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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.07.1924
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- 1924-07-28
- Erscheinungsdatum
- 28.07.1924
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A962Börsew latt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 175. 28. Juli 1924. Wir haben verdiente Forscher auf dem Gebiete der mexikanischen Philologie: deutsche und auSlän-dische. Wir haben ein paar ausge zeichnete Arbeiten, die wie Schncegipfel in einem fernen Gebirge ahnen lassen, welch reiches Land unter ihnen noch liegen wird. Aber wir haben nicht jene Menge von Mitarbeitern und freundlichen Helfern, die in Deutschland massenhaft vorhanden sind und deren Kräfte brach liegen. Sic fehlen uns hier. Nur einige kurze Beispiele seien angeführt: Für die meisten India nersprachen fehlen uns noch Wörterbücher. Zum Teil existieren Glos sarien, Vokabularien von wenigen Seiten, Texte mir Interlinear übersetzung. In Museen und Archiven schlummern wohl auch Arbeiten! von Forschungsreisenden, einst angelegt und mit vielen Hoffnungen ausgeführt, heute modernd im Bibliothekengrabe. Welch lohnende Auf gabe wäre es, für jede einzelne Sprache einmal bloß dieses mehr oder weniger ohne jede gros;e Mühe zusammenbringbare Material in lexika lischer Form zu bearbeiten! Für das Zapotekische zum Beispiel gibt es nur ein Semilcxikon: zapotekisch-spanisch, ein seltener Jubiläumsdrnck, der nur in wenigen Bibliotheken vorhanden ist. Für die Forschung ist es ungeheuer wichtig, gerade den anderen Teil, spanisch-zapotekisch (oder sagen wir deutsch-zapotekisch oder sonst eine moderne Sprache an erster Stelle) zu besitzen. Tenn der Forscher will, wenn er nicht ge rade trostlose Jntcrlinearversivncn als Kleinkram herstellt, meist etwas ganz Bestimmtes zu einem bestimmten Zwecke wissen: Mir fällt bei spielsweise eine Ähnlichkeit in der Mythologie auf. Ich will wissen: wie heißen die vier Weltgcgenden (es können deren in Indianer sprachen auch fünf oder nur drei sein) im Zapotekischcn?! Schon ist es Schluß mit der gesamten Forschung. Denn um dies zu ergründen, müßte man auf gut Glück den ganzen Lcxikonband zapotekisch-spanisch durchnehmen, um die 3 bis 4 Worte endlich durch Zufall zu finden. Ähnlich steht es mit anderen lexikalischen Arbeiten, die ursprüng lich von Einheimischen nach den einzig maßgebenden Gesichtspunkten der jeweiligen Sprache angelegt wurden und dann, von Pseudophilo logen in das Prokrustesbett unseres Alphabets gezwängt und da durch vollkommen zerrissen, unverständlich und wertlos gemacht wur den. Solche Arbeiten müßten zum großen Teil wieder in die alte Urform zurückgcbracht werden — eine Arbeit, die nicht mehr als eine Scminararbcit wäre, zu der uns aber leider die nötigen Arbeiter und Helfer fehlen. Nicht minder böse wie mit der Lexikographie steht es mit den Grammatiken. Die Spanier, die als erste sich mit den Indianer sprachen beschäftigt haben, ihre Missionare und Pfarrer haben un endlich viel auf diesem Gebiete vorgearbeitet. Man muß entschuldigen, daß sie dabei immer die lateinische Grammatik als Vorbild nahmen und immer wieder versuchten, die Jndianersprachen in die Grund kapitel der lateinischen Sprache hineinzupressen. Was dabei heraus kommt, kann man sich ja denken. Es gibt Sprachen, bei denen ein Unterschied zwischen Substantiv, Verbum und Adjektiv überhaupt nicht eristiert^ bei denen das Zahlwort verschiedene Tempora hat (z. B. fünf, die heute sind, fünf, die gestern waren, fünf, die morgen sein werden), cs gibt Sprachen, die zwischen Praesens und Futurum nicht unterscheiden (wie z. B. im Deutschen: »Wann kommt der Zug an? . . . . statt richtiger »Wann wird der Zug ankommen?), dagegen sehr wesentlich zwischen einer eintretenden und einer eingetretencn Hand lung in der Vergangenheit unterscheiden. Es gibt Sprachen, bei denen jede alphabetische Anordnung Torheit ist, weil z. B. jeder Stamm, dem ein r vorgesetzt ist (das in anderen Dialekten ein t ist), ein Verbum bedeutet, jedes mit n beginnende Wort ein Adjektiv ist, jede Wurzel an sich ganz ohne Bedeutung ist (etwa wie in anderen Sprachen Suffixe, Infixe, Präfixe). Hier modern und mit deutscher Gründlichkeit zu arbeiten, wäre eine äußerst interessante und lohnende Aufgabe. Das Material liegt in, ich möchte sagen »ungeschliffener Form« sozusagen zu Tage. Nichtige Grammatiken zu schaffen, das muß einem Stabe von Heimarbeitern überlassen bleiben, die in ihrem Studicnummer ans vieles erst kommen werden, was der Forscher in der Tropensonne nur ausgezeichnet hat und dessen Zusammenhang ihm nicht klar wurde. Die dritte in der Heimat zu verrichtende Arbeit wäre die Schaf fung von Quellenschriften zur mexikanischen Philologie. Es gibt heute noch viele, oft nur in einem einzigen Exemplar vorhandene Manuskripte und frühe Drucke. Wenige, sehr wenige sind nachge- öruckt und in mehreren Eremplaren zugänglich. Wer, wie ich, das Land jahrelang bereist und immer ein offenes Auge für derlei Schätze hat, kann unendlich viel sammeln. Oft wird ein Stück Butter in ein Manuskript eingepackt, das unschätzbar ist oder sein kann. Auf den Sätteln der Maultiere entdeckte ich in Qaraca und Eiutla Bruch stücke alter Bilderkodices; in der »auszumistenden« Bibliothek zu Guadalajara wurden eines Tages, um alles Alte und Unbrauchbare endlich wegzuräumen, auch alle Schriften der Kleriker und alle katho lischen Traktätchen in den Hof geworfen. Ich konnte darunter drei Unica, die in der Sprache von Tchuantepec geschrieben und mit spa nischer Übersetzung versehen waren, retten. Fast alle philologisch wert vollen Schriften sind in Mexico in den Händen von Privaten, stillen, freundlichen Gelehrten, die auch nicht daran denken, derlei zu publi zieren. Fehlt doch im Lande selbst heute noch jedes Interesse an derlei Arbeiten. Nur wenn Amerikaner kommen, geht die große Jagd los. Und dann verschwinden unsere Unica und Schätze abermals in irgend einer nordamerikanischen Privatbibliothek, meist als Kuriosum ange staunt, der Wissenschaft unzugänglich. Die Herausgabe einer Reihe von Textquellcnschriften ist eine Hauptaufgabe der kommenden mexikanischen Philologie und eine ver hältnismäßig leichte Aufgabe, die ebenfalls besser den Händen der deutschen Philologen anvertraut wird, solange eine Publikation noch möglich ist. Denn bald, in wenigen Jahren vielleicht schon, wird das leichte Schürfen und Forschen hier aufhören. Man wird dann eine mexikanische »Philologie« für Millionäre haben, eine Philologie mit Ausschluß der Öffentlichkeit, deutlicher gesagt eine museumsartige Kuriositätenhiiterei ohne jeden Wert für die Forschung und ohne jede Expansionsmöglichkeit. Wenn sich heute in der alten Heimat, in Deutschland, Österreich, in der Schweiz, soweit sie deutsch ist, ein Konzern von Männern bildet, die geneigt sind, diese immerhin nicht allzuschwierigen, aber außerordentlich nötigen Arbeiten zu verrichten, so wird ihnen in kurzer Zeit die Nachwelt Dank wissen, und sie selbst werden das Be wußtsein haben, Pionierarbeit auf einem Gebiete geleistet zu haben, das heute brach liegt und das wahrscheinlich den Schlüssel zu vielen anderen Dingen bietet. Man denke nur, daß die ganze (auch die indo germanische) Mythologie universal ist, daß sie allem Anschein nach nichts anderes ist als eine maskierte Astronomie und Wetterkunde, daß die Verwandtschaft der Indio-Sprachen untereinander und mit anderen bekannten Sprachen noch gänzlich ungeklärt ist, daß durch die Kenntnis der Sprache erst die Möglichkeit der Enträtselung vieler Bilderschriften gegeben wird usw. Das Studium und die Forschung wird nicht brotlos sein. Es gibt in Amerika zahlreiche Institute, die derlei Arbeiten prciskröncn, den Forschern reiche Stipendien zur Weitersührung ihrer Arbeiten gewähren (Carnegie-Institut, Smith- sonian Institution, Geographisches Magazin usw.). Es gibt zu Nom im Vatikan ein eigenes Bureau, das jede diesbezügliche philologische Nachricht, jede Publikation unterstützt und subventioniert. Der edle Duc de Loubat in Paris, ein päpstlicher Herzog, hat außerordentliche Spenden für derlei Forscher ausgcsetzt und sich speziell durch die Subventionierung der Tätigkeit unseres unvergeßlichen, im Vorjahre verstorbenen vr. Seler ein Ruhmesblatt geschaffen, das nie verwelken wird. Es kommen einem die Tränen in die Augen, wenn man be denkt, daß dieser Edle seine Tätigkeit in Paris in einer Zeit durch führte und durchsetzte, in der alles Deutsche verfemt und verdammt war, in einer Zeit, in der schon der bloße Verkehr mit Deutschen ge nügte, um in der Gesellschaft diffamiert zu sein. Wie soll nun die dreifache und große Aufgabe, 1. Lerica zu schaffen, 2. moderne Grammatiken zu verfassen und 3. Terte heraus- zugebcn, in Dcutschlayd von einem einzelstchenden Philologen oder einer Gruppe von Männern durchgeführt werden? Ich mache mich zur Mithilfe auf diesem Gebiete erbötig: Sobald sich eine Vereinigung von solchen Männern meldet, will ich sukzessive, Stück für Stück aus meiner Privatbibliothck die entsprechenden alten Druckschriften oder Manuskripte in treue Hände legen. Die meisten sind ja in Indianersprache und spanischer Sprache verfaßt. Spanische Sprach- kenntnisse sind also nötig. Mein Wunsch wäre, die gesamte Arbeit in deutscher Sprache durchgesührt zu sehen. Es käme an Tätigkeit daher In Betracht: zunächst sorgfältige Übersetzung des Materials, An legung von Zettelkatalogen, Durcharbeitung derselben und Schaffung eigener Resultate. Dann erst Veröffentlichung der Originale, die der sich bildenden weiteren Gemeinde billig zur Verfügung gestellt werden könnten. Während heute irgendein Buch in einem Indianeridiom Raritätenpreise erzielt, könnten diese kleinen Neudrucke (etwa im Umfange von einem Heftchen der bekannten Neclamschen Nniversal- bibliothek) ganz billig abgegeben werden. Dadurch gewinnen wir auch die deutschen Verleger, die bei einer entsprechend großen Ge meinde auch auf ihre Kosten kommen. Wie eine plötzliche Offenbarung, wie eine Mode kann cs kommen, wenn wir nur etwa 4UO Abnehmer haben, die sich Zusammcnschließcn. Jene Werke, die ich nicht selbst habe oder die nur in einem Eremplar vorhanden sind, müßten hier ab§eschrieben und so der deutschen Zentralstelle eingercicht werden. Nun ist dieses Abschreibcn aber eine lästige und .zeitraubende Arbeit, wird vielfach auch ungenaue Resultate ergeben (Abschreibefehler. Lese fehler, Flüchtigkeit des Kopisten, Nnleserlichkeit, verschiedene Meinung über die Lesung usw.). Ich schlage daher vor, derlei Werke einfach, wie das im Kriege mit den belgischen und albanischen Geheimarchiven geschehen ist. zu photographieren. Es gibt in Deutschland einen aus gezeichneten Apparat dieser Art, Kontophot genannt, den man zu diesem Zwecke einmal herllberkommen lassen könnte. Vielleicht ent-
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