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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.06.1923
- Strukturtyp
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- 1923-06-28
- Erscheinungsdatum
- 28.06.1923
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- Deutsch
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148. 28. Juni 1923. Redaktioneller Teil. Verdacht (also nicht die Gewißheit) haben könnte, daß sie Kriegsbeute sind? Ich habe diese Frage bejaht, weil so wohl juristisch wie moralisch die Erbeutung im Kriege mit dem Diebstahl nicht auf eine Stufe gestellt werden kann, vor allem aber weil es ganz unmöglich ist. die Begleitumstände des Er werbs der angebotenen Bücher jetzt noch nachträglich festzustellcn. und habe darauf hingewiesen, daß sehr viele Bücher auf ganz legalem Weg« während des Krieges in belgischen und französi schen Buchläden erworben worden sind, ja daß weiter auch nichts dagegen eingewcndet werden kann, wenn aus einem verlassenen, der sicheren Vernichtung entgegensehenden Gebäude Bücher ge- nomm«n.und auf diese Weise vor dem Untergang gerettet wur den. Auch in diesem Falle kann dem Soldaten nicht zugemutet werden, daß er diese Bücher, weil er sie (vielleicht unter großer Gefahr) umsonst erworben hat, nun auch einem Dritten umsonst überlassen müßte. Von der Überschätzung der in Privatbesitz be- sindlichenBücher weiß jetzt jeder Antiquar und Wohl auch die meisten Sortimenter, denen ja auch antiquarische Bücher an- geboicn werden, ein Lied zu singen. Die fabelhaften Zahlen, die die Zeitungen als Ergebnis von Auktionen berichten, sind es in der Hauptsache, die in den Köpfen wenig sachverständiger Pri vatleute eine Verwirrung angerichtet haben. Alte Auflagen von Konversationslexika, vor allem aber Bibeln aus dem 18. Jahr- hundert und ähnliche Werke leiden an einer geradezu komischen Überschätzung. Wenn einem Buchhändler Werke angeboten wer den. bei denen er den Eindruck hat. daß die Besitzer eine wahn sinnige Idee von deren Wert haben, so wird er in den meisten Fälle» gut tun, den Kauf überhaupt abzulehnen. In jedem anderen Falle läuft er Gefahr, als ein Betrüger angesehen zu werden. Ohnedies kann in der jetzigen Zeit, im der jeder im Erwerbsleben Stehende oder Waren irgendwelcher Art Be sitzende allzu leicht von dem Käufer als ein Wucherer angesehen wird, der Buchhändler nicht genug tun. sich auch nur von dem Verdacht, ein überteuerer zu sein, fernzuhalten. Ganz beson ders ist es das Antiquariat, das schon in früheren Zeiten mit scheelen Augen angesehen worden ist. dem jetzt übermäßige Ge winne vorgeworfen werden. Leider geschieht von seiner Seite so gut wie nichts, um sein Standesansehen zu erhöhen. Auch innerhalb des Buchhandels mangelt es in dieser Beziehung. Meiner Erinnerung nach hat im Börsenvereinsvorstand ein reiner Antiquar noch nicht gesessen, obgleich ja doch der numerisch so viel schwächere Zwischenbuchhandel einen Vertreter dort zu haben Pflegt. Es wäre Aufgabe des Antiquariats, seiner hohen Bedeutung auch äußerlich Beachtung zu erzwingen. Diese Auf gabe und eine Reihe anderer wären wichtiger als manches, was diesen Stand im allgemeinen beschäftigt. Wer der Versammlung des Vereins der Deutschen Antiquariats« und Export-Buchhändler in Leipzig zu Kantate beigewohnt hat und nicht gewußt hätte, daß es sich um einen Antiquarverein handelt, hätte die Versamm lung in der Annahme verlassen können, daß es sich bei den Ver handlungen während deren langer Dauer nur um einen Verein exportierender Sortimenter handelte; denn mit keiner Silbe wur den Standesfragen des Antiquariats behandelt, sondern nur in ausgiebiger Debatte die Rabattverhällnisse für den Export neuer Bücher nach dom Auslande. Wann kommt er diesem Stande, der Führer, der antiquarische Nitschmann? Grundpreis und Antiquariat. Das Antiquariat ist. um sich gegen die dauernden Preisverschiebungen zu weh ren. z. T. ebenfalls auf das System der Grundpreise eingegangen. In den meisten Fällen mag das angängig sein, zumal jetzt, wo die Festsetzung der Schlüsselzahlen seit der letzten Kantate- Versammlung sich der allgemeinen Teuerung anschlietzt und nicht allein auf Faktoren Rücksicht nimmt, die dem Antiquariat ferner liegen. Eine allgemeine Durchführung des Grundpreis- systcms jedoch im Antiquariat scheint mir nicht angängig, weil die Preisentwicklung für antiquarische Bücher nicht gleichmäßig ist. Z. B. sind die Preise für vollständige wissenschaftliche Zeit- schriftenreihcn ganz enorm der allgemeinen Preiserhöhung vor ausgeeilt. Vollständige Reihen wertvoller wissenschaftlicher Zeitschriften, die I960 etwa 2000 Mark gekostet haben, haben heute einen Preis von 120 Millionen und mehr, was also auch in englischen Pfunden ausgedrückt eine Preissteigerung um das Doppelte darstellt. Cs würde nicht angehen, diese Preise vor läufig noch weiter zu erhöhen. Und können wir sagen, bis zu welcher Höhe die Schlüsselzahl noch klettern wird? In dieser Beziehung kann also das Antiquariat mit dem Verlag nicht mit gehen. Welche bedenkliche Folgen der Anschluß an das ja sonst über jedes Lob erhabene Grundzahlsystem dann haben kann, wenn es sich um Organisationen handelt, die dem Ver lag ferner stehen, das illustriert recht gut der Beschluß der Bibliophilen-Gesellschaft, der im Herbst in Breslau gefaßt wor den ist. Dieser hat als Mitglieder-Beitrag für das Jahr 1923 die Grundzahl von 20 vorgesehen, die jeweilig mit der Schlüssel zahl des Börsenvereins zu multiplizieren wäre, die damals be kanntlich nur gering war. Jetzt muß die Gesellschaft erklären, daß sie diesen Beschluß nicht aufrechterhalten kann, weil ein Betrag herauskäme, den nur die allerwenigsten Mitglieder zahlen könnten. Die Bücherpreise sind zu hoch — die Klage ertönt stärker als je. Es hat wenig Erfolg, wenn man darauf htnweist, daß die Preise der Literatur auch noch nicht entfernt mit dem jenigen Multiplikator behaftet sind wie — mit Ausnahme der Miete — alles andere. Der gewöhnliche Hinweis ist dann der, daß Bücher billiger sein müssen, wert man sie doch nicht essen, also nötigenfalls auch entbehren kann, und es ist ja sicher klar, daß Bücher selbst dann zu teuer sein können, wenn sie relativ billiger sind als Margarine. Besonders leidet unter der unum gänglich notwendigen Preissteigerung das literarische Buch (wenn doch nur endlich die entsetzliche, außerhalb des Buch handels unverständliche Prägung »schönwissenschaftliches Buch, in den Orkus versänke!). Es ist aber nicht nur unser wirt schaftliches Elend, das durch die wahnsinnige Bedrückungspolitik hervorgerufen wird und das dem Absatz des Romans so hinder lich ist. Diese Primäre Ursache hat nämlich auch noch die sekun däre Wirkung, daß das Interesse am Buch erlahmen muß. Bis her waren es die Frauen des Mittelstandes in Deutschland — wie Wohl überall in der Welt —, die hauptsächlich belletristische Bücher lasen, indem sie sie ausgeliehen haben, sich schenken ließen oder vielleicht einmal auch selbst kauften. Die beste Re klame für diese Literatur war das Lob von Mund zu Mund, beim Kaffeeklatsch oder beim Souper. Das hat. wie übrigans zum großen Teil auch die beiden genannten Arten der geselligen Zu sammenkünfte, aufgehört. Unser« Damen, die unterschiedslos an dem erkrankt sind, was man »Hausfrauenkrankheit« nennen könnte, haben jetzt andere Sorgen, die sie in Beschlag nehmen. Aber vielleicht könnte auch da der Sortimenter, der doch die hübsche und neuzeitliche Erfindung von Vorträgen, die Dichter und Schriftsteller in seinen Geschäftsräumen veranstalten, ge macht hat. etwas Einfluß gewinnen. Er müßte als erster in sei nem Laden, in seinen Privatzirkeln, in seinen Vereinen, am Stammtisch dahin wirken, daß bei Frauen und auch bei Männern das alt« Interesse nicht ganz getötet, sondern trotz aller Misere soweit wie möglich aufs Geistige gelenkt wird. Ich habe mir für meine Privatgeselligkeit ein Schild machen lassen — und ich trete dem Buchhandel das geistige Eigentum an ihm ab —, das als Tafelaufsatz fungiert und die Inschrift trägt: l. Ich weiß, was die Butter kostet. 2. Ich habe gelesen, wie der Dollar heule steht. 3. Ich kenne alle Ihre Börsen-Tips. Ob allerdings eine Einschränkung der belletri stischen Literatur ein wesentlicher Schaden für unsere Kultur ist. bleibe dahingestellt. Auch wenn man literarisch inter essiert ist. wird man zugestehen müssen, daß viele Erzeugnisse besser ungedruckt bleiben könnten. Auch die Publikation eines zwar äußerst witzigen, aber einen noch lebenden früheren Landes fürsten schwer beleidigenden Büchleins (schließlich muß auch der Republikaner anerkennen, daß ein früherer König denselben Schutz durch das Gesetz haben müßte wie ein Straßenkehrer) gehört in die Kategorie der Literatur, die ich nicht verlegen würde.
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