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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1924
- Strukturtyp
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- 1924-06-16
- Erscheinungsdatum
- 16.06.1924
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- Deutsch
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8S98B2rI-ndl»tt f. d. Dtschn. Buchhandel. RedMioneller Teil. W 13S, 16. Juni 1924. Verfügung gestellt hatte. Das Rathaus ist ein wunderschöner rilter Barockbau an der Limmat. Mit feierlichen Gefühlen betra ten wir den schönen Saal, in dem einst Gottfried Kelter als Staatsschretber geamtet hatte. Die Anordnung der Sitzreihen ist nicht amphithcatralisch, wie es in neueren Gebäuden dieser Art üblich ist, sondern zeigt die alte Anordnung, die man aus alten Bildern und Stichen des Mittelalters kennt: die Mitte des länglich-rechteiligen Saales ist frei, die Sitze sind in drei ziemlich engen Bantrcihen an die Wände gelegt, im Osten steht der erhöhte Tisch des Schultheißen, jetzt des »Präsidenten- des Buchhändlervereins. Über ihm an der Wand hing ein großes Ölgemälde, den Rütlischwur darstellend, leidenschaftlich bewegt, wie es der Barock verlangt. Das englische Parlament, die Sitzungsräume der Freimaurer haben diese altertümliche Anord nung ebenfalls bewahrt. Es fehlten nur noch die alten Trach ten, und man hätte sich um einige Jahrhunderte zurückversetzt gefühlt. Die Verhandlungen verliefen ruhig und sachlich. Das Rau chen wurde zwar nicht ausdrücklich verboten, hörte aber aus Ach tung vor dem Orte von selbst auf. Während ich da saß — Gott verzeih' mir die Sünde —, fiel mir eine Geschichte ein, die sich an diesem Orte vor mehr als hundert Jahren zugeiragen hat: Landolt, das prachtvolle Urbild von Gottfried Kellers »Landvogt von Greifensee-, saß einst hier, und merkwürdig, der gleiche Mann, der im Hausrock so wunderbar zu reden wußte, fühlte sich bedrück!, wenn er amtlich zu reden hatte. Darum hatte er seine Rede einem Manuskript anvertraut. Aber auf den Bänken saß man eng, und sein Nachbar war ein böser Witzbold und stahl ihm sein Manuskript aus der nicht sehr tiefen altväterischen Tasche. Als nun Landolt seine Rede begann — ich weiß nicht, sagte er: »Herr Präsident, meine Herren-, wie unsere Schweizer Kollegen, oder verlangte der damalige Amtsstil größere Forma litäten —, da entdeckte er, daß ihm sein Manuskript fehlte. Ohne die geringste Verlegenheit und ohne eine Erklärung zu gehen verzichtete er auf die Rede und ging auf seinen Platz zurück, würdig, jeder Zoll ein Ratsherr von Zürich, sodaß niemand zu lachen wagte und der Witzbold um seinen Erfolg kam. Die Stadt Zürich und die Landvogtci Greifensee blieben auch ohne diese Rede am Leben. Es ist ein schöner Zug für die innere Wahr haftigkeit der Schweizerischen Demokratie, daß sie der Beredsam keit nie einen übertriebenen Wert beigemcssen hat. Sie kannte Ihre Leute auch so und dachte mit Bismarck: den guten Rednern mißtraue ich immer. So gingen die Verhandlungen rasch voran, jeder gab kurz und geschäftlich sein Votum; dadurch, daß die Führung der De batte nicht in den Händen rhetorischer Heldentenöre lag, kamen auch Leute zu Wort, die der Sprache weniger mächtig waren — es sind ost die Besten —, und man bekam ein sehr gutes Bild der Stimmung der Versammlung. Erleichtert wird das natürlich durch die kleineren Verhältnisse, die alles leichter übersehen lassen und die es verhindern, daß zwischen einzelnen Gruppen große Gegensätze entstehen, die unsere Leipziger Verhandlungen oft so mühsam machen. Über den Inhalt der Verhandlungen möchte ich dem Bericht des Vorstandes nicht vorgrcifen, erwähnt sei nur, daß vielfach Klagen über den deutschen Verlag geäußert wurden, daß er die Sperre der Unionsbuchhandlung nicht streng durchführe und daß die Rückkehr zu einem Teucrungszuschlag (vor dem Krieg rech nete ja die Schweiz die Mark zu Fr. 1.35 statt 1.25 um, erhob also fast 10°/» Zuschlag) von der Versammlung abgelehnt wurde. Um 7 Uhr fand ein Bcgrtttzungsabcnd im Kasino Zürichhorn statt, zu dem der Züricher Buchhändlervcrcin die Teilnehmer eingcladen hatte. Es herrschte ein herzlicher Ton, die Reden waren kurz und ließen Zeit, die künstlerischen Darbietungen zu genießen, die sich auf einer achtunggebietenden Höhe hielten. Die eigentliche Feier wurde am Montag, dem 2. Iuni, eröffnet durch eine Fahrt auf einem großen Extradampfcr nach Rapperswil. Die Luft war feucht und gewitterig, so wie sie der Engländer liebt, der durch den Maler Turner zu einer Beob achtung der meteorologischen Wirkungen der Atmosphäre erzogen wurde. Der herrliche See zeigte sich in den verschiedensten Be leuchtungen. Nebel verdeckten einen Teil, während andere plötz lich in Heller Sonne auflcuchteten. Mit Freude sahen wir die Gestade des »hellsten Sees der Schweiz«, grüne Auen, bunte Acker und graue Weinberge, dazwischen saubere und gepflegte Häuser, die lächelnd die Last der Hypotheken zu tragen schienen, und auf dem Kamm der Höhenzüge grünen Wald und dahinter die schneeigen Berge. Der Festakt fand mittags im Hotel Schwanen in Rappers wil statt. Nach einem von Ernst Zahn gedichteten und von dem Sohn eines schweizerischen Buchhändlers ausgezeichnet gespro chenen Prolog begrüßte der Vorsitzende die anwesenden Mit glieder und Gäste. Er dankte dem Börsenverein, daß er zur Übermittlung seiner Grüße »einen Landsmann und einen be geisterten Freund der Schweiz- gesandt habe. Als Vertreter des Börsenvercins sprach Herr vr. Siebeck. Ihm folgte der Ver- elegantcm Französisch die Grüße der Wcstschweiz brachte und die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen Buch. Hände! hervorhob, wobei er der deutschen Gründlichkeit ein Kom pliment machte. Den Schluß bildete ein Vertreter des Gehilfen vereins, der betonte, daß in der Schweiz im Gegensatz zu andern Ländern die Beziehungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehr herzlich seien. Dqs Festbankett, das sich daran anschlotz, verlief sehr wür dig. Die Bewirtung war einfach, aber von jener vornehmen Gediegenheit, die eine Eigentümlichkeit des altschweizerischen Bürgertums ist. Die Reden waren kurz und galten dem Vater land, den anwesenden Senioren, den Herren vr. Alexander Francke aus Bern und C. M. Ebell aus Zürich <das älteste Mit glied, Herr Adolf Geering in Basel, war leider durch eine plötz liche Erkältung verhindert), sowie den zahlreich erschienenen Damen. Musikalische Vorträge und Rezitationen bildeten den Schluß. Eine schöne Überraschung erwartete uns in dem Turnierhos des alten Schlosses, dessen altersgraue Türme weit über die Stadt Rapperswil hinausragen und schon manchen blutigen Kamps gesehen haben. Erst lagen Schloß und Stadt in der Bran dungszone der Macht der Eidgenossen und der Österreicher, wur den bald von der einen, bald von der andern Partei erobert, sodaß sich das Stadtwappen, die Rose, blutig rot färbte; dann wurde es ein Bollwerk der katholischen Partei gegen den pro testantischen Westen. Auch heute noch ist es nicht leicht, daß ein Protestant Aufnahme in die Bürgergemeinde findet, auch wenn der »Bürgernutzen-, der jedem Bürger in Form einer großen Fuhre Holz durch ein Ochsengespann vors Haus gefahren wird, nicht da wäre. Glückliche Stadt, die nicht nur keine Gc- meindeumlagen kennt, sondern dem Bürger noch etwas gibt! Während wir unsere Augen über die alte Stadt und die Herr liche Umgebung schweifen ließen, öffnete sich das alte Burgtor, und eine heitere Kinderschar, verkleidet als Alpenblumen nach den bekannten Krcidolfschen Zeichnungen, führte einen Reigen, begleitet von Gedichten, auf. Es läßt sich kein schönerer Anblick denken als dieser alte Burghof, bevölkert mit blauen Enzianen, gelben Schlüsselblumen, roten Alpenrosen, Türkenbund, und wie diese Blumen alle heißen. Es waren die Kinder der Kollegen aus Zürich, die sich zum bunten Neigen zusammengefundcn hat- ten: das Ganze ein Bild hoher Schönheit und doch ohne jede ab sichtliche Ästhetik, so zwanglos, als wäre alles improvisiert. Den Schluß des Tages hätte eine Huttcnfeicr auf der Insel Nfcnan, dem Schauplatz von »Huttens letzten Tagen«, bilden sollen. Das Wetter hatte es anders beschlossen, doch auch im Schwanen von Rapperswil machte die Feier einen tiefen Eindruck. Zahlreiche Verleger und Drucker hatten den Teilnehmern Spenden überreicht, die sich sehr Wohl neben denen, die in Leip zig üblich find, sehen lassen können. Ich nenne absichtlich keine Namen, wie ich auch den Schweizerischen Kollegen keinen namentlichen Dank abstatte. Wollte ich sie alle nennen, so würde mein Verzeichnis so lang wie der S hiffskatalog aus der Ilias. Allen Kollegen sei unser herzlichster Dank ausgesprochen. Sie haben uns eine Erinnerung fürs Leben mitgegeben, die wir ebensowenig missen möchten wie jvor zwei Jahren jene schöne
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