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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.04.1907
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 23.04.1907
- Sprache
- Deutsch
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4192 Börs-nblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. /R 93, 23. April 1907. In dieser prekären Lage erscheint denn der uns so nahe stehende Verlag wiederum als rettender Engel. Mit Pro zenten in allen Höhenskalas und Bruchteilen, mit Vorzugs offerten und feinen Begleitessays sucht er dem armen Sorti ment Uber alle Leiden dieser Zeitlichkeit hinwegzuhelfen, und — ist's Traum oder Wirklichkeit — manchmal beschleicht uns in der Tat das angenehme Gefühl, als sei angesichts der vielen abgcsetzten »Tausendauflagen« das goldne Zeit alter des Buchhandels wenigstens in Sicht/ Dennoch will die liebe Seele des Sortiments nicht recht zur Ruhe kommen; namentlich von der Ostseite des Reichs her wird auf ein Sonderrezept, die Erhöhung des Minimalrabatts, gedrungen. Es ist ja richtig: der erhöhte Rabatt kann uns nur da nützen, wo wir ihn am nötigsten brauchen; denn im Durchschnitt wird leider nur noch das absolut Notwendige gekauft. Eine Prämie allein auf den Novitätenvertrieb hieße die übrige Arbeit zu gering einschätzen, die doch auch bezahlt werden muß. Immerhin liegt der Schluß nahe: Reicht das Entgegenkommen des Verlags über 20—25 Prozent nicht aus, das Sortiment sicherzustellen, so kann die Hilfe auch nicht allein in den Prozenten gesucht und gefunden werden. Dann geht die Macht der Dinge ihren eignen Weg, und es fragt sich nur, ob wir sie gebührend in Rechnung ziehen. Der deutsche Buchhandel erfreut sich einer beneidens werten Organisation, und alle Ehre den Männern, die sie immer mehr zu festigen suchen. Aber innerhalb derselben leidet er bekanntlich an seinem eignen Schwergewicht, an dem fatalen Mißverhältnis zwischen Produktion und Absatz. Ist es einfach unmöglich, daß das Kaufen mit dem Tempo der Produktion gleichen Schritt halten kann, ist es ebenso un möglich, die Fülle des Gebotenen auch nur im kleinern Teile anfzunehmen und zu verarbeiten, so ist es geradezu wunder bar, daß sich der Buchhandel an seiner eignen Sphinx noch nicht verblutet hat. Hier liegt der Urgrund des Übels, über den wir uns nicht hinwegtäuschen wollen, wenn es darauf ankommt, die notwendigen Folgen gerecht zu beurteilen. Es ist eine eigne Sache um den Kauftrieb, auf den schließlich alles ankommt und der doch nach der ideellen Seite hin zu schwach ist. Obgleich er mit allen erdenklichen Mitteln angeregt wird, so hat er doch immer wieder seine bestimmte Grenze an Zeit, Geld und Kraft derer, auf die wir nun einmal angewiesen sind, ja mehr noch an der innern Schranke — der Psyche des Menschen. Nichts ist bekanntlich auf die Dauer schwerer zu ertragen — von Goethes glücklichen Tagen ganz zu schweigen — als die Überfülle des geistigen Stoffs. Man braucht kein Philosoph zu sein, um zu erkennen, daß wir mehr oder weniger dem »Naturgesetz der Geisteswelt« unterliegen, das jeden an das Maß seiner Kraft bindet und jedem Hochdruck das entsprechende Minimum folgen läßt. Es ist schwer, diesen Racker von Geist in die kaufmännische Kalkula tion hinein zu zwingen, und gerade der Buchhandel scheint sich manchmal gewaltig an ihm zu verrechnen. Oder sollte der Erfolg aller unsrer Anstrengungen wirklich im lohnenden Verhältnis stehen zu den unglaublichen Opfern, die für die Mobilisierung des Büchermarkts gebracht werden? Was bedeuten die wenigen hervorragenden Glücksfälle gegen die Masse der verunglückten Spekulationen, deren Vor räte gen Himmel schreien?! Und es ist wahrlich nicht immer das Schlechteste, was dem ewigen Schlaf verfällt. Wie so manche Lieblingskinder, auf die man die größte Hoffnung gesetzt, findet man auf verlorenen Wegen wieder! Wie kann es auch anders sein, wenn wir sehen, daß die Tages- und Wochenpresse durch unzählige Kanäle die schöne Morgenkraft der Volksseele vorwegnimmt und für die Vertiefung in unsre getreuen Bücherschätze wenig Zeit und Lust übrig läßt! Immer geringer wird die Zahl der großen Geschäfte, die das Risiko auf die eigne Schulter nehmen, immer mehr wird versucht, hinterm Rücken des Sortiments zu operieren, und immer schwerer wirds dem Sortiment, sich gegen den Ansturm auf die wirklichen Bücher käufer zu behaupten. Wer sähe nicht mit Schmerz, wie es auch im Buchhandel nur noch dem Großkapital gelingt, auf Kosten der Schwächeren emporzukommen, und wie nun diese Schwächern im unfruchtbaren Wettbewerb sich die Existenz streifig machen! Aus dieser kritischen Gesamtlage ergibt sich von selbst die Spannung zwischen Verlag und Sortiment. Beide Teile stehen sich vielfach unbefriedigt gegenüber, weil sie zu viel von einander erwarten. Seien wir gerecht! Mit den Leiden des Sortiments gehen parallel die Leiden des Ver lags. Er hat an seiner eignen Konkurrenz und seinem Risiko mehr zu tragen und zu verlieren, als jenes. Immer hin ist er noch der stärkere Teil, und wenn er als solcher die Zügel der Produktion nicht festzuhalten vermag, wie soll es dem schwächern möglich sein, für die vielen Mittelmäßig keiten, die auf den Büchermarkt geworfen werden, Inter essenten zu finden! Die Spekulation bewegt sich leider viel fach zu sehr in der Luftlinie und übersieht den harten Boden der Wirklichkeit. Die ernstlichen Bücherfreunde sind kritischer, als man beim Projektieren voraussetzt, haben durchaus ihren Kopf für sich und lassen sich keineswegs vom Sortimenter in dem Grade beeinflussen, wie es uns oft genug vom Verleger zugemutet wird. Der selige Grunow sagte einmal in idealem Aufschwung in den Grenzboten: Der Deutsche kauft gern und willig Bücher. Wer je hinterm Ladentisch gestanden und noch steht, weiß ein andres Lied zu singen von des Deutschen Kauflust und Kaufkraft, wie es Felix Dahn in dem bekannten Vers zum schlagenden Ausdruck gebracht hat. Was braucht denn auch der bildungs hungrige Mensch heutzutage noch Bücher zu kaufen, wo man von allen Seiten einschließlich des Buchhandels eifrig be strebt ist, ihm den Weg zum Nichtkaufen zu ebnen! Die Bibliotheken und Lesegelegenheiten schießen wie Pilze aus der Erde, und so erfreulich deren Frequenz an und für sich ist, so befördern sie doch nicht gerade die Kauflust. Es wäre unnütz, gegen den Kulturfortschritt zu eifern, wie er sich im Leihwesen ausprägt, zumal die Bibliotheken das Rückgrat des Buchhandels bilden. Aber wie soll aus diesem Zwie spalt der Bewegung der klingende Gewinn herausspringen? Muß der Käuferkreis nicht immer kleiner werden, je mehr es allen denen, die noch kaufen könnten und sollten, leicht gemacht wird, sich vom eignen Besitz zu drücken? Und es ist eine große Schar aus allen Kreisen des Volks, die sich diese schöne Gelegenheit zu nutze macht. Der Berg der Überproduktion kann sonach nur eine Maus gebären, und die Fülle von Wagemut, Intelligenz und Tatkraft, die der Buchhandel an seine Existenz setzt, kann mit wenigen Ausnahmen nur in beschränktem Maß ihren Lohn finden. Die Verkennung der beiderseitigen Schwierig keiten hieße die kritische Lage noch verschärfen. Darum sollten Verlag und Sortiment nicht allein vom Standpunkt des Gewinns weiter operieren, sondern das Ausgabe- und Spesenkonto einer gründlichen Revision unter ziehen. Denn hier sind beide Teile entschieden zu hoch be lastet. Was z. B. der Verlag an seinen Vertriebsmitteln zu setzt, geht nachgerade ins Uferlose, und es ist doch Tatsache, daß sie fürs Publikum mehr eine Last als eine Lust sind. Die große Reklame mag momentan Erfolge bringen; aber sie erzieht uns keine Kunden, und Selbsthilfe uni jeden Preis dient nicht dem Ganzen. Vereinfachung und Konzen trierung müßten angestrebt werden, wenn nicht Papier- Händler, Drucker und Zeitungen den alleinigen Nutzem davon
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