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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.09.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1911-09-05
- Erscheinungsdatum
- 05.09.1911
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- Deutsch
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9940 Börsenblatt f. d. Dtschll. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 208, 5. September 4911 Bruder, der wohlwollende Oberlehrer Christian Jeep, wie Raabe selbst oft bekundet hat, tüchtig gefördert. Es war wohl hauptsächlich der Drang zur Literatur, der unseren großen Landsmann zum Buchhandel trieb, und so finden wir ihn denn 1849, achtzehn Jahre alt, als Lehrling in der altberühmten, 1778 gegründeten Creutz'schen Buchhandlung in Magdeburg, der ec immer ein freundliches Andenken bewahrt hat. Ist doch sein großer Roman, »Unseres Herrgotts Canzlei» in diesem Verlage erschienen, von dem jetzt die siebente Auflage oorliegt. Es ist be dauerlich, daß dieses vortreffliche Buch innerhalb fünfzig Jahren nicht öfters vor das deutsche Volk getreten ist. Über seine dortige Tätigkeit als angehender Buchhändler sprach Raabe nicht allzuviel. Sie mag ihm wohl nicht all zusehr zugesagt haben, wie das ja oft in der Lehrzeit vorkommt. Ist nun ein Eleve schon vorgerückteren Alters, wie das gerade im Buchhandel recht oft oor- kommt, so verdrießt es, sich zu Handlangerarbeit der ver schiedensten Art, als Papierglätten, Bindfaden zusammen- knüpfcn, Bücher abstäuben, Wegelaufen usw. gebrauchen zu lassen. Da heißt es wie beim Militär die Zähne zu sammenbeißen. Es ist recht viel schematisches Arbeiten im Buchhandel, namentlich wenn zu Ostern die Krebs zeit blüht und die Bücher wieder zurück zum Verleger wundern, o jeruw jsrum joruw, o qnav mutatio rsrnm! »Eine ganz verrückte Arbeitseinteilung,» meinte der ehemalige Buchfllhrer zu Magdeburg, »ein halbes Jahr hatte man zu tun und die andere Zeit wurde ge- faulenzt.» Ganz so schlimm war es nun wohl nicht, es geht dem Buchhandel wie noch anderen Geschäftsbetrieben, daß sich im Winter zu Weihnachten und zu Ostern die Arbeiten häufen und im Sommer natürlich weniger gekauft wird. In größeren Buchhandlungen, wozu auch die Creutzsche gehört, ist aber auch in der stillen Zeit immer noch tüchtig zu tun. Unser Jacob Corvinus fand aber, wie das bei einem intelligenten Menschen selbstverständlich ist, dabei doch Zeit genug, um alte Lagerbestände der Firma durchzustöbern und entdeckte eine Menge sogenannter Ladenhüter, die seit 1778 unverkauft im Geschäfte lagerten. O, was mögen das für Schätze gewesen sein! So manche Erstausgaben aus der klassischen Periode, die jetzt mit Gold ausgewogen werden. Historische Werke mit alten Kupfern usw. »Ja, das wäre etwas für Sie gewesen,« meinte er mit lustigem Augenzwinkern. Ich replizierte, daß aovo dazumalen die Bllchersexerei noch nicht so im Gange gewesen wäre. Das gab er zu, aber daß die Sachen damals makuliert worden wären, habe ihm doch leid getan. Für das Antiquariat hatte er überhaupt großes Interesse, weil er selbst aus Bücherliebhaberei aus den BUcherschätzen der Vorfahren mancherlei erworben hatte, das jetzt hohen Wert besaß. Wenn ich ihm dann den Preis von dieser oder jener Rarität nannte, so schmunzelte er wohl bei der Erinnerung an die lächerlich geringe Summe, die er selbst dafür gegeben hatte. Raabe war übrigens der echte Bücherfreund, der seine alten Scharteken liebte, wie sie nun einmal waren und für Luxusbände und Golddruck, meter weis gemessen, kein Verständnis hatte. Sie paßten zu seiner eigenen Gewandung, die der Zunft »der ehrsamen Kleider- scller» entsprechend war. Wenig Sympathie brachte Jacob Corvinus dem Verlags buchhandel entgegen. Er hatte keine guten Erfahrungen bei ihm gemacht. Das fing mit der -Chronik der Sperlingsgasse» an und endete erst nach einem mühseligen Weg von der Hunger pfarre zu Grunzenow beim Pestkarren des Schüdderump, als er in den Hafen von Otto Janke in Berlin einlief. Wenn wir ihm sagten, daß der Jankesche Verlag seine Bücher doch eigentlich besser drucken müßte, so meinte er: Ach laßt nur den in Frieden, der hat immer zu mir gehalten, wenn die anderen nichts von mir wissen wollten. O ja, das Autoren elend hat Wilhelm Raabe reichlich gekostet, weil er kein Modeschriftsteller war. Die »Chronik» hatte auch ein wechsel- volles Schicksal. Mir fiel mal eine Ausgabe von 1866 ohne Auflageangabe in die Hände, die keine Erstlingsausgabe sein konnte, und ich bat ihn darüber um Auskunft. Er schrieb mir: Hochgeehrter Herr! Diese Ausgabe der «Chronik d. Sp.« stammt aus dem Jahre 1886. Damals wollten Moritz Hartmann, Otto Müller und ich bei Ebner in Stuttgart einen »Hausschatz deutscher Erzählung« herausgeben. Der Plan mißglückte in Folge des Krieges und auch wohl aus anderen Ursachen. Für mich persönlich knüpft sich die nette lilterarische Lebens erfahrung daran, daß in einem Streit des Verlegers mit einem Kolporteur letzterer meine Chronik aus den Gerichtstisch ge worfen hat: Mit solchem Zeug soll man Abonnenten kriegen und Geld machen?UI Mit freundlichem Gruß Ihr ergebener Wilh. Raabs. Braunschweig, 27. Aug. 1902. Ja, das Geld machen! Es hat lange gedauert, bis es so reichlich kam, daß wenigstens ein freundlich besonnter Lebensabend vor ihm lag. Das kam am 8. September 1901, am 70. Geburtstag des Dichters. Die Welt bekam einen Raabetaumel. Ein Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main bestellte sich an dem Tage zwei Kataloge meines Antiquariats und schrieb als Adresse: Herrn Wilhelm Raabe, Antiquariat und Buchhandlung, Braunschweig, Ehrenbrechtstr. 4. Eine ehrenvolle Verwechslung mit Wilhelm Scholz, und doch auch wieder keine, denn als Anrede wählte der Herr abermals den Namen Wilhelm Raabe, so daß der literarkundige Sachwalter tatsächlich in dem Glauben gewesen sein muß, der alte »ehrliche Kleiderseller» betriebe in Braunschweig auch einen friedlichen Büchertrödel. Daß dem »Meister Autor» die Geschichte großen Spaß machte, braucht kaum erwähnt zu werden, er behauptete übrigens, es sei ein Schreibfehler. Es war ihm, prob äolor, offenbar nicht angenehm, noch als Buchhändler zu gelten. Und doch konnte er jetzt zufrieden sein, seine »Kinder bücher», wie ec den »Hungerpastor», die »Chronik der Sper lingsgasse« usw. nannte, erlebten Auflage um Auflage und nahmen selbst die ungangbarsten Sachen, wie den »Stopf kuchen«, »Prinzessin Fisch - und »Villa Schönow» ins Schlepptau. Raabe ist, wie seine intimsten Freunde behaupten, immer in dem Glauben gewesen, daß einst die Zeit kommen würde, wo man ihn feiern würde, aber daß die Wogen der Begeisterung so hoch gehen würden, hat er wohl selbst nicht gedacht. In vornehmer Zurückgezogenheit sah er von seinem Luvv rstiro das freudig bewegte Treiben im deutschen Volke, denn daß manches erkünstelt war, daß ihn eigentlich nur wirklich Gebildete würdigen konnten, war ihm wohl bekannt. Es ist gut, daß seine Freunde weiter für ihn tätig sind und seine Schriften immer noch mehr ins Volk zu bringen suchen, denn das Zeitalter der Elektrizität ist wenig geeignet für einen Schrift steller, dessen Goldadern mühsam ausgesucht werden müssen und dessen größter Ruhm darin besteht, auch nicht eine Zeile geschrieben zu haben, worüber seine Feder erröten müßte. Solche Schriftsteller dem Publikum zu verkaufen ist heut zutage für den Buchhandel leider nicht ganz leicht. Wilhelm Scholz.
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