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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.12.1924
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- 1924-12-19
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- 19.12.1924
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und Fortschritt des Gemeinwesens ausstrahlt.« Und die Regierung des Staates Iowa erklärt in einem Erlas;: »Ein Gemeinwesen soll sich vergegenwärtigen, das; die öffentliche Bücherei einen Teil unseres groben Erziehungssystems bildet und ebenso wesentlich ist für eine aufstrebende Ortschaft wie die öffentliche Schule.« Es ist aber nun ungemein charakteristisch, wo und wie in Amerika der Staat, oder richtiger gesagt die Staaten, die schon vorhandene, entwicklungsfreudige Büchereibewcgung gesetzlich zu regeln und durch behördliche Einrichtungen zu ergänzen suchen. Von unseren euro päischen Verhältnissen aus ist zunächst verwunderlich, das; die Gesetz gebung nicht damit zu beginnen brauchte, die Gemeinden zur Ein richtung und Dotierung von Büchereien zu veranlassen, sie etwa gar zur Einführung einer besonderen Steuer zu zwingen, sondern das; sie sich darauf beschränken konnte, den Gemeinden zu erlauben, daß sie von ihren allgemeinen Steuereinnahmen einen gewissen be schränkten Satz ausgeben und daß sie überdies Stiftungen für Bücherei zwecke annehmen dürften. Vor allem aber — und das ist für uns Europäer fast noch ver wunderlicher — enthält jedes amerikanische Büchereigesetz der letzten Jahrzehnte Strafbestimmungen. Escher sagt sehr hübsch und treffend: »Wenn man in den alten germanischen Gesetzen die Wichtig keit eines Gliedes des menschlichen Körpers aus der Höhe der Buße folgern kann, die bei Verletzungen dem Täter auferlcgt wurde, so ist aus der Schärfe der amerikanischen Strafbestimmungen auf die Wertschätzung der Büchereien zu schließen; freilich auch darauf, wie notwendi-g es erschien, das Publikum in eine scharfe Zucht zu nehmen. Auf eine Beschädigung von Büchern, und wäre es nur Beifügung von Bleistiftnotizen, wurde z. B. in Massachusetts ursprünglich eine Strafe von 5—-1000 Dollar gesetzt. Zwar wurde das drakonischeMaximum nach 5 Jahren auf 50 Dollar herabgesetzt, neben oder statt der Geldstrafe aber nunmehr auch Haft bis zu 6 Monaten angedroht. 1883 wurde sogar die bloße Nichtbefolgung eines Rückrufes von Büchern nach Ablauf von 30 Tagen als straffällig erklärt und mit Buße bis auf 25 Dollar oder Haft bis auf 6 Monate belegt. Und 2 Jahre später erschien es nötig, auch die absichtliche Störung von Personen, die in öffentlichen Büchereien versammelt sind — das bezieht sich sowohl auf die Besucher der Leseräume als auch auf die Teilnehmer von Versammlungen in den Vortragsräumcn —^ durch Verursachen von Lärm mit Buße bis zu 50 Dollar oder 30 Tagen Hast zu bedrohen.« Besonders wichtig scheint mir aber weiterhin der nachdrückliche Hin weis Eschers darauf, daß diese Bereitschaft des Staates, seine Straf gewalt in den Dienst der Bücherei zu stellen, »die unerläßliche Vor aussetzung sei für die große Vergünstigung des opon aeoes.^ des un gehinderten Zutritts zu den Gestellen«. Die europäischen Vorkämpfer des Freihandsystems werden sich diese Tatsache wohl überlegen müssen, zumal wenn sie hören, daß als weitere Sicherhcitsmaßregcln noch hinzukommen die zivilrechtliche Haftung des Lesers für das Buch (durch Anerkennung der Benutzungsordnung), die in einzelnen Staaten bis zur dreifachen Höhe des Anschaffungswcrtes geht, und hohe täg liche Versäumnisgebühren, bei denen sogar die Sonn- und Feiertage mitgercchnet werden. Zu den gesetzlichen Bestimmungen fügen die Staatsregierungen jedoch auch noch eine konkrete fachmännische Einrichtung, nämlich die sogenannte staatliche »B ü ch e r e i k o m m i s s i o n«. Darunter versteht man in den Vereinigten Staaten ein Gebilde, wie es in Deutschland zwar immer wieder von führenden Büchcrcimänncrn ge fordert, aber vom Staat nie geschaffen wurde, wie es Dänemark jedoch in seinem »Büchercirat« (vergleiche »Blätter für Volks- bibliothcken« 1920, Seite 297 ff.) wohl nach amerikanischem Vorbild, aber ln bodenständig abgewandelter Form durch seiu Büchercigesetz von 1920 verwirklicht hat. Die amerikanische Büchereikommission ist also vor allem Umschlagsstelle für alle bibliothekarischen Erfahrungen in und außerhalb des betreffenden Staates, indem sie büchereitech nisches Material (einschließlich Fachliteratur) sammelt und unter Hin- iveis auf seine Verwendungsmöglichkeit verleiht; indem sie Vorschlags listen für kleinere Büchereien aufstellt, neue Büchereien gründen Hilst und veraltete Büchereien neu ordnet; indem sie Personal nachwcist, Sonderkataloge von Berusslitcratur ausarbcitet und überhaupt jede Bücherei und jede Gemeinde, die sich an sic wendet, mit Rat und Tat (gegebenenfalls auch mit staatlichen Gcldznschllsscn) unterstützt. Außerdem sendet sie eigene Wanderbüchcreicn aus, von denen nachher noch die Rede sein wird, vermittelt den »auswärtigen Leihverkehr«, wie wir in Preußen sagen, also den leihweise,; Bücheraustausch ein zelner Büchereien untereinander, und hält Wiederholungskurse für Biichereipersonal und jährliche Prüfungen von Büchereianwärtcrn ab. Das Ergebnis dieser gesetzlichen Fürsorge ist, daß z. B. der Staat Massachusetts, der zwei Drittel so groß ist wie Pommern, aber doppelt so viel Einwohner hat, schon im Jahre 1919 im ganzen über 414 öffentliche Büchereien (mit Leseräumen) verfügte, von denen 155 auf Gemeinden von 1000—5000 Einwohnern entfielen, 82 auf solche unter 1000 Einwohnern. 293 von diesen Büchereien hatten eigene Ge bäude, die von Privaten gestiftet waren (davon allein 43 von Carne gie), 37 hatten eigene Gebäude aus öffentlichen Mitteln, 59 waren in Gemeindehäusern und nur 6 in gemieteten Räumen untergebracht. Da von diesen, letztgenannten 64 Büchereien auch bereits 53 einen Bausonds anzusammcln begonnen - hatten, ist anzunehmen, daß viele von ihnen inzwischen auch noch in die zweite Gruppe cingerückt siud. Es berührt übrigens den deutschen Leser wunderlich, daß die staat liche Büchereikommission in ihrem trefflichen Merkblatt bzw. »Be- ratungsschriftchen für Stifter und Architekten von Büchereigebälrden« auch davor warnen muß, zu große und prunkvolle Büchereibauten für kleine Orte zu errichten. Mancher nebenamtliche Leiter einer ländlichen Bücherei, der sich mit seinen Büchern und Lesern in einem Klassenzimmer herumdrücken muß, wird hier nicht ohne Bitterkeit fcststcllen, daß unsere Kultusministerien sich solche Sorgen vorerst nicht zu machen brauchen. Was nun noch insbesondere die W a n d e r b ii ch e r e i e n be trifft, so ist bezeichnend, daß in den nordamcrikanischcn Staaten schon früh die Notwendigkeit erkannt wurde, sich nicht auf je eine Landes zentrale zu beschränken, sondern Zwischenzentrcn zu schaffen in Gestalt hauptamtlich geleiteter Vezirkswanderbüchereien, die sowohl geschlossene Wanderbestände als wahlfreie Leihsendungen vergeben. (Vergleiche die dänischen »Zentralbüchereien« und — als Gegenbeispiel — die preußischen Kreiswanderbüchcreien.) Selbstverständlich ist hier der Amerikaner ganz in seinem Element, da die Lösung des Verkehrs problems hierbei eine besonders große Nolle spielt. (Man möge das Nähere bei Escher selbst Nachlesen.) Wie bei dem wahl- verwandten dänischen Büchereiwesen, so offenbart sich auch bei dem amerikanischen eines seiner höchsten Büchereiideale in dem von Pro fessor Steenberg, dem Schöpfer des modernen dänischen Bücherei- wcsens, wiederholt gebrauchten Lcitwort: »Jeder Leser soll an jedem (auch dem entlegensten) Orte ein bestimmtes Buch rasch bekommen können« (wobei er dann das Gefühl hat, das Escher in die treffen den Worte kleidet: »Endlich einmal ein Beweis, daß man nicht ver geblich Steuern zahlt, sondern sie wiederzusehen bekommt!«). Ja, die Forderung geht eigentlich hier noch weiter und lautet: »Jeder Leser soll an jedem Orte eine bestimmte, ihm nützliche Auskunft mit Hilfe von Büchereien rasch bekommen können.« Deshalb auch die überaus starke telephonische und schriftliche Inanspruchnahme der Bücherei durch die Leserschaft. Das Verkehrsproblem empfängt in Amerika (und Dänemark) sein besonderes Gewicht durch das Jn- formationsideal. Und in diesem wiederum verrät sich am deutlichsten der auf das Wort »Wissen ist Macht« gegründete Auf- klärungscharakter des amerikanischen Volksbilöungswesens, von dem wir nachher noch einige besonders anschauliche Merkmale zu betrachten haben werden. Es ist also kein Zufall, wenn wir auch in dem Aufsatz über die Werbemittel der amerikanischen Bücherei (»Wie die amerikanische Public Library die Benutzer an sich zieht«) die rasche und vielseitige Information und ihre sofortige Verwertung als den Inbegriff des amerikanischen Büchereibetriebes in die Erscheinung treten sehen. Als Beispiel dafür, daß die mündliche, telephonische und briefliche Aus kunftstätigkeit der größeren Büchereien, welche meist eigene Aus- kunftsabteilungcn haben, oft an die europäischer Briefkastenonkels grenzt, genügt Eschers Mitteilung, daß an dem Morgen, an dem er die Carnegie Library in Pittsburg besuchte, dort unter anderem folgende Fragen eiugelaufcn waren: »Wie ist der belgische König Albert (der damals die Vereinigten Staaten von Amerika besuchte) verwandt mit seinem Vorgänger Leopold II.? — Können Sie mir die Londoner Adresse von Kipling angebeu? — Welches ist die Bedeutung des Wortes Forum?« Wenn man weiter hört, daß die Antworten auf solche Fragen, »um derentwillen manche Büchereien sogar eigene briefliche Erkundigungen, z. B. in Washington bei den fremden Ge sandtschaften, nicht scheuen, da und dort auf Zetteln notiert und zu einem Handapparat zusammcngcstcllt werden, der beim Eingang künf tiger gleicher oder ähnlicher Fragen gute Dienste leistet«, und wenn man weiter hört, daß Büchereien auf ihrem Werbeblatt unter der Überschrift: »Was die Bücherei leistet« mit der Feststellung prunken: »Sie gibt jährlich auf 7000 telephonische Anfragen Auskunft«, so glaubt man mit den Händen greifen zu können, daß wir es hier mit dem typischen (dem Journalismus nahe verwandten) Aufklärungsideal zu tun haben, das zum mindesten als Übergangswert in jedem männ lichen Einzelleben während der Pubertätsjahre hervortritt: recht viele nützliche Kenntnisse zur Verfügung zu haben, sozusagen sein Konversationslexikon möglichst immer und überall bei der Hand zu haben, oder noch lieber, es selbst zu sein. Das ist die Entwicklungs stufe, auf der sich der junge Mensch »furchtbar freut« über einen Notizkalender, in dem die ausgefallensten statistischen und sonstigen
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