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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Strukturtyp
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- Band
- 1907-04-24
- Erscheinungsdatum
- 24.04.1907
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- Deutsch
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4228 Dörlkiiblatl f. d. Dllchn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 94. 24. April 1907. gelesen zu werden; die Schriften jedoch, die uns Dreßler in den Titeln, Kapitel-Uberschriften und Schlußstlicken bietet, sind weder zweckmäßig noch schön. Wirkliche Schönheit gründet sich immer auf Folgerichtigkeit, also auf Gesetzmäßigkeit; Willkür ist keineswegs identisch mit künstlerischer Freiheit. Und das ist Willkür, wenn ohne jede Veranlassung zwei Buchstaben eines Wortes inein andergeschachtelt werden, wie es in diesen Schristzeichen oft genug geschehen ist, aus einem U ein ck gemacht wird rc. Auch die »Moderne« wird sich wohl oder Übel bequemen müssen, den Forderungen der Nutzbarkeit Rechnung zu tragen, denn mit dem bloßen Andersmachenwollen ist nichts geschehen; dabei kommen wir nicht vorwärts, sondern weit eher auf eine schiefe Ebene, auf der kein Halten ist. Ernst Kiesling. Verbot ausländischer Lehrbücher in Ungarn. In Ungarn hat das Kultusministerium das Verbot der Benutzung ausländischer Lehrbücher in den Schulen aus gesprochen. Wie wir aus dem rein deutschen Siebenbürgen erfahren, sind unter «ausländischen- Lehrbüchern auch solche verstanden, die aus Österreich oder Deutschland kommen. Die in Hermannstadt erscheinenden -Kirchlichen Blätter- be merken dazu in ihrer Nr. 49 vom 3. April d. I. folgendes: (Red.) Das Kultusministerium hat das Landeskonsistorium mit einem wenig erfreulichen Ostergeschenk bedacht, indem es in einem Erlaß ausgesprochen hat, daß vom nächsten Schuljahr angefangen an dem Seminar in Hermannstadt und an der Lehrerinnenbildungs anstalt in Schäßburg keine Lehrbücher gebraucht werden dürften, die im Ausland gedruckt worden sind. Bekanntlich enthält der Gesetzentwurf, der jetzt dem Reichstag vorliegt, diese Bestimmung: aber die ministerielle Beiordnung nimmt sie schon vorweg und dekretiert den Ausschluß ausländischer Lehrbücher, ohne eine gesetzliche Grundlage hierfür zu haben. Und das ist das erste, was wir hiergegen einwenden. Es gibt im Augenblick kein Gesetz, das dem Ministerium das Recht gibt, irgend ein Buch in einer konfessionellen Schule zu verbieten einfach darum, weil es nicht in Ungarn gedruckt worden istl In einem Rechtsstaat wäre damit die Sache entschieden. Aber abgesehen von dieser formalen Gesetzwidrigkeit — was bezweckt das Verbot und was für Folgen muß es haben? Bei der schutzzöllncrischen Strömung in Ungarn ist es nicht ausgeschlossen, daß auch ein kleines volkswirtschaftliches Moment mitspielt: es soll die Konkurrenz für die heimische Literatur ein geschränkt werden. Wenn wir die Wahl haben zwischen dem guten ausländischen Buch und dem gleich guten einheimischen, dann wird sicher niemand auch von uns nach dem Fremden greifen. Also wenn die Verordnung lautete: es werden die ausländischen Bücher dort verboten, wo genügend einheimische zu haben sind, so könnte man sich damit abfinden, obwohl auch da Schikanen nicht ausgeschlossen wären. Aber keinesfalls ist diese Seite die Hauptsache bei dem Verbot. Der Zweck kann kein andrer sein, als die Beziehungen zwischen uns und dem deutschen Geistesleben einzuengen, abzuschnüren, zuletzt zu ertöten. Das geht nun wieder in erster Reihe gegen die gesetzlich fest gestellte und geschützte Autonomie der Kirche. Die Lehrbücher zu bestimmen, steht für ihre Schulen ihr zu, und es ist einer der schwersten Eingriffe in jene, ihr dieses Recht einzuschränken. Aber auch hier soll nicht der formale Gesichtspunkt die Hauptsache sein, sondern die Sache selbst. Mit was für einem Recht will der Staat die Kulturzusammenhänge seiner Bürger, sofern sie sich über seine eignen Grenzen hinausdehnen, einengen? Ein derartiges, kulturfeindliches Recht des Staates gibt es nicht. Wir erlauben uns hier die Gegenfrage: was würden die Magyaren sagen, wenn man ihren Stammesgenossen in Galizien und Ru mänien alle nicht dort gedruckten magyarischen Bücher aus der Schule verbieten wollte? Die Magyaren in Ungarn sind freilich wieder einmal in einer ganz besondern Lage. Sie haben von außen keine Bücher zu erwarten, sie träfe ein solches Verbot nicht, denn außerhalb Ungarns erscheint sicher kein einziges magyarisches Schulbuch. Wir aber sind gerade in der entgegengesetzten Lage. Deutsche Schulbücher, für deutsche Schulen in deutscher Sprache geschriebene Schulbücher, sind in Ungarn nicht viel brauchbare erschienen, und nun gar die Seminarbücher beschränken sich auf die, die wir uns geschrieben haben, aus dem einfachen Grund, weil es keine andern deutschen Lehrerbildungsanstalten in Ungarn gibt als unsre! Daß man die heimische Geschichte nur aus heimischen Lehr büchern lerne, das läßt sich verteidigen; aber warum die Mathe matik von Ambros und Kopetzky, die in Wien erschienen ist, oder eine Chemie und Naturgeschichte mit irgend einem deutschen Verlagsort schädlich sein soll, das ist bisher nicht bewiesen worden. Wenn man uns es auch zumutete, solche Bücher für unfern Bedarf selbst zu schreiben — an sich ein Luxus —, so findet sich kein Verleger, der bei einem Absatz von 1—2 Dutzend im Jahr ein solches Buch druckte. Die Folge jenes Verbots ist also eine neue schwere Schädigung unsrer Lehrerbildung! Nun ist gewiß die Absicht des Verbots nicht direkt die Schädigung unsrer Seminarien, sondern — wenn wir recht sehen — wird damit das Ziel verfolgt, einen bestimmten Geist — man pflegt ihn den patriotischen zu nennen — in der Schule zu er ziehen. Der verhängnisvolle Zirkel, in dem sich diese Gedanken gänge bewegen, ist: die Schule soll einen bestimmten patriotischen Geist erziehen, dieser ist vor allem auch aus dem Lehrbuch ein zutrichtern, das ausländische Lehrbuch ist dazu untauglich — folg lich fort mit ihm! Jeder Satz ist falsch. Zu wirklicher Vaterlandsliebe soll jede Schule erziehen. Aber das, was heute in Ungarn von den Schulen verlangt wird, ist ein Zerrbild der rechten Vaterlandsliebe. Dabei sollte doch auch das nicht übersehen werden: wie erzieht das Haus zur Eltern liebe? Doch wirklich nicht dadurch, daß täglich von ihr geredet wird, und mit der Erziehung der Schule zur Vaterlandsliebe ist's die gleiche Sache. Haben die jetzigen Machthaber nie daran ge dacht, wie eine erzwungene politische Anschauung — denn darauf geht der jetzige »Patriotismus- aus — stets in ihr Gegenteil umschlägt? Noch unbegreiflicher ist die andre Anschauung, daß das Lehrbuch zur Erziehung eines bestimmten Geistes wesentlich beitrage. Wenn der Lehrer das Gegenteil will, dann helfen alle Lehrbücher nichts. Und glaubt man denn wirklich, irgend eine Macht der Welt könnte den Lehrer an den Geist eines Lehrbuchs binden, der dem seinen nicht entspricht? Die Versuche, den Lehrer innerlich nach allen Seiten zu knebeln, die Schule zu einem Polizeiorgan zu machen, die ihrem Wesen nach berufen ist, die Geistesschwingen frei zu machen, können keinen andern Erfolg haben, als daß sie die Schule zu grunde richten und ein Geschlecht erziehen, das, wenn auch nichts andres, sicher — heucheln lernt. Ob das dem Staat zugute kommt, das wird die Zukunft bitter lehren. Man sagt immer, die Geschichte sei da, um aus ihr zu lernen. Die Magyaren haben ähnliche Zeiten, wie sie sie jetzt den Natio nalitäten bereiten, auch schon erlebt. Der Absolutismus der fünfziger Jahre hat es versucht, ihre Schulen zu germanisieren und ihnen Lehrmittel aufzuzwingen, die sie nicht brauchten. Und die Folge war daS Geschlecht, das 1867 und was sich daran schloß erreichte — sicher das genaue Gegenteil dessen, was die Machthaber des Absolutismus planten. Solche Versuche sind stets erfolglos. Und so wird's nnt dem vorliegenden Verbot sein. Man kann deutschländische Bücher in den Schulen verbieten; aber es ist unmöglich, den Kultur zusammenhang gleicher Volksstämme und der Völker über haupt künstlich zu zerstören. Was die Schule versäumt, wird um so energischer das Leben nachholen. Jede Schädigung unserS Zusammenhangs aber mit der deutschen Kulturwelt schädigt unsre Bildung, jede Schädigung unsrer Bildung aber macht uns weniger widerstandsfähig gegen all die zersetzenden Kräfte der Gegenwart, und an unsre Stelle tritt hier — nicht der Magyare. So wird, was wir als kulturfeindlich empfinden, direkt zugleich staatsfeindlich, und es mag überraschend klingen, die Wahrheit läßt sich nicht bestreiten: es ist nicht zum erstenmal, daß die ungarische Schulpolitik, indem sie einen Streich gegen die Natio nalitäten führt, den ungarischen Staat trifft.
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