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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.05.1876
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- 03.05.1876
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- Deutsch
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eines Schauspielers, wo man über den Triller einer berühmten Sängerin spaltenlange Abhandlungen schrieb. Insbesondere in Oesterreich, dessen Polizeiregimente die Beschlüsse von 1819 noch zu zahm waren, seufzte die Presse unter dem ungeheuersten Censnrdrucke, von dem Gutzkow iu seinen „Reiseeindrücken" eine vortreffliche, mit edler Entrüstung geschriebene Schilderung gibt. Aber auch in Preußen hatte sie keine glücklichen Tage. Daß die Regierung Friedrich Wilhclm's III. der Preßfreiheit nicht allzu geneigt war, ist bekannt. Die große Zahl ihrer Censurrescripte und Verordnungen sind alle vom Geiste der Metternichtswürdigkeit durchweht und nichts als Ergänzungen und Verschärfungen des Karlsbader Preßukases und der späteren Proscriptionsbeschlüsse der dreißiger Jahre. Eine mildere Sonne schien derPresse zu leuchten, als Friedrich Wilhelm IV. den Thron bestiegen hatte. Das Censuredict von 1841, worin eine freiere und selbständigere Besprechung der inneren Landesangelcgen- hcitcu gewährt wurde, schien ihr eine neue, bessere Aera zu eröffnen. Die Blätter sollten ihr Interesse von den Vorgängen in Afghanistan und Kamschatka, von den heikelsten Untersuchungen über die fernst- liegenden Dinge auf die heimischen Verhältnisse, auf die Gesetzgebung und Verwaltung des Vaterlandes richten dürfen. Ein großer Fortschritt allerdings! Aber es zeigte sich bald, daß das freie Wort ohne freies Gesetz nicht möglich ist. So lange die Ccnsur selbst bestehen blieb, und nur ihre Ausübung gemildert wurde, blieb die Presse rechtlos wie zuvor. Denn gegenüber dem Gesetze ist die einzelne moralische Ueberzeugung des Censors, und wenn sic noch so milde ist, eine willkürliche. Das strengste Preßgesctz ist immer besser als die freieste Censur. Wie zu erwarten stand, hielt übrigens die liebenswürdige Stimmung gegen die Presse nicht lange vor. Durch freisinnige Schriften auf religiösem Gebiete und durch politisch- radicalc Zeitungen glaubte man die heiligsten und ehrwürdigsten Dinge in den Staub gezogen zu sehen; die Censurvorschriften nahmen daher einen immer schärferen Ton an; je mehr die Ideen des Fortschrittes Propaganda machten, desto strenger und gereizter wurden die Preßverordnungen. Erst der Märzsturm des Jahres 1848 blies sie sammt und sonders über den Haufen. Unter seinem brausenden Athem stürzte die Ccnsur zusammen. Der Deutsche Bund beschließt am 3. März: „Jedem deutschen Staate wird freigestellt, die Censur aufzuheben, und die Preßfreiheit einzusühren, jedoch unter Garantien, wclchedie andern Bundesstaaten und den ganzen Bund gegen Mißbrauch der Presse möglichst sicherstellen." Die Frankfurter Nationalversammlung beseitigt die Garautieclausel und setzte als eines der Grundrechte fest: „Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preß freiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vor beugende Maßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheits- stellungcn, Staatsauflagen oder andere Hemmungen des freien Ver kehrs beschränkt, suspcndirt oder aufgehoben werden." Aehnliche Grundsätze gingen in die Verfassungen der Einzelstaaten über. Allein als die Wasser der Freiheitsfluth sich verlaufen hatten, und die Regierungen wieder zu Kräften kamen, da lenkten sie getrost in das alte Fahrwasser ein. Zwar ward die Censur nicht wieder ein geführt, aber der Bundesbeschluß vom 6. Juli 1854 ersetzte sie für- trefflich durch andere, dem Wesen nach ihr verwandte Maßregeln. Außerdem wurde den Bundesregierungen die Besugniß, »ach Be- dürfniß eingehende Anordnungen zu treffen, Vorbehalten. Diesen Beschluß charakterisirt sein Titel am besten: „Allgemeine Be stimmungen, die Verhältnisse der Presse betreffend." Zwar ist derselbe in Preußen, Bayern und Oesterreich nicht publicirt worden, aber seine Schatten fielen auch auf die Preßgesetze dieser drei mächtigsten deutschen Staaten. Insbesondere zeigt das Gesetz vom IS. Mai 1851, das wie ein Damoklesschwert bis zum Reichs- prcßgesetz über der preußischen Presse hing, schon ganz das in jenem Zwingbeschluß proclamirte System. Da begegnen wir an seiner Spitze dem Concessionsprinzipe, das die Censur der Person an die Stelle der Schristcensur setzte und deshalb in einem unheilbaren Widerspruch zu jeder Preßfreiheit steht; dann der Caution, endlich der Zcitungsstempelsteuer. Dazu gesellte sich als die höchste Blüthe des Polizeistaates die durch die octroyirte Verordnung vom I.Juni 1863 eingeführte „Verwarnung", die zweimal wiederholt ausreichte, um eiucr Zeitung den Garaus zu machen, und über die das Abge ordnetenhaus durch die Erklärung: „Die Verordnung vom 1. Juni 1863 ist ihrem Inhalte nach der Verfassung zuwiderlaufend", den Stab gebrochen hat. Erst das neu erstandene Reich brachte Wand lung und Besserung, es brachte nicht bloß eine einheitliche, sondern auch eine auf weisliche Freiheit gegründete Prcßgesetzgebung. Die ganze bisherige Gesetzgebung ging von dem Gedanken aus: das Preßgewerbe ist ein gemeingefährliches, die Presse ist eine Feindin der bürgerlichen Wohlfahrt; sie muß daher durch die strengsten Vorkehrungen eingeschränkt und unschädlich gemacht, es muß ihr ein Zaum angelegt werden. Dies glaubte man am wirk samsten dadurch zu erreichen, daß man der ihr von dieser Seite drohenden Gefahr durch polizeiliche Maßregeln vorzubeugen suchte, — und hierzu bot sich die Censur mit ihrer vortrefflichen Spürnase an. Nachdem jedoch die Censur allmählich in denselben appetitlichen Geruch gekommen war wie weiland die Tortur, wußte man dasselbe Ziel durch allerlei andere fein ausgedachte Belästigungen und Be drückungen der Presse, deren Handhabung man derCensur anvertraut hatte, zu erreichen. Eine wahre Preßfreiheit ist aber nur möglich, wenu man von dem umgekehrten Grundsätze ausgeht: die Presse ist nicht gefährlich, die Presse ist vielmehr ein mächtiger Hebel der Volksbildung. Dieser Grundsatz fordert in seinen Consequenzen auf der einen Seite Be seitigung aller Mittel der Prävention und aller polizeilichen Maß regelungen der Presse und des Preßgewerbes, auf der andern aber gestattet, ja verlangt er zur Verhütung von Mißbräuchen und zur Ahndung von Ausartungen der Presse die Bestrafung der durch sie begangenen Vergehen, also Repressivmaßregeln. Daß das neue Preßgesctz, unter dem wir leben, das Reichs- preßgesetz vom 7. Mai 1874, in diesem Geiste geschaffen worden ist, darf man dreist behaupten. Wenn auch von den Führern der libe ralen Parteien bei der Schlußberathung ausgesprochen worden ist, daß das, was man erreicht, tief unter dem stehe, was man erstrebt habe, so ist doch von keiner Seite der große Fortschritt, der sich darin gegen den bisherigen Rechtszustand der Presse bemerklich macht, in Abrede gestellt worden. „Die Freiheit der Presse" sind seine ersten verheißungsvollen Worte. Die Freiheit der Presse, bestimmt tz. 1., solle die Regel bilden, und Beschränkungen derselben nur soweit sie durch dieses Gesetz selbst begründet würden, zulässig sein. „Damit weiht der Gesetzgeber", wie Berner sich ausdrückt (S. 161), „den Richter in den Geist des Gesetzes ein. Er sagt ihm: denke immer, daß ich die Freiheit will, daß dies mein als heilsam und nothwendig erkanntes Prinzip ist." Von dieser Tendenz ausgehend, verwirft das Gesetz denn auch folgerichtig alle eigentlichen Präventionsmaß regeln und behandelt die Presse lediglich vom Standpunkt des Re pressivsystems. Beseitigt hat es das Concessionswesen, aufgehoben die Zeitungscaution, den Zeitungsstempel, die Jnseratensteuer und die Untersagung des Betriebes des Preßgewerbes; außerdem regelt es deu Berichtigungszwang in angemessenerer Weise und normirt die Strafbestimmungen, dem richterlichen Ermessen einen freieren Spielraum lassend, im Geiste der modernen Strafrechtsprinzipien. Alles das sind Errungenschaften von hohem Werthe, die ein zelne Mängel in dem Gesetze weit überragen. An uns wird es sein, diese zu beseitigen und jene uns nicht rauben zu lassen. Schwer ist es, die Freiheit zu erringen, schwerer, sie festzuhalten.
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