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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.05.1876
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- 1876-05-29
- Erscheinungsdatum
- 29.05.1876
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- Deutsch
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122, 29. Mai. Nichtamtlicher Theil. 1935 händlermesse weilte, wo er im „Rothen Collegium" auf der Ritter straße sein Meßlager hatte und wo sich auch außer den Messen seine Niederlagen befanden, erschien bei ihm der Actuar Jäger, welcher das Amt eines verpflichteten Bücherinspectors bekleidete, und erklärte sich infolge eines von Dresden ergangenen königlichen Rescriptes für ermächtigt, sämmtliche Vorräthc des fünften Bandes der zweiten Auflage des „Conversations-Lexikons" mit Beschlag zu belegen, da in demselben sich der incriminirtc Artikel befand. Da mit hatte aber der Herr Actuar seinen Auftrag überschritten, indem von der königlichen Regierung nicht die Confiscation des ganzen fünften Bandes, sondern nur die des 41. Bogens angeordnct wor den war, und zwar wegen verschiedener in dem Artikel enthaltener „höchst frevelhaften und wahrheitswidrigcn Acußerungcn". Als nun der Actuar dem Rescripte gemäß zunächst ans den zwei Exem plaren, die er bei Brockhaus' Commissionär Engelmann vorsand, den 41. Bogen herausnehmen und confisciren wollte, entdeckte er zu seiner Verwunderung, daß auf diesem Bogen gar kein Artikel Leipzig stand! Die unverfänglichsten Gegenstände waren auf den von der sächsischen Regierung bezeichnten Seiten abgehandelt, während der Artikel Leipzig sich auf dem 38. und 39. Bogen befand. Der Bücherinspector konnte sich die Sache nicht erklären und entschloß sich rasch, um sicher zu gehen, den ganzen Band mit Be schlag zu belegen, zumal er in dem auf einem anderen Bogen be findlichen Artikel Leipzig wenigstens an einer Stelle „höchst frevel hafte Acußerungcn" gefunden hatte. Das Räthsel löste sich erst später durch Brockhaus selbst: bei einem inzwischen nothwendig ge wordenen Neudrucke des fünften Bandes hatte er die meisten Artikel desselben umarbeitcn lassen; so war der Artikel Leipzig vom 41. auf den 38. und 39. Bogen gekommen und bei der Durchsicht waren zwei der Stellen, um die es sich jetzt handelte, gestrichen worden, eine jedoch stehen geblieben. Die Angelegenheit, die somit ziemlich harmloser Natur war und, wir möchten fast sagen, an das Komische streifte, hätte rasch beigelegt werden können, wenn nicht ein Zwischenfall cingetreten wäre, der zu charakteristisch ist, als daß wir uns versagen sollten, ihn in seiner ganzen Ausdehnung hier mitzuthcilen. Der Verfasser, vr. Eduard Brockhaus, berichtet darüber also: „Der Oberhofrichter (Vorsitzender des königlich sächsischen Oberhof gerichtes zu Leipzig), Präsident des königlichen Polizeiamtcs und Criminalgerichtes, Ludwig Ehrenfried von Rackel, hatte in Erfah rung gebracht, daß trotz der erfolgten Confiscation doch ein Exem plar des fünften Bandes an einen Meßfremden verkauft worden sei. Der Herr Oberhofrichter und Polizeipräsident hielt es darauf nicht unter seiner Würde, am 17. Mai in höchsteigener Person zu Brockhaus zu gehen und — nicht in seiner officiellcu Eigenschaft, sondern, wie er sich selbst in seinem Berichte an die Regierung aus drückt, »in der Ueberzeugung, daß ich dem Buchhändler Brockhaus nicht persönlich bekannt sei« — diesen zu fragen: ob er ihm einige Exemplare des fünften Bandes des Conversations-Lexikons ver kaufen könne? Brockhaus ging arglos in die ihm gelegte Falle: er antwortete, daß er noch mehrere Exemplare ablassen könne, und legte dem sich scheinbar für den Artikel über die Schlacht bei Leip zig interessirenden Fremden selbst ein Exemplar des ersten Druckes vor, in welchem sich also die inzwischen von Brockhaus freiwillig entfernten gefährlichen Stellen befanden. Der Polizeipräsident gab sich auch jetzt noch nicht zu erkennen, sondern kaufte das Exemplar und eilte auf die Rathsstube, um von seiner wichtigen Doppel entdeckung Anzeige zu machen. Sofort wurde der Actuar Jäger von der Büchercommission zur nochmaligen »genauesten Recherche« bei Brockhaus abgeordnet; er durchsuchte dessen Niederlage und Woh nung, fand richtig noch 28 Exemplare des Bandes und confiscirte sie. Nur 4 Exemplare waren vom ersten Drucke, die übrigen vom zweiten, und aus den meisten der letzteren waren die Bogen 36. und 39. herausgenommen (sie fanden sich in einer Kommode). Brockhaus wollte diese Bogen nochmals Umdrucken lassen, um auch die letzte der für anstößig befundenen Stellen daraus zu entfernen." Wir unterlassen cs, das Verfahren des Herrn Polizeipräsiden ten und Oberhofrichters Ehrenfried von Rackel einer Kritik zu unter werfen, eine solche Handlungsweise richtet sich von selbst und Mit schuldiger wird Derjenige, der aus dieselbe eingeht und sie zu weite ren Schritten benutzt. Sofort nach der zweiten Confiscation richtete Brockhaus ein Schreiben au Rackel, in welcher er den Sachverhalt dar legte und erklärte, daß die einzige anstößige Stelle aus Versehen stehen geblieben sei, welche dahin lautete, daß Napoleon beim Verlassen Dresdens vor der Schlacht bei Leipzig, „den frommen be thörten König der Sachsen nebst dessen Gemahlin und Tochter mit sich genommen" habe. Ja Brockhaus erbot sich sogar, auch diese Stelle durch nochmaligen Umdruck zu beseitigen. Nicht uninteressant dürfte es sein, auch den Wortlaut der bei den anderen von der sächsischen Regierung gerügten Stellen zu er fahren, obwohl dieselbe» Brockhaus schon vor Beginn der Unter suchung freiwillig beseitigt hatte und dieselben hier nicht mehr in Betracht kommen; wir lassen sie hier folgen: In der ersten war, anknüpfcnd an das bereits vor der Schlacht bei Lützen am 7. Sep tember 1631 erfolgte Bündniß zwischen dem König Gustav Adolf von Schweden und dem Kurfürsten Johann Georg von Sachsen, ge sagt: „Der Urenkel, »noch fester in seiner Verblendung«, habe sogar die schrecklich entscheidende Katastrophe (die Schlacht bei Leipzig) abgewartet." Die zweite Stelle lautete: „Mit allen Glocken wurde geläutet" (am 16. October bei der falschen Nachricht, daß die Fran zosen gesiegt hätten) „und der König von Sachsen selbst zog zur Kirche, um Gott zu danken, daß der Franzose nun ferner der Herr und der Deutsche der Knecht bleiben werde." Eine noch viel bedenk lichere Stelle war der Regierung entgangen oder wurde von ihr wenigstens nicht gerügt; es hieß nämlich gleich am Eingänge des Artikels, der Sieg sei über Napoleon „und seine Raubgesellen" er kämpft worden, welche Stelle bei dem Umdruck durch die zwar nicht synonyme», aber jedenfalls unbedenklichen Worte „und seine Heere" ersetzt worden war. Obgleich Brockhaus zur Beruhigung der sächsischen Regierung nichts unterlassen hatte, so ließ diese es doch nicht bei der Sache be wenden, sondern ersuchte weiter die altenburgische, aus Brockhaus' Hauptniedcrlage in Altenburg sämmtliche Exemplare jenes Bandes wegnehmen und bis zum Austrage der Sache in gerichtliches Deposi tum bringen zu lassen, worauf der Stadtrath zu Altenburg von sei ner Regierung die Weisung erhielt, diesem Ersuchen Folge zu leisten. Derselbe ließ Brockhaus, der von der Leipziger Messe zurückgekehrt war, vor sich laden und nahm noch 107 Exemplare des oorpua clstiebi weg. Bei dem nunmehr stattfindendcn Verhöre legte Brockhaus einen Umdruck des 39. Bogens vor, in welchem noch die früher stehen ge bliebene bedenkliche Stelle gestrichen war, und ersuchte um Rückgabe der ihm weggenommenen Exemplare, um den Carton einstigen zu können. Die altenburgische Regierung erfüllte diesen Wunsch gegen das eidliche Versprechen von Brockhaus, diese Exemplare nicht an ders als durch den umgedruckten Bogen zu ergänzen und nachdem sie die incriminirten Bogen hatte herausnchmcn lassen, was sie der sächsischen Regierung anzeigte, die auch dadurch ganz befrie digt schien. Doch die Sache war noch nicht zu Ende, denn noch stand die Untersuchung in Leipzig bevor, die zwar aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso günstig wie die altenburger verlaufen wäre, wenn nicht 260*
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