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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.04.1905
- Strukturtyp
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- Band
- 1905-04-11
- Erscheinungsdatum
- 11.04.1905
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- Deutsch
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F 84, 11. April 1905. Nichtamtlicher Teil. 3L01 Verbreitung bestimmt ist, der Name und Wohnort des Ver legers oder — beim Selbstvertriebe der Druckschrift — des Verfassers oder Herausgebers genannt sein. An Stelle des Namens des Druckers und Verlegers genügt die Angabe der in das Handelsregister eingetragenen Firma « Diese Bestimmung bezieht sich nach Z 2 Pr.G. auf alle, »durch mechanische oder chemische Mittel bewirkten, zur Ver breitung bestimmten Vervielfältigungen von Schriften und bildlichen Darstellungen mit oder ohne Schrift und von Musikalien mit Text oder Erläuterungen«, und ihre Über tretung verjährt, da sie nach Z 18 Pr.G nur mit der Strafe der Übertretungen (150 ^ oder Haft) geahndet wird, nach AZ 1 und 67 StGB, in drei Monaten. 2. Die Rechtsprechung hat sich folgendermaßen ent wickelt: a) im allgemeinen ist nach den Entscheidungen des Reichsgerichts dasjenige als unzüchtig anzusehen, was das Scham- und Sittlichkeitsgefiihl in geschlecht licher Beziehung verletzt, ohne daß diese Verletzung eine gröbliche zu sein braucht (Urteil v. 16. Febr. 1881, Entsch. Bd. 4 S. 87, v. 18. Dez. 1883 Bd. 8 S. 128, ». 15. Januar 18SI Bd. 21 S. 306, v. 24. Nov. 1898 Bd. 32 S. 418). Nach den von Delius-Oppenhofs, Strafgesetzbuch, 14. Auflage S. 443) mitgeteilten Entscheidungen kommt es dabei wesentlich auf den Zweck der Herstellung der Schrift, die Art von deren Verwendung, insbesondere auch darauf au, für welches Publikum sie berechnet ist Einige Urteile mögen besonders hervorgehoben werden. b) Das Urteil vom 22. März 1895 lEutsch. Bd 27 S. 114) sagt, daß bei Darstellungen über den Beginn der männlichen und weiblichen Zcugungsfähigkeit, den Vorgang der Zeugung, die Mittel zur Verhinderung der Befruchtung, das Recht der Menschen auf geschlechtliche Befriedigung, die nachteiligen Folgen der Nichtbefriedigung, sowie der zn häufigen Befriedigung des Geschlechtsbetriebes in einer Zeitung (K.'er Volkszeitung), die in den Wirtshäusern auf gelegt, in den Familien, mithin auch von Frauen und halb erwachsenen Personen beiderlei Geschlechts gelesen werden kann, nicht mit den Anschauungen begrenzter wissenschaftlicher Kreise, die sich belehren wollen, zu rechnen ist, sondern mit den im Volk allgemein bestehenden Begriffen von Scham, Sitte und Anstand, und daß solche deshalb als unzüchtig anzusehen sind. o) Nach dem Urteil vom 1V. Dezember 1837 (Entsch. Bd. 30 S. 378) ist die Wirkung künstlerischer Darstellungen verschieden von solchen, die des künstlerischen Interesses ent behren; es handelte sich dabei um die Wiedergabe photographi scher Aufnahmen bekannter weiblicher Personen, der Fürstin CH., der Rita D. und der Susanne D. in verschiedenen Stellungen und Bekleidungen. Ergänzt wird diese Entscheidung durch das Urteil vom 20. September 1888 (Entsch. Bd. 31 S. 260), wo es sich um die Illustrationen zu Jakob Casanovas Memoiren handelte und wo ausgesprochen wurde, daß bild liche Darstellungen, um als unzüchtig angesehen werden zu können, allerdings geeignet sein müssen, in geschlechtlicher Beziehung das Scham- und Sittlichkeitsgefiihl zu ver letzen; dieser Erfolg kann aber auch durch Abbildungen erreicht werden, die eine geschlechtliche Beziehung haben und durch die Art und den Gegenstand ihrer Darstellung in dem normalen Beschauer Widerwillen oder Abscheu, keineswegs geschlechtliche Lüsternheit erregen; sie brauchen auch nicht zu dem Zwecke dargestellt zu sein, um geschlechtliche Lüsternheit zu erregen. — Die Beantwortung der Frage, ob Illustra tionen zu einem Text unzüchtig sind oder nicht, hängt davon ab, wie sic auf den Beschauer, der zugleich Leser des Textes ist, wirken. Der Revision des Staatsanwalts zufolge wurde da her das freisprechcnde Urteil erster Instanz aufgehoben. — Weiter ist hierher das Urteil vom 7./I8. Dez. 1898 (Entsch. Bd. 33 S. 17) zu rechnen, demzufolge es nicht für den Begriff einer als unzüchtig anzusehenden Abbildung darauf ankomme, daß durch sie nicht »bei einem erwachsenen Normalmenschen das Scham- und Sittlichkeitsgefühl verletzt wird«, weil bei einer solchen Auffassung ja gerade der Zweck, die Untergrabung des Siltlichkeitsgefühls bei der Jugend zu verhüten, vereitelt wird. Nicht darauf kommt es an, ob die Abbildungen ge eignet sind, eine bestimmte Klasse des sie beschauenden Publikums durch die Beschauung in ihrem Sittlichkeitsgefühl zu verletzen oder zu geschlechtlicher Lüsternheit zu erregen, sondern darauf, ob auf das Publikum, auf die Beschauer im all gemeinen, gleichviel welcher individuellen Kategorie sie ange hören, die bezeichnte Wirkung heroorgerufen werden kann. Für die Beantwortung dieser Frage sind aber nicht bloß die äußere Gestaltung und der Inhalt der Abbildungen entscheidend, sondern ebenso sehr die sonstigen Umstände, unter denen die Ausstellung erfolgt, insbesondere der Ort, ihr Zweck, die Art der Verwendung und der Kreis der Personen, der die Ausstellung zugänglich gemacht ist. (Es handelte sich um eine jedermann gegen Entgelt zugängliche Ausstellung von Photographien, Kallvskopcn, in einem Teil Darstellungen des Weibes allein, im andern des Weibes mit dem Mann.) — Hier reiht sich das Urteil vom 21. April 1902 (Entsch. Bd 85 S. 131) ergänzend an, inhaltlich dessen der objektive Inhalt unzüchtiger Darstellungen nicht nur in dem zu finden ist, was sie zur unmittelbaren Anschauung bringen, sondern in dem, was sie für jeden normal entwickelten Beschauer erkennbar in schamloser Weise zum Ausdruck bringen. Es handelte sich dabei um zwei Karten einer Serie, betitelt: die Hochzeitsreise Die eine zeigt einen Mann, der Rock und Weste abgelegt hat und einem jungen Weibe, das nur noch mit eineni vom sichtbareu Busen bereits herab geglittenen Hemd bekleidet ist, dessen Schulterbänder löst. Auf der andern Karte sieht inan das Innere eines Zimmers, in dem ein Nachttisch mit zwei Gläsern und brennender Kerze, verschiedene auf Stuhl und Erde unordentlich hin- gcworfene Kleidungsstücke, insbesondere ein Fraucnhemd, Frauenstrümpse, ein Paar Frauenschuhe und ein Paar Männer stiefel sich befinden. - Praktische Anwendung fanden die hier ausgesprochenen Gründe hierzu in zwei, soviel bekannt, bisher nicht ubgedrncktcn, nach Hildesheim ergangenen Entscheidnngen des Reichsgerichts vom 24 September 1900 und vom 15. Dezember 1902. Die erste betrifft Zolas Frauen gestalten. Diese geben, wie vom ersten Richter festgestellt wor den ist, in einer nach Form und Inhalt nicht künstlerischen, ja nieist recht nüchternen Erzählung angeblich Situationen aus Zolas Werken in kurzer Beschreibung wieder. In dem Text spielt das Geschlechtsleben mehrfach eine Hauptrolle, ver führerische Situationen werden mit Vorliebe geschildert, die Texte werden von Bildern begleitet, die, ohne daß dies durch den Text geboten wäre, mehr oder weniger nackte Frauen gestalten zum Teil mit gesucht sinnlichem Ausdruck wieder geben. Gerade diese Bilder verletzen zum Teil in gröb lichster Weise das Schamgefühl und verfolgen damit geradezu den Zweck, sinnliche Reize zu erwecken, und eben diesen Zweck haben die Texte, die durch diese Bilder illustriert werden. Das Reichsgericht fand diese Druckschrift objektiv geeignet, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Be ziehung zum Teil auf das gröblichste zu verletzen. — Im andern Falle handelte es sich um die Ausstellung sehr an stößiger Stercoskopenbilder im Schaufenster eines Brillen- händlers. Das Reichsgericht sprach aus: »Der Vorderrichter war berechtigt, aus Grund eigner Sachkunde festzustellen, daß die Bilder nach Art ihrer Darstellung künstlerischen oder wissenschaftlichen Zwecken nicht dienen, vielmehr geradehin Lüsternheit erwecken sollten Unter diesen Umständen konnte Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 7L. Jahrgang. 462
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