertoll«. 887«
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