Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.10.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-10-03
- Erscheinungsdatum
- 03.10.1911
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19111003
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191110031
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19111003
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1911
- Monat1911-10
- Tag1911-10-03
- Monat1911-10
- Jahr1911
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^ 230, 3. Oktober 1911 Nichtamtlicher Teil. «>M-ndi>ut >. d. Dtschn. »uchh-nd-l. 11431 »Vorträge mtissen gehalten werden«, Vorträge über diese Dichter, Vorträge von diesen Dichtern, Vorlesungen aus ihren Dichtungen. Gut. Wer »macht» es aber? Da stehen wir gleich zu Anfang vor einer schweren Frage. Der Schrift steller, soweit er dies berufsmäßig ist und wenn er noch lebt, ist wohl, wenigstens zum Vorlesen, leicht zu gewinnen, soweit es sich um die einfache Tatsache handelt. Kommt aber der Kostenpunkt zur Sprache, so wird sich meist zeigen, daß der Mann nicht in der Lage ist, das Unternehmen zu finanzieren. AlsBerufsschriftsteller verfügt er über seineZeit frei; diese will er auch gern opfern, im Hinblick auf die zu erwartende Lorbeerernte. Es sind aber die Reisespesen zu bezahlen: Fahrgeld hin, Zehrgeld, Fahrgeld heim, Toiletteausgaben usw. Müssen für einen solchen Abend zwei Reisetage gerechnet werden, so sind leicht 40—SO M. verbraucht; so viel kostet der Lorbeer in einer Stadt! Aber eine Schwalbe macht keinen Sommer und ein Vortrag noch lange keinen Stern 2. bis 3. Größe zu einer Sonne am literarischen Himmel. Propaganda zu beginnen, hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn man nachhalten kann. Außer den gewöhnlichen Menschenneiven gehört ein sehr kräftiger nsrvus reruw zu einem solchen Unter nehmen. Ganz gleich, ob man Stiefelwichse oder Dichtungen bekannt machen will. Der Autor wird in den seltensten Fällen in der Lage sein, für seinen Ruhm oder, wenn er kaufmännisch rechnet fürs Geschäft, derartige Opser zu bringen; denkt man billig, so genügt auch schließlich von seiner Seite das Zeit- und Kcastopfer. Er muß also, soll er vorlesen, für die entstehenden Aus gaben entschädigt werden. Das kann aus verschiedene Art geschehen; er muß suchen, gegen Eintrittsgebühcen zu lesen: oder sein Verleger muß die Unkosten tragen. Das ersters wird in den meisten Fällen nicht möglich sein oder wenigstens zu einem ungünstigen Ergebnis führen. Nehmen wir an, der Dramatiker Meyer habe bereits einige Bücher verlegt; sie sind auch von der Kritik günstig aus genommen worden. Nun läßt er in Lhausen durch Zeitungs- inserate und Plakatanschläge bekannt machen, daß er am 15. November abends 8 Uhr im Saale des Bayerischen Hofes aus seiner neuesten Bühnendichtung einige Akte lesen werde. Die Preise der Plätze betragen 3, 2 und 1 Ist es, wie unser Grotzstadtpublikum ist, möglich, daß der Saal auch nur einigermaßen voll wird? Wer gibt für das Vergnügen, den Herrn Meyer sprechen zu hören, sein Geld aus? Von Glück wird er sagen können, wenn ein literarischer Verein eine Anzahl seiner Mitglieder hineinsendet, damit die Ode im Raum nicht allzu groß und bedrückend ist. Von großem Glück darf Herr Meyer sagen, wenn ihm nach Deckung der Kosten für Saalmiete, Beleuchtung, Beheizung, Insertion, Plakatiecung noch soviel bleibt, daß er bescheiden ein Glas Bier trinken und wieder heimfahren kann — des Beifalls seiner Zuhörer wohl sroh, aber sonst wenig erhoben durch den Verlauf der Dinge. Eine Hoffnung hat er noch: seine Bücher werden nun in Thansen gekauft werden, denn man kennt ihn jetzt dort und beklatschte ihn sogar. Er gehl nach Wochcnfrist zu seinem Verleger und er kundigt sich, wie denn der Absatz seiner Werke nun in Thausen sei. Man stellt fest, daß einer der Barsortimenter 11/10 bestellt habe und 3 Thausener Firmen zusammen 5 Exemplare der Dichtung bar, aus der er vorgelesen I Ich phantasiere hier nicht, sondern der Schilderung liegt ein Erlebnis zu grunde. Nehmen wir an, der Herr Meyer habe Pech gehabt, trotzdem ec ein Schriftsteller von Ruf ist. Was wäre aber gewonnen, wenn der Saal voll, wenn jeder der 500 Besucher sein Drama zu 3 gekauft hätte? Die Ausgaben für den Vortrag, mit allem, was drum und dran hängt, beliefen sich aus nahezu 400 ^O! — Und dann: Herr Meyer zahlt die Unkosten, sein Verleger verdient! Kann das sein? Wird aber der Verleger die 400 bezahlen können? Ein alänzendes Ergebnis wäre es, wenn infolge einer solchen Veranstaltung jeder fünfte Mann eins der Bücher Meyers gekauft hätte, wenn also 100 Exemplare abgesetzt wären! Wie würden da aber erst Auslagen und Ergebnis sich gegenllberstchen! Günstiger, in materieller Beziehung, gestaltet sich ein derartiges Unternehmen, wenn der Autor von einem Ver eine eingeladen wird, dort zu lesen. In diesem Falle fallen die Kosten für Miete diesem zur Last; es wird die Vereins leitung auch das mögliche tun, alle Interessenten des Ortes an diesem Abend zu versammeln. Die Veranstaltung be kommt einen intimeren Charakter und der oder die Buch händler des Ortes können schmunzelnd eine ganze Anzahl von Meyers Büchern absetzen. Wo eine solche Grundlage für Vortragsabende geboten ist, sind sie selbstverständlich im Interesse des Sortiments, des Verlegers und des Autors nur zu empfehlen. Mit Aussicht auf ein günstiges Resultat, aber auch dann noch eher sllr Klein- und Mittelstädte als für Großstädte. Nun möchte ich noch darauf Hinweisen, daß es für weitsichtige Verleger — vorausgesetzt, daß sie über hoffnungs volle Autoren verfügen — immerhin keine allzu wüste Spekulation ist, wenn sie diese aus wohldurchdachter Marsch, route auf Vortragsreisen schicken. Wenn sich die Hoffnung bewährt, daß der fragliche Autor sich zum Modeschriftsteller durchliest, kommen die Zinsen des Anlagekapitals und schließ lich dies selbst reichlich wieder heraus. Eine andere Frage ist, ob sich ein derartiges »Machen» eines Namens vor der Zukunft verantworten läßt, da die Gefahr dabei besteht, daß Melsing für Gold gehalten wird und schwache Menschen, wie es die meisten sind, noch etwas mehr von ihrer eigenen Urteilsfähigkeit verlieren. Was dann davon übrig bleibt, wird allerdings kaum mehr meß bar sein. Nirgends ist ja so schon die kritiklose Nachbeterci größer als in künstlerisch-literarischen Dingen. Doch das ge hört ja eigentlich nicht hierher; wir haben vom »materiellen» Vorteil zu sprechen. Ob nach dem bereits Gesagten der Sortimenter in der Frage der Vortragsabende etwas tun kann? Ich denke, nur dann, wenn er es versteht, die Spesen auf andere abzuwälzen. Ob dies der Autor selbst ist oder eine Vereinigung, wird für ihn einerlei sein; die Hauptsache bleibt für den Sortimenter, daß er eine Anzahl Bücher mehr verkauft, — je mehr, desto besser. Von einem Autor, der sich in Amerika Ruhm und goldene Berge versprach, hier ein kleines Geschichichen. Der Autor war ein sehr teurer Autor; er schrieb glänzend. So wie er schrieb, wollte er auch leben. Dazu mußte ihm sein Verleger helfen; der tat's, denn ec war ein guter Mann. Er konnte also nicht nein sagen, als der teure Autor das Amerikaficber bekam, und da es schon nicht mehr darauf ankam, pumpte er dem preziösen Autor auch noch ein paar weitere Stangen Goldes. Der schwamm nun in Glück und nach Amerika. Drüben hielt er da und dort seine Vorlesungen ans seinen schönen Büchern; man streute ihm Weihrauch und schöne Frauen liebten ihn. Der kostbare Autor schwamm in eitel Wonne und schweren Herzens wieder über den großen Teich zurück. Da besuchte er den guten Verleger und erzählte gar viel von seinen Fahrten und dem glänzenden Ruhm, den er geerntet. Der gute Ver leger aber wartet noch heute auf die goldenen Stangen, die er dem teuren Autor geborgt hat; er wartet auch noch auf die amerikanischen Dollars, mit denen man ihm die schönen Bücher des teuren Autors abkaufen soll. Friemar. I4SZ»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder