Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.07.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-07-15
- Erscheinungsdatum
- 15.07.1911
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19110715
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191107159
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19110715
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1911
- Monat1911-07
- Tag1911-07-15
- Monat1911-07
- Jahr1911
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
mündlicher Unterredung um einige^Schonung für ihn. Erzähler sieht noch die Abfuhr, die jener erlitt, und ver spürte noch mehr den Guß von Schmeicheleien, die auf sein schuldiges Haupt herniedertrieften. Aber noch lebhafter er innert er sich, wie Hertz, nachdem er ihn den albernsten »Baske« genannt hatte, in die Tasche griff, 25 Taler hervorholte und ihm mit der Mahnung übergab, sich dafür einen Schirm zu kaufen, die Stiefel besohlen zu lassen u. dgl. mehr. Eine solche Wohltat hat er dann noch des öftern erwiesen, verschwiegen und zartfühlend wie er in allem war, aber die ekelhaften Gänge, gut genug für die Ausläufer der Handlung, hat er nicht abgeschafft, bis ihm später wieder Ferdinand Springer bewies, daß gewisse geschäft- licheübungen doch nicht wohl aufrecht erhalten werden sollen und können. Des andern Gehilfen in der Handlung sei an dieser Stelle rühmend und dankbar gedacht, Otto Enslins, des Bruders des bekannteren Adolf E., der sich mit rührender Geduld des Lernbeflissenen annahm, ihn in der Strazzensührung, der Kundenbedienung und der Abfertigung der Kommittenten unterwies. Dieser Kommittenten mochten es an die zwanzig sein, und zwar lauter große Sortimentsfirmen der Provinzen Brandenburg, Pommern und Preußen, sowie der Hansestädte Bremen und Hamburg. Die Bremer Firmen besorgte der Chef höchstselbst und nicht gerade immer zur Freude des Lehrlings. Was von ihnen als eilig empfohlen war, mußte beigcbracht werden, wie schwierig dies auch manchmal war, und anstatt die Herren Hausknechte hinauszuschicken, beauf tragte man zumeist und in der spätesten Stunde den Lehr ling, der seine Kommissionsbesorgung unterbrechen und die letzten Beischlüsse einholen mußte. Kam er dann schweiß triefend zurück, dann hatte Hertz wohl Besuch oder die Luft an der Sache verloren — kurz, cs hieß: Machen Sie meine Ballen auch. Nun galt es eilen und doch gute Arbeit leisten, denn jedes wirkliche oder scheinbare Versehen wurde nachher strengstens aufgemutzt, und wie oft hieß es dann: Ja, Sie sind doch aber auch zu garnichts zu brauchen und täten am besten usw. Das alte Lied, das aber oftmals den ver söhnenden Abschluß erfuhr, daß Hertz einem den Arm über den Rücken legte und begütigend sagte: Sehen Sie, Sie lernen sich ja ganz gut ein, und ich bin auch mit Ihnen im ganzen recht wohl zufrieden; aber Sie müssen munterer werden, mehr überlegen und sich die unerläßliche Sicherheit in der Arbeit aneiglien. So hatte man denn schließlich das erste Lehrjahr hinter sich, hatte sich gute Literaturkenntnisse beigelegt, expedierte, führte bestimmte Konten in der Buchhaltung, bediente die Kundschaft, aber nur »knappemang», und wurde so ein halb wegs brauchbares Handwerkszeug in der Hand des Chefs. War nur dieses Jahr in der Tat nicht verloren gewesen, so durste man sich andererseits fragen, ob eS mehr Freude oder aber Enttäuschung gebracht habe. Und die Antwort konnte nicht zweifelhaft sein: Hartes und Bitteres halte man genug erfahren, gar manche Illusionen waren in die Krümpe ge gangen, liebkost worden war man nicht, aber unendlich viele fröhliche Stunden und Tage hatte man trotzdem verlebt, und noch heute, wenn die Erinnerung an jene Zeit der blonden Jugendeselei wachgerufen wird, wird das Herz weich und dankt es dem im Grabe, der den Unerfahrenen nach seiner Methode in den Handel einführte, ihm die Erkenntnis ge schäftlicher Tätigkeit verschaffte und trotz allem mit großer Geduld die mannigfachen Mängel und Gebrechen nachsah. Mit dem Beginn des zweiten Jahres aber verließ nicht nur der bisherige ältere Mitlehrling das Geschäft, sondern bald darauf schied auch der noch heute gehaßte Gehilfe M. aus; man rückte um einen vor, und der Nachfolger in der Knechtschaft rückte ein, von Hertz, der ihn seit Kindheits beinen an kannte, mit frohen Hoffnungen begrüßt. Der wird Ihnen zeigen, was 'ne Harke ist, der ist keine solche Bimmel-Hanne wie Sie (ein Lieblings-Schimpf- und zugleich -Kosewort des Chefs); an und von dem können Sie noch lernen, was Ihnen noch fehlt. So hieß es ost, und man wurde natürlich außerordentlich gespannt, wie denn diese neue Kraft und Stütze, dieser den Alteren schon im voraus überflügelnde Hintermann aussehen und sich einsühren werde. Es war Ferdinand Springer. Ehe aber die Charakterisierung dieses Nachfolgers er folgt, müssen wir uns etwas eingehender mit den Eigenschaften des Chefs als Verleger, Geschäftsmann und Mensch be schäftigen. Schon seit längeren Jahren hatte er sein Hauptaugenmerk dem Verlage zugewandt, der zwar damals noch lange nicht den Umfang und die Bedeutung wie beim Ableben des Besitzers, aber doch bereits eine breite Grundlage hatte und alle Keime einer reichen und gesunden Entfaltung in sich trug. Schon zu jener Zeit war im Verlage eine Reihe stolzer Namen vertreten, von denen nur einige hier in bunter Reihe genannt sein mögen: Heinrich Barth, Jac. Bernays, Joh. Brandts, Ernst Curtius, I. G. Dropsen, I. E. Erdmann, I. M. Firmenich-Richartz, Th. Fontane, Herm. Grimm, Ludwig Hahn, Werner Hahn, Wilh. Harnisch, Paul Heyse, Hans Hopsen, Ad. Kirchhofs, A. Lasson, B. v. Lepel, C. R. Lepstus, Joh. Merkel, Karl Müllenhoff, PH. v. Nathusius, Marcus v. Niebuhr, H. Pröhle, W. v. Schadow, Kurd v. Schlözer, Wilh. Schwartz, Fr. Jul. Stahl, Rud. Stier, Victor v. Strauß, W. Wattenbach, Bernh. Weiß, F. G. Welcker. Diese Namen sprechen bei jedem Gebildeten, insbesondere aber dem Literaturkenner und Buchhändler, für sich selbst, so daß man darauf verzichten kann, ihre Arbeiten aufzuzählen. Um vieles, vieles größer und nicht selten auch noch von mehr Bedeutung ist die Reihe jener späteren Autoren nach der Mitte der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts: sie bilden im einzelnen und ganzen stets einen weiteren Ehren titel des hervorragenden Verlegers. Wer aber war denn nun Wilhelm Hertz eigentlich? Worin lag dis magnetische Kraft, die mit dem einen Pol alles fast ohne Widerstand an sich zog und festhielt, mit dem andern aber abstieß und sich nicht gerade selten Wider sacher schuf? Ec war als Mensch wie als Geschäftsmann eine Natur, die scheinbar voller Widersprüche und doch im höchsten und schönsten Grade harmonisch war. Freilich manch einer, der ihn gut und besser kennen gelernt zu haben der Meinung sein möchte, dürfte vielleicht den Kopf über diese Charakteristik schütteln, und doch ist sie an sich richtig. Wissen, Geist und Gemüt waren bei ihm in hohem Grade und reichem Maße vertreten und vereinigt, insbesondere das letztere. Er war aber keiner von jenen, die sich als gute, weiche Naturen schildern und denen zwar nicht die Geld taschen, wohl aber die Augen bei jeder Gelegenheit über gehen, wenn sie fremdes Leid und Elend sehen. Ihm aber — und hier ist der Schreiber dieser Zeilen ein ebenso un befangener wie glaubwürdiger Zeuge — krampfte sich das Herz bei Anderer Not zusammen, er half stillschweigend mit offener Hand und entzog sich dem Dank bescheidenen Sinnes. Er war kirchlich-fromm, ohne daß er es hätte erkennen lassen; ihm war der Glaube eine Herzenssache, die man scheu vor dem Licht des Tages verbirgt. Vornehm in Wesen, Worten und Werken, war seine zierliche Persönlichkeit eines Erfolges bei jung und alt, hoch und niedrig sicher. Er prunkte mit weißer Leibwäsche, ja er kokettierte mit ihr sogar über ein gewisses Maß hinaus. Die älteren Vertreter des Standes, soweit sie Hertz kannten, werden sich dieses Schmuckes gewiß ebenso erinnern wie der unvermeidlichen Zigarre in der schwarzbraungerauchten Meerschaumspitze und des goldenen Zwickers aus der geschwungenen Nase. Selten oder
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder