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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.10.1907
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 11.10.1907
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- Deutsch
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10430 Börsenblatt s. d. Dlschn. Buchhandel, Nichtamtlicher Teil. ^ 238, 11. Oktober 1907. Literatur und Kunst auf fünfzig Jahre.«*) — Obgleich sie,5 die Schriftsteller, ganz gut wüßten, daß eine ewige Schutz-j frist undenkbar sei, so müßten sie sich doch fragen, ob es recht und billig sei, daß das geistige Eigentumsrecht fünfzig Jahre nach dem Tode des Verfassers erlösche und daß von diesem Zeitpunkt an jeder Beliebige, außer den Erben des Autors selbst, Nutzen von seinen Werken und seiner Arbeit habe, und deshalb schlügen sie vor, daß nach Ablauf der fünfzigjährigen Schutzfrist eine Steuer von 10 Prozent zugunsten der Staatskasse für den Nachdruck freigewordener Werke erhoben werde. Schon die Kommission, die im Jahre 1863 über das heute geltende Gesetz beriet, hätte diesen Punkt — jedoch nur eine Steuer von 5 Prozent — ins Auge gefaßt; indessen sei dieser Vorschlag damals abgelehnt worden und es somit bei der fünfzigjährigen Schutzfrist verblieben. Natürlich wollen die Schriftsteller fünfzig Jahre nach ihrem Tode nicht etwa den Staat be reichern, sondern sie erwarten, daß der Ertrag dieser Steuer den Erfolglosen unter ihnen in Gestalt von Renten oder Pen sionen, oder ihren Kindern und Nachkommen in irgend einer Weise zu gute kommen solle, und der Bericht des Ministers ver heimlicht sich die Schwierigkeiten, die ein derartiges Gesetz im Gefolge haben würde, durchaus nicht. Selbstverständlich dürften sich die Arbeiten und Beratungen der Konferenz nur auf Vorschläge beschränken, ohne am bestehenden Gesetz irgend etwas zu ändern; die Mitglieder der Kommission seien sich bewußt, daß, so groß ihre eignen Rechte und Ansprüche auch sein mögen, sie diese immerhin dem Recht der Allgemeinheit unterordnen müßten, die beanspruchen dürfe, über die Werke ihrer Klassiker von einem gewissen Zeitpunkt an frei zu ver fügen, und die die Möglichkeit haben müßte, diese Werke in guten und billigen Ausgaben erwerben zu können. Der Minister halte es für seine Pflicht, diesen einstimmigen Wunsch der Schriftstellerwelt zu befürworten, — die Verleger werden mit gar keinem Worte erwähnt, — und mit der Bitte, der Präsident möge das Dekret für die Ernennung der oben erwähnten Kommission unterzeichnen, schließt der Bericht. Wie und in welcher Art diese Steuer zu erheben sei, hat sich der Vater dieses in mehr als einer Hinsicht sonderbaren Gedankens, der Deputierte Herr Ajam, schon ausgedacht und folgende Fassung des Gesetzentwurfs vor geschlagen: Artikel 1. Vom 1. Januar 1908 an unterliegen neue Ausgaben von Werken, die nach dem Gesetz vom 14. Juli 1866 frei geworden sind, einer Steuer von 10 Prozent vom Preise des bro schierten Werkes zu Gunsten der Staatskasse. Artikel 2. Der Einzug der Steuer geschieht durch eine Stempelmarke auf dem Umschlag des betreffen den Werkes. Artikel 3. Vorbehaltlich gegenteiliger Abmachungen auf diplomatischem Wege sind auch Übersetzungen von Werken ausländischer Autoren steuer pflichtig. Artikel 4. Übertretungen der vorstehenden Bestimmungen werden nach den im Stempelgesetz vorgesehenen Strafen geahndet. Auf dem Papier steht das alles ganz schön und harmlos aus; aber wie Herr Ajam, von dem uns unbekannt ist, ob er Fachkenntnisse hat oder nicht — offenbar hat er keine - sich die Ausführung seines Plans in der Praxis gedacht hat, ist uns völlig unbegreiflich. Ob er sich wohl überlegt hat, welche Unsumme von Widerwärtigkeiten sein Entwurf, wenn er zum Gesetz wird, für den Verleger im Gefolge hat? Und *) Die Schutzfrist betrug im Jahre 1793 zehn, 1810 zwanzig, 1854 dreißig Jahre. in welchen Art soll denn die Steuer erhoben werden? Am einfachsten wäre es ja, die ganze Auflage, sobald sie die Presse verläßt, zu stempeln, und daun könnte man, damit keine Unterschlagungen Vorkommen, gleich einen Beamten des Fiskus in jedem größeren Verlagshause dauernd ein quartieren. Und was soll dann aus den unverkauften Exemplaren, aus den Remittenden und etwaigen defekten Büchern werden? Ob der Staat dann den zu viel er hobenen Betrag wieder zurückzahlt, und ob er mit der Rückzahlung dann wohl ebenso prompt ist wie mit dem Einziehen? Welcher Verleger würde sich dann auch uoch an die Übersetzung eines ausländischen Dichters wagen? Nach dem Text des Entwurfs könnte es einem geschehen, daß das Nachdrucksrecht von Schillers Werken mehr kosten würde, als z. B. das Über setzungsrecht für einen neuen Roman von Sudermann. Für den Schiller würde die Gebühr 10 Prozent vom Ladenpreis betragen, für Sudermanns neuen Roman eine von Verleger zu Verleger zu vereinbarende Summe für das Übersetzungs recht, bis dann 50 Jahre nach Sudermanns Tode auch von diesem Werk nachträglich noch 10 Prozent erhoben werden müßten. Und wer soll denn diese im Grunde unglaublich hohe Steuer bezahlen? Der Verleger doch sicher nicht, der seine Preise nicht von einem Tag auf den andern erhöhen kann und bei gleichen Verkaufspreisen eine solche Steuer überhaupt gar nicht tragen könnte Der Verleger würde unter der Chikane der kontrollierenden Beamten schon mehr als genug zu leiden haben. Er würde die Steuer auf das Publikum abwälzen, und somit wird genau das eintreten, was die Schriftsteller laut dem Bericht des Kultusministers zu vermeiden wünschten: es wird doch die Allgemeinheit, das breite Volk sein, das in seinem Recht geschädigt wird; denn nach Ablauf von fünfzig Jahren hat das Volk ein Recht darauf, die Werke seiner Klassiker gut und vor allem billig kaufen zu können, ohne dabei indirekt erfolglosen Schriftstellern Pensionen und Gnadengehälter be zahlen zu müssen, — natürlich nur den Erfolglosen, denn die Erfolgreichen sind in der Lage, darauf verzichten zu können. Wie hoch gerade in Frankreich die Autoren honoriert sind, davon weiß jeder Verleger ein Lied zu singen. Auch nach einer andern Seite hin ließe sich über die Höhe der Steuer noch ein Wort reden. Rechnen wir einmal: die Steuer soll 10 Prozent vom Preise des broschierten Exemplars betragen, bei einem Roman von 3 Frcs. 50 Cts. also 35 Cts., oder bei einer Auflage von 2000 Exemplaren 700 Frcs. Das ist bei heutigen Verhältnissen zwar kein hohes, aber doch ein ganz anständiges Honorar, das wohl mancher Schriftsteller mit Dank annehmen würde, und wer weiß, wie viele von denen, deren Werke jetzt mit dieser Steuer belegt werden sollen, froh gewesen wären wenn sie zu ihren Lebzeiten Honorare in dieser Höhe hätten beziehen können. Im Anschluß hieran rechne man aus, was z. B. die Gebühr für eine komplette Voltaire-Ausgabe in einer Auflage von bloß 1000 Exemplaren betragen würde, ganz abgesehen von dem unglaublichen Gedanken, heute, im zwanzigsten Jahrhundert, Cicero, Homer oder Martin Luther besteuern zu wollen; denn wenn der Entwurf des Herrn Ajam zum Gesetz wird, dann wären auch ihre Werke steuer pflichtig. Es ließe sich noch hunderterlei gegen den drohenden Gesetzentwurf anführen, dafür eigentlich nur die vou ihrem Standpunkt aus allerdings verständliche Sehnsucht der Schriftsteller nach einem ruhigen Leben, nach einer sichern Pension und die fast lächerliche Angst, die sie vor der Konkurrenz ihrer toten Kollegen haben. Am sonderbarsten ist es, daß die französische Verleger-
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