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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.05.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-05-15
- Erscheinungsdatum
- 15.05.1911
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19110515
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191105157
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1911
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111, 15. Mai 1SI1. Nichtamtlicher Teil. Börsenblau f. b. DIschn. Buchhandel. 5917 Anachronismen und Anomalien ein Ende zu machen und dem Urheberrecht ein zeitgemäßes gesetzliches Kleid zu geben. Ein solches Reichsgesetz wird auch die beste Werbekrast be sitzen, um separatistischen Tendenzen der Kolonien ohne Druck, nur durch die Macht der guten Sachs, wirlsam zu begegnen. Zm Buchladen?) Nach den Ferien hat der Unterricht in den Schulen eben begonnen. Ich sitze bei meinem Jugendfreunde, dem Buch händler. Sein gesamtes Personal besteht aus ihm selbst und einem Laufjungen. Eigentlich ist er Dolksschullehrer. Nur durch eine Erbschaft ist er zum Sortimenter und Antiquar, zum Leihbibliothekar. Musikinstrument- und Schreibwaren händler geworden. Das Schulmeisterwesen hat er aber in sein Geschäft mit herübergenommen. Und das ist schlimm, wie wir gleich sehen werden. Mein Freund hat alle Hände voll zu tun, denn eben ist frische Ware angelangt; da muß nachgezählt, ge prüft, bezahlt werden. Dazwischen sind Käufer zu bedienen und Anfragen zu beantworten. > Bitte, die Universalbiblio- thek von Kitt!« — »Was?« — »Herder sein Kitt in Rcclam- scher Ausführung.» — »Sie meinen den Ssid?« — »Ich wollte sagen; Eid. Er steht im Fenster.« — »Aus gelegt ist Herders Cid.« — Kopfschüttelnd entfernt sich der Junge. — Zugleich und kurz hintereinander kom men verschiedene Gören, die schnell abgefertigt werden. Der will »ein Buch, wo die Bücher drinstehen«, der »Papiersoldaten von beiden Seiten», der »eine kleine Erde«, der »blaue indianische Tusche zum Tättowieren«, der einen Farbstift, »das eine Ende grün, das andere gelb, aber nicht teurer als S Kop.«. Die fordert die Kernlieder, »aber für höhere Töchterschulen«, die — »einen antiquadrischen Abriß der Gonometrie«. -Das Werk von Jehte in der üblichen Ausgabe, aber im billigsten Format,« heischt eine herbe Jungfrau. — »Wenn Sie Goethes Werke meinen, so gibts davon viele Ausgaben zu verschiedenen Preisen. Die wohlfeilste ist die der Deutschen Verlagsgesellschaft. Außerdem sind gangbar Cotta, Hesse, Hendel, Jnselverlag —.» »Da werd' ich lieber noch Nachfragen. Geben Sie mir jetzt ,Die hundert Knall erbsen oder Du sollst und mußt lachen'!« — »Führe ich nicht.« »Haben Sie vielleicht Studierbücher?« fragt ein Herr. (Er trägt eine .goldene' Uhrkette, fünf Fingerreifs und ein Armband; nur der Nasenring fehlt.) — »Lehrbücher?« — -Nu ja doch, woraus man lernen tut.» — »Hab' ich. Was solls sein?« Der Käufer zieht einen Zettel aus der Tasche und liest: »Konversallexikon.« — »Das Kürschnersche Ilni- versal-Konversations-Lexikon?« — -Nu ja, wenn Sie's schonn besser wissen wollen!« Mein Freund bringt es: »Neu drei Rubel.« — »Wieso?« »Rubelachtzig hat man mir gesagt.« — »So viel kostet die frühere Auflage. Diese kostet fünf Mark.« — -Und für Rubel achtzig haben Sie nicht? Atcheh!« Jetzt hüpst ein junges Persönchen mit verruscheltem Haar, »Trakelfäden« an Brust und Schultern, in den Laden. »Bitte, schnell die erwachsene Modenwelt«, wo das kurze Jäckchen abgebildet ist.« — »Die .Große Modenwelt'. Welcher Jahrgang? Welche Nummer?« — Aber Jungherr, woher soll ich das wissen?» lacht die Kleine: »Ihr sitzt hier tagaus, tagein in Eurer Bude und wißt nicht, was Ihr ') Mit freundlich erteilter Erlaubnis des Verfassers dem soeben erschienenen Merkchen »Geschautes und Erlauschtes. Allerhand Rigisches aus der Spottvogelperspeltive« von Otwart Lapsa (Hansa-Verlag, Riga; I 2V H ord.) entnommen. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 78. Jahrgang. verkauft. Es wird so drei Monate her sein, daß meine Gnädige es gesehn hat, vielleicht auch sechs«. Mein Freund verzieht die Lippen, bringt einen Packen Modenblätter und legt ihn vor der Kleinen hin. Nach langem Suchen findet sie das Richtige: ein Heft der »Wiener Mode« vom ver gangenen Jahr. »Uech mechte neuöre poötllsche Jedichte in Värsen«, flötet ein Backfisch. — »Von wem?« — »Von eunöm wölt- berihmten Düchtär. Den Namen Hab' ich värjessen — — »Neuere? Falke, Dehmel, Spitteler, Bierbaum, Liliencron?» — »Näi—in-- -Jst's eine Sammlung? Kennen Sie den Inhalt?» — »Da sint drin Nike Rikchen Rikake, da is mir nich pipape un Kang Karline, so ungefähr 9999 Liedär. Kostet K Kopöken.« — »Aber, liebes Kind, das ist doch von keinem weltberühmten Dichter. Das ist fürchterlicher Schund. Nehmen Sie doch hier Gedichte der Reclamschen Ausgabe — Goethe, Schiller, Heine, Geibel — gediegen und preiswert.« »Neun, diese sollen bössär seun.« Wieder Episoden. Eine Jemand verlangt einen Tinten stift -zum Wäschemerken, in Schwarz, aber Schrift darf nicht ausfließen«, ein Jemand will die Noten »Hoirah, Hoirah« für Mandoline und bekommt sie nicht. Ein Fräu lein verlangt hintereinander die »Kriminalzeitung«, das »Kleine Witzblatt» und den -Sekt». — -Halt' ich nicht mehr.« — »Ja, was halten Sie dann?« — »Vernünftige anständige Sachen, z. B. -Die Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild.« Schnippisches Lachen und Kehrt; mein Freund aber trocknet sich zum soundsovielten Male die Stirn. Eine Leihbibliothekleserin bringt Bücher zurück. »Was kann ich geben?» — »Johann Karasek.« — »Nicht da.« — »Nickel List.« — »Auch nicht.« — »Dann Vittore Derosa.» — »Nein.» — »Aber doch Leichtweiß?- — »Ich Hab' alle diese Bücher abgeschafft. Aber darf ich Ihnen vielleicht -die von Keiles« geben, -Wilhelm Meister», »Frau Sorge«, »Die Geschwister«, »Ben Hur- —?, »Fui! sui! Wie sagten Sic? — »Ben Hur. Eine Erzählung aus der Zeit Christi». — »Ach so! Dann haben Sie nichts Inter essantes?» — -Alle diese Werke sind höchst lesenswert.« — »Ja, ja. Nu, da werd' ich wohl wo anders abonnieren müssen.» Ein bezopfter Backfisch mit Latzschürze und Cerevis- käppchen kommt; -Bitte einen Liebesbriefsteller für junge Damen von 14 Jahren.» Mein Freund errötet zornig. »Für dich?» fragt er schroff. Dem Backfisch bleibt ob dieser Achlungsverletzung der Mund offen. -Nein — für meine Freundin.« — »Nun, dann sag' deiner Freundin, daß eure Verehrer noch auf dem Birkenbaum wachsen!« Schmollend rauscht das Mägdlein hinaus. Mein Freund aber stöhnt auf. Jetzt schwebt ein blasser Jüngling mit Zwicker in den Laden: »Ich möchte romanische Bücher.« Zum erstenmal sehe ich meinen Freund devot werden. »Tut mir sehr leid. Die werden Sie wahrscheinlich bei Kymmel aus Lager finden. Wir kleinen Sortimenter haben für solche Spc- zialwerke keine Abnehmer.» Verständnislos blickt ihn der Jüngling an: »Aber Sie haben ja so viele ausgestellt!» — Sie meinen —? — »Nat Pinkerton, Bill Canon, Nick Carter, Pat Conner, Ethel King, Sherl —.» Mein Freund bricht in ein herzzerreißendes Lachen aus, und beinahe will es scheinen, als werde er dem Jüngling an die Gurgel gehen. »Ah, die verrückten, schamlosen Räubergeschichten wollen Sie? Ja, davon habe ich meinen Laden noch nicht säubern können! Wieviel Pfund Blödsinn brauchen Sie? Romanische Bücher! ro—ma—ni—sche—! Hahaha!« — »Bitte sehr!« sagt der Jüngling betreten, -erst muß ich doch aus suchen, was ich noch nicht kenne!« Mein Freund schleppt ganze Stöße gedruckter Taten herbei. Der Jüngling stöbert und blättert, und es ist erstaunlich, wie viele dieser Klassiker 76«
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