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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.12.1900
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- Erscheinungsdatum
- 31.12.1900
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- Deutsch
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302, 31. Dezember 1900. Nichtamtlicher Teil. 1L3?3 Der alte Satz ist richtig: Bücher, die man nicht mehr mals wieder lesen möchte, sind nicht wert, gedruckt zu werden. Allerdings denkt der minder begabte Autor anders, und es läßt sich kein Einspruch erheben, wenn er sagt: »Kein Buch ist so schlecht, aus dem nicht etwas zu nehmen, zu lernen wäre — und sei es nur das, wie man es »nicht« machen soll.« -st H * Abstoßend ist's, wenn man die Bücher in den Regalen mancher Schüler betrachtet. Der Rücken fehlt, einzelne Blätter sind aus dem Faden gelöst oder ganz verschwunden. Wie anständige Menschen in schmutzigen, zerrissenen Bettelkleidern kommen mir diese vielgebrauchten Schulbücher vor Billige Bücher, die neueste Losung der Zeit! Eine An zahl der angesehensten Verleger thaten sich zusammen, als Josef Kürschner nach den großen Pfadfindern Reclam in Leipzig und Engelhorn in Stuttgart init den »billigen« und »so« billigen Ausgaben erschien, und warnten die Schriftsteller, dort ihre Arbeiten erscheinen zu lassen. Was sagen sie heute? Die hohen Preise sind nicht mehr zu halten, Schlag bäume muß man nicht aufrichten wollen, und man muß zugeben, daß sechs Mark für einen einbändigen Roman bei einer Bevölkerung, die so viel Geld für Bier und Tabak übrig hat, stets eine Zumutung gewesen ist. Sobald einmal erst dem Deutschen der Gedanke ein- geiinpft sein wird, daß er bei der Ueberlegung, ivas er schenken soll, ebenso rasch auf ein Buch verfällt, als auf Cigarren taschen, Geldbörsen und Manschettenkuöpfe bei jungen Herren, und Lampen, Uhren, Teppiche und Silbersachen bei jungen Ehepaaren, ist der deutsche Schriftsteller gerettet. Es ist wahrhaft unglaublich, wie gering das Buch als Geschenk durchweg in Bettacht gezogen wird. Mir selbst ist es häufig passiert, daß Freunde mich gefragt haben, was sie anderen schenken sollten. Die Idee, ein Buch zu wählen, lag ihnen, selbst dem Schriftsteller gegenüber, so fern, wie der Mond der Sonne. Man lehre die Kinder in der Schule, daß ein Buch be sitzen, ein Buch als Gabe zu wählen, das Kennzeichen eines geläuterten Geistes ist, daß es den wahrhaft gediegenen Menschen von dem Durchschnittsmenschen unterscheidet. Und ferner: weshalb weisen nicht die Prediger, zumal auf dem Lande, von den Kanzeln herunter immer wieder auf den Segen guter Bücher hin?! Ein Kultusminister, der die Konsistorien dahin anwiese, verdiente ein Denkmal! Wort und Schrift müssen sich die Hand reichen, um gerade durch solche Mittel verderblichen und zersetzenden Strömungen im Staatsleben entgcgenzuwirken. Für solche Zwecke sind gute, billige Bücher in der That ein Segen, sind öffentliche Stadt- und Dorfbibliotheken Ordnungs- und Sittlichkeitsförderer. * * * Neuerdings hat das Illustrieren von Büchern und Zeit schriften in immer rascherem Grade zugenommen Es hat bei weiser Auswahl für die Leser von Zeitschriften auch einen unbestreitbar hohen Wert. Durch nichts können sie in eine so nah-anschauliche Verbindung zu den Ländern und Men schen gebracht, durch nichts kann das Allgemeinwissen so sehr gefördert werden. Aber wenn für belletristische Bücher nicht große Spezial künstler herangezogen werden, verwirren bloße »Bilder« die subjektiven Eindrücke und schwächen die Wirkung des Bor getragenen geradezu ab. Ein Buch muß wie ein Mensch mit geläutertem Geschmack zu vornehm sein, um sein Aeußeres durch derartigen zweifelhaften »Bilderschmuck« heben zu wollen. Ein Wort sei auch in dieser Betrachtung noch den Ein band-Umschlägen und Futteralen gewidmet, die jetzt für Bücher weit mehr Mode geworden sind, denn früher. Sie kommen mir vor wie die Bezüge, mit denen viele Menschen, auch wenn sie nicht auf Reisen gehen und sie während der Zeit vor Staub schützen wollen, die Möbel umhüllt halten. Ein Ding, das so geschont werden muß, daß sein Anblick dem Auge entzogen werden muß, hat seinen Zweck verfehlt. Ein Buch soll tausend Herz, Gemüt und Phantasie anregende Geheimnisse enthalten, aber soll trotzdem einem gastlichen Hause gleichen, in das man ohne viel Anklvpfen und Fragen eintreten darf. Und zum Schluß: Es ist eine betrübende Thatsache, daß sich mit der Fülle schreibender Menschen zugleich die Zahl der hervorragenden immer mehr vermindert. Aber die Gründe liegen auf der Hand. Ein Mann, der nicht für die große Menge, sondern nur für eine Kuustgemeinde schafft, kann heutzutage von der Dankbarkeit eines kleinen Kreises nicht mehr existieren! Er muß sich mehr oder weniger, wenn ihn das Leben nicht auf Rosen gebettet hat, dem hinkenden Teufel des Erwerbs verschreiben. Pegasus im Joche aber verlernt das Fliegen allzu leicht. Kleine Mitteilungen. Gerichtsverhandlung über ein in Oesterreich be schlagnahmtes Buch. — Das vor kurzem in Leipzig im Ver lage von Breitkopf L Härtel erschienene Buch des Grasen Hoens- brocch -Das Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirksamkeit; 1. Band: Inquisition, Aberglaube, Teufelsspuk und Hexenwahn- wurde in Wien mit Beschlag belegt, womit das Verbot der Weiterverbreitung in Oesterreich verbunden war. Gegen diese Beschlagnahme hatte die Leipziger Verlagsfirma Einspruch erheben lassen, und über diesen Einspruch fand am 18. Dezember die ge richtliche Verhandlung in Wien statt. Der Vossischen Zeitung wird aus dem Verlaufe der Verhandlung folgendes mitgeteilt: Staatsanwalt Or. v. Bobies erklärte, das Buch enthalte hämische Angriffe gegen das Papsttum, die noch dadurch verstärkt würden, daß sie von einem abtrünnigen Priester herrührten. Man könne der Staatsanwaltschaft nicht den Vorwurf machen, daß sie nur die katholische Kirche schütze. Vor anderthalb Jahren sei von ihr eine Broschüre mit Beschlag belegt worden, durch deren Inhalt Martin Luther herabgesetzt wurde. Die Staats anwaltschaft verhehlte sich damals nicht, daß hier nicht von einer verunglimpften Einrichtung einer Kirche gesprochen werden könne, aber die Verehrung für den Vorkämpfer der protestantischen Religion sei doch ein Gebrauch der protestan tischen Kirche. Um so mehr müsse diesmal, wo das Papsttum angegriffen werde, das eine Einrichtung der katholischen Kirche bilde, dieses vor Herabwürdigung geschützt werden. In diesem Buche werde dem Papsttum die Herbeiführung der Hexcnprozesse, Unduldsamkeit jeder Art und Beförderung des Aberglaubens zur Last gelegt. Es sei dies nicht historisch. Man müsse sich schon fragen, welche Bedeutung diese Darlegung gegenwärtig haben solle, da die Hexenprozesse wohl heute von jedermann und auch von der katholischen Kirche als eine unglückliche Verirrung ange sehen würden. Sie seien Kinder ihrer Zeit gewesen. Das Buch beschränke sich nicht darauf, einzelne Päpste wegen der Inquisition anzuklagen, es wende sich gegen die Institution des Papsttums. Es sei dies aber eine bewußte Unwahrheit, denn Scheiterhaufen seien auch in dem protestantischen Deutschland, in dem angli kanischen England und in der durchaus evangelischen Schweiz an- gczündet worden. Das Papsttum sei eine Einrichtung, mit der die katholische Kirche stehe und falle; die Herabwürdigung dieser Institution gehe also in ihrem Ziele weiter, und es sei nicht schwer, die politische Tendenz zu erkennen, die verfolgt werde. DerVertreter des Einspruchswerbers, Rechtsanwalt I)r. Ingwer, rief das Staatsgrundgesetz an, dessen 8 17 sage: -Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei«. Das sei ein allgemeiner Satz, der keine Einschränkung dulde. Er sei bestrebt, die Maje stät der Wissenschaft anzuerkennen und ihr zu huldigen. tz 13 desselben Gesetzes sage, daß jedermann in einer Druckschrift seine Meinung frei äußern könne, insofern dies nicht durch das Straf esetz eingeschränkt sei. Daraus gehe hervor, daß der Gesetzgeber ier eine Einschränkung wollte, sie aber bei der Freiheit der Wissenschaft nicht eintreten lasse. In jener Zeit, in der die Staats- grundgcsetze erlassen worden seien, sei noch die Wissenschaft das allerhöchste gewesen. Damals habe man noch das Wort Mephistos beachtet: -Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, des Menschen allerhöchste Kraft, so Hab' ich dich schon unbedingt-. Und deshalb 1381*
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