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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.07.1911
- Strukturtyp
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- 1911-07-28
- Erscheinungsdatum
- 28.07.1911
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- Deutsch
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8674 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 173, 28. Juli 1S11. der Fischerhütte die Wegemüden gestärkt, ein frischer Trunk sie geletzt, wobei manch gutes und kräftiges Wort geredet und ein und das andere fröhliche Lied gesungen worden ist, darunter natürlich auch ein Bismarcklied. Geht hin, ihr Kollegen fern und nah, und tut desgleichen! Platzen dann in der nächsten geschäftlichen Versammlung die Meinungen scharf aufeinander, so gibt cs doch keine Verbitterung: gemeinsames Wandern, gemeinsames Essen und Trinken verbindet! .Von Ästhetik war oben die Rede, und davon, daß wir sie in allen Ehren halten wollten. Ich verdankte un längst der Güte des betr. Verlegers ein Widmungs-Exemplar von »Kunst und Volkserziehung. Betrachtungen über Kultur stagen der Gegenwart. Von Johannes Volkelt«. Erst wollte ich nicht recht heran an das Buch, ich wähnte: das wird auch ein Buch von dem Schlage derer sein, die durch Er ziehung zum Kunstgenuß, »zur edelsten Lebensfreude- (wie wir jahrelang auf den Jugendschriftenverzeichnissen der Hamburger Lehrerschaft lesen konnten) alle Schäden der Zeit und im Volksleben heilen wollen, während ich wohl zu sagen pflege: »die Kunst verdirbt unser Volk-, wobei ich allerdings »die Kunst« zu lesen bitte. Aber wie angenehm wurde ich enttäuscht, als ich anfing zu lesen! Volkelt will wahrlich nicht die Ethik zur Magd der Ästhetik machen, er weist jeder ihre Bedeutung und Berechtigung zu. Es handelt ein Abschnitt wohl von der Kunst der Gegenwart in ihrem volkserzieherischen Werte, ein anderer aber auch von der Kunst der Gegenwart in ihren Gefahren für die Volkserziehung. Hierin befassen sich ver schiedene Kapitel mit der Erotik, nämlich mit ihrem Über handnehmen, mit der Zunahme des Handgreiflichen und des Krankhaften darin, mit der Erotik auf dem Theater und in den bildenden Künsten, ein Kapitel auch mit der Kritiklosig keit des Publikums gegenüber diesen Erscheinungen. Ein Rundschreiben des Vorstandes vom »Kreis Norden« aus dem September v. I. befaßte sich auch mit dem Überhand nehmen des Erotischen in der schönen Literatur. Es wurde darin bedauert, daß namentlich so viele Romane mit grob sexuellen und -erotischen Stoffen erschienen, und die Mitglieder wurden aufgefordert, diesen Büchern ihre Verwendung nicht mehr zuteil werden zu lasten. Bei mir ist diese Aufforde rung auf fruchtbaren Boden gefallen. Ich habe z. B. von »Karin Michaelis, Das gefährliche Alter» nur vier Exem plare nötig gehabt, trotzdem das Buch ein gewisses Aufsehen hervorrief. Es geht also wirklich, daß man sich von der Verwendung für solche Bücher sernhält. Ich empfehle das Volkeltsche Buch allen Buchhändlern zum Lesen und zur nachdrücklichsten Verbreitung, den belle tristischen Verlegern aber ganz besonders zur Beherzigung. Das Buch ist so fließend und leicht verständlich geschrieben, daß das Lesen an sich schon ein Genuß ist. Dabei hält es sich von allen Einseitigkeiten fern. Aber mahnend erhebt Bolkelt seine Stimme gegenüber den schweren Gefahren sür unser Volkstum. Ich möchte eine Stelle von Seite 15k zitieren: »In Friedrich Vifchers Lyrischen Gängen steht der Spruch: Keuschheit verloren: Etwas verloren, In der Ehe etwas gewonnen. Scham verloren: Alles verloren, Die Seele in Schmutz zerronnen. In der Tat, es ist die gefährlichste Seite an der gegen- wärtigen erotischen Bewegung, daß sie das Schamgefühl als etwas überlebtes zu beseitigen anstrebt.» Das Weitere wolle man an Ort und Stelle selbst Nach lesen. Da Volkelt ordentlicher Professor in Leipzig ist, exem plifiziert er häufiger auf Leipziger Verhältnisse; aber ich kann nicht finden, daß z. B. die Leipziger Theaterbesucher eine gute Note erhalten. Über den Mangel an Schamgefühl hatte ich vergangenes Jahr einen ausgedehnten Schriftwechsel mit einem Dichter, dessen Bücher jetzt viel gelesen werden, die ich auch gern verkauft hatte. Der Verleger kam persönlich nach Hamburg und sprach mir seine Verwunderung aus, daß ich den neuen Roman nicht bestellt hätte, worauf ich auf bestimmte Stellen des früheren Romans hinwies, die durchaus nicht unzüchtig wären, wohl aber gegen das Schamgefühl verstießen: die Geheimnisse des Ehebettes dürften nicht profaniert werden! Das erfuhr, beabsichligterweise, der Verfasser. Hei, be gehrte der auf! Er schrieb mir flugs einen 8 Quartseiten langen Brief, hageldicht sausten die Vorwürfe aus mich Mucker und Pietisten hernieder. Ich antwortete auch nicht faul, und so gingen mehrfach Briese hin und her. Jetzt steht noch die persönliche Begegnung aus. Mein Vorwurf hatte gesessen, der Autor löckte wider den Stachel; ich hoffe, er schreibt derartige Dinge nicht wieder. Ich erzähle den Vor fall, um darzutun, daß auch die Sortimenter gegen das Überhandnehmen der Erotik schon etwas tun können. Hochsommer ist es geworden, heiße Tage sind gekommen, die Erinnerung an Kantate und die vorangegangenen Re missionsarbeiten ist verblaßt. Aber ab und an wird man durch einen Brief, einen mit der Post ankommenden Brief, noch daran erinnert. Inhalt: Der Verleger Dpsilon schreibt, daß er das Konto des sehr geehrten Herrn Kollegen durch aus nicht abschlicßcn könne und in große Not geriete, wenn nicht bis zum g. Juli der Saldorest von 1 ^ 65 H bezahlt sei; Formular für Postscheckzahlung liegt bei. Ja, was will man machen? »Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!« hat Goethe oder ein anderer gesagt; man kann doch seinen lieben Kollegen, den Verleger, nicht in der liefen Not sitzen lassen. Wie er sich zwar aus der Abschlußnot befreit, wenn der Sortimenter zuviel gezahlt hat, weiß ich immer noch nicht. Wahrscheinlich bleibt das Konto unabgeschlosten, denn mit einem Übertrag abschließen, das kann der Ver leger nun einmal nicht. Vor einigen Jahren erlebte ich auf diesem Gebiete eine lehrreiche Geschichte. In der Salomon- straße in Leipzig stehen viele stattliche Gebäude, in manchem Hausen buchhändlerische Firmen, in einem eine Doppelstrma in der Hand eines Besitzers. Treffen da in einem und dem selben ZeNelpaket zwei Abschlußzettel bei mir ein; die eine Firma meldet, daß sie das Konto mit einem Übertrag von 3 ^ zu nieinen Gunsten abgeschlossen hätte, die andere Firma ersucht um sofortige Anweisung des Saldorestes in etwa gleicher Höhe, da es ihr unmöglich wäre, das Konto sonst abzuschließen. Ich nehme einen großen Briefbogen, schildere mein lebhaftes Interesse an den Fragen buchhändlerischer Buchführung, ich hätte noch nie einen Gesamtabschluß fertig gebracht, in dem nicht Kreditoren und auf der andern Seite Debitoren figurierten, dort schiene es aber anders zu sein, ich bäte deshalb um Mitteilungen über das Buchhaltungs system usw. Umgehend erhielt ich einen höflichen Bries wieder — die Leipziger Briefe sind bekanntlich immer höflich —, der Inhalt besagte aber etwa: »Stellen Sie doch nicht so für- witzige Fragen; natürlich können wir auch mit einem Übertrag zu Ihren Lasten abschließen, was nunmehr geschehen ist.« Und die Moral von der Geschichte? Bei geordnetem regel mäßigen Verkehr sollte man um kleine Saldoreste wirklich kein Geschrei machen, ganz glatte Gesamtabschlüsse ohne Kreditoren und Debitoren gibt cs doch nicht. Handelt es sich um Summen, so sollen sie natürlich pünktlich gezahlt werden, dann aber auch hinüber und herüber. Offene Anfrage: In welcher Verlagsfirma wird die Praxis geübt, zuviel gezahlte Saldobeträge zurückzuzahlen?
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