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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.12.1924
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- 1924-12-19
- Erscheinungsdatum
- 19.12.1924
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- Deutsch
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Zunächst berichtet Escher kurz über eine Tagung der Bi bliothekare des Staates New Port in Richfield Springs, mit der er seine Studienreise eröffnen durfte. Die bezeichnenden Ein zelheiten. die er von der gesellschaftlichen Seite dieses Zusammenseins mit den amerikanischen Kollegen und Kolleginnen mitteilt, mus; der Leser in dem Originalbericht Eschers Nachlesen; hier möchte ich nur auf die Geschäftsordnung und auf die Vortragsfolgc kurz eingehen. Was die Geschäftsordnung betrifft, so erscheint mir beson ders interessant, daß die Verhandlungen nicht in Gestalt von Referat und etwa noch Korreferat mit säuberlich davon abgetrcnnter »ord nungsmäßiger« Aussprache sich abspielten; vielmehr gab zu jedem Thema eine größere Zahl von (programmäßigen) Sprechern kurze Meinungsäußerungen ab. die zuweilen von Zurufen der Hörer unter brochen wurden, und bei der Diskussion stand man ohne Wortmel dung auf und sprach, häufig durch Zwischcnreden unterbrochen, ohne daß Unordnung daraus entstand. Und das in einer Versammlung von 25V Menschen, von denen etwa drei Viertel Damen waren! »Die schon auf den Schulen geübte Debattierknnst«, sagt Escher, »be währte sich auch hier. Der Unterbrochene antwortete schlagfertig, und der Präsident sah lächelnd dem Wortgefecht zu und begnügte sich, ab und zu ein Wort in die Diskussion zu werfen und einen leich ten Zügelruck auszuüben«. Aus der V o r t r a g s f o l g e ist wohl am beöenkenswcrtesten das Thema: »Bücherei und A m e r i k a n i s i e r u n g«. Dahinter steckt nämlich das von der öffentlichen Meinung Amerikas in seiner ganzen Tragweite erkannte Problem der sprachlichen Zusammen schweißung der ihrer völkischen Herkunft nach verschiedenen Bevölkerungs teile durch Büchereien. Wenn man hört, daß z. B. in Eleveland drei Viertel der Einwohner entweder selbst cingewandert sind oder Ein- gewandcrte zu Eltern haben und daß in Pittsburg unter den Bewoh nern eines Biichcrcizweigstcllcnbczirkes nicht weniger als 29 lebende Sprachen vertreten sind, so bekommt man einen ungefähren Begriff von der Größe und technischen Schwierigkeit dieser Aufgabe. Aber wcnu man weiter hört, wie die Büchereien, den Prozeß des babyloni schen Turmbaues sozusagen rückläufig in Gang bringend, für alle die verschiedenen Sprachvertretcr. um sie für ihre unaufdringliche natio nale Erziehung durch die Bücherei zu gewinnen, Literatur in ihrer jeweiligen Ursprungssprache bercithalten, wie sic in ihren Hörsälen Englisch-Kurse für sie veranstalten, wie sie lcichtverständliche eng lische Bücher planmäßig an sie heranbringen, so ahnen wir auch, daß die amerikanische Bücherei jener völkischen Aufgabe gewachsen ist. Vor allem für unsere Grenzmarken und für die auslandsdeutschen Minderheiten soll in diesem Zusammenhang noch die Erfahrung ange- mcrkt sein: »Im Dienste der Amertkanisierung steht ganz besonders auch die .Erzählstunde', worin Lehrer und Bibliothekar sowohl vor- schnlpslichtigen wie schulpflichtigen Kindern in der Bücherei schöne Geschichten aus aller Welt erzählen«*). (Vorlesestunden für Erwach sene scheinen dagegen in den amerikanischen Büchereien keine Nolle zu spielen!) Für die Angehörigen kleiner Büchereien standen während der ganzen Tagung jeweils von 12 bis 1 Uhr »zum Voraus bestellte, sachkundige und erfahrene Persönlichkeiten bereit, um über bestimmte, einem jeden zugeteilte Gebiete Auskunft zu erteilen: über Auswahl von beruflicher oder schönwissenschaftlicher oder Jugend-Literatur, über Biicherankauf und Büchereinbände, über Katalogisierung und Auf stellung usw.«. Die Nachmittage waren sitzungsfrei, damit auch die zwanglose persönliche Berührung auf gruppenweisen Ausflügen usw. zu ihrem Recht kommen konnte. Nicht unerwähnt bleibe schließlich die uns seltsam berührende Tatsache, daß an Bibliothekare kleinerer Ort schaften Anerkennungsurkunden verlieben wurden, »die von einer be sonderen Kommission unter Berücksichtigung verschiedener Bcurtci- lungspunktc ausgestellt und vom Präsidenten den Bedachten feierlich überreicht wurden«. Der nächste Aufsatz gibt als Beispiel für einen amerikanischen Bücherei-Großbetrieb eine Skizze der public Dibrar^ von New Pork. Entstanden ist diese Niesenbücherei. die übrigens nur einen Teil von New Pork versorgt (die Brooklyn-Hälfte New Porks besitzt ihre eigene große Public Didrar^), bezeichnenderweise aus zwei großen Stiftungsbüchcreicn (der Astor-Library und der Lenor- *) Wie unakademtsch (im guten Sinn) und unbürokratisch die Berufsgesinnung des amerikanischen Bibliothekars bis in die höchsten Stellen hinauf ist. dafür zeugt die Mitteilung Eschers. daß der Gründer und langjährige Leiter einer der größten amerikanischen Büchereien, deren wissenschaftlicher Bestand allein über eine Million Bände beträgt, cs sich nicht nehmen läßt, beute noch von Zeit zu Zeit »die anspruchsloseste Tätigkeit des amerikanischen Bibliothekars« ausnlüben. nämlich in der Iugenbabteilung seiner Bücherei Kindern Geschichten zu erzählen. Library), die im Lauf von mehr als einem Jahrzehnt organisato risch zusammcngefaßt wurden, und zwar in Form einer öffentlichen Stiftung. Sic wird von einer fünsundzwanziggliedrigen Behörde, in der drei Vertreter der Stadt sitzen, als selbständiges Nechtsgebildc geleitet. Ihr prächtiges Hauptgebäude enthält nur die eine Hälfte der Bücherei, nämlich die 1)4 Million Bände umfassende wissen schaftliche Präsenzbibliothek (liekorsuco Division), deren Hauptbeständc wiederum in 17 A b t e i l u u g s b ü ch e r e i c n (De partments Dibrarles) aufgestellt sind. Die einzelnen Abteilungs- büchereien sind nach dem (in Amerika alleinherrschenden) Frcihand- system in großen Arbeitssälen untergebracht, zu denen, sofern sie Sammlungsräume sind, ein Hauptmagazin mit den weniger gebrauch ten Beständen die Ergänzung bildet. Außer diesen Arbeits- und Sammlungsräumen enthält das Hauptgebäude noch einen großen Lesesaal, »den man, um deu Straßcnlärm und bloße ,Fußwärmer', die in vielen Büchereien die ernsthaften Leser verdrängen, von ihm fern zu halten, nicht ins Erdgeschoß, sondern in das zweite Ober geschoß verlegte«, einen Katalogsaal, Ausstellungssälc, eine besondere Blindenbücherei, Räume für die eigene Bibliothekarschule, eine Kunst- galeric und die Räume für die gesamte Zentralverwaltuug. Durch die letztgenannte Tatsache werden wir daran erinnert, daß ja die andere Hälfte dieses Großbetriebes zwar von hier aus geleitet wird, aber nicht im Hauptgebäude selbst untergebracht ist. Sic umfaßt vielmehr vor allem 43 Zweigstellen mit eigenen Bü- chereigebäuden (nebst Lescräumen) und mit Beständen von je 10 009 bis 50 000 Bänden, die aufs sorgfältigste der sprachlichen und sozialen Eigenart und Buntheit des jeweiligen Stadtviertels angepaßt sind. Außerdem aber gehört zu ihr noch ein Wandcrbüchcreibe- st a n d von 100000 Bänden, der vom Hauptgebäude aus planmäßig an 700 Wanderstellcn im Stadtgebiet (Kirchen, Fabriken. Geschäfts häuser. Vereinslokale, Amtsräume, Polizeiwachen, Feuerwehr stationen, Leuchtschiffe, Spitäler, Gefängnisse, Arbeitshäuser, sommer liche Ferienlager usw.) geleitet wird. Diese zweite Hälfte der Public Library New Aorks, die ebenfalls einen Bestand von etwa 1)4 Mil lion Bände umfaßt, ist also wesentlich Ausleihebücherei. Während das Hauptgebäude mit seinem ausschließlichen Präsenzbetrieb etwa drei Millionen Besucher im Jahre aufweist, erscheinen zwar in den Lese räumen der Filialen auch insgesamt sogar vier Millionen Besucher, werden aber außerdem fast elf Millionen Bände nach Hause ent liehen. Man kann also sagen, daß dieser Großbetrieb, der ein Per sonal von insgesamt 1200 Köpfen umfaßt (und zwar weit überwiegend Bibliothekarinnen), so intensiv benutzt wird, daß von den 3Ve Mil lionen Einwohnern des ihm zugehörigen Teiles von New Port durch schnittlich fast jeder Einwohner jährlich einmal im Hauptgebäude und mehr als einmal in einer Zweigstelle au Ort und Stelle gelesen und außerdem mehr als drei Bände nach Hause entliehen bat. Und diese Durchschnittszahlen können als normal für nordamerikanische Büche- reiverhältnisfe betrachtet werden. Das Beispiel für die andere biologische Grundform des amerika nischen Büchcrciwcsens, nämlich für die Organisation des Büche rei wesens eines Staates der Union, gibt Escher im dritten Aufsatz (»Wie der Staat Massachusetts das Bibliothekswesen för dert«) und ergänzt dessen Erörterung durch die späteren Aufsätze »Staat und Biichervcrsorgung auf dem Lande« und »Der Bücher magen von Hagerstown«. Hier kommt vor allen Dingen anch die große Bedeutung der Gesetzgebung für das amerikanische Büchereiwescn zum Vorschein. Vorweg ist zu bemerken, daß eine weitgreifcndc gesetzliche Regelung des Bttchereiwesens in einem Ver fassungsstaat und gar in einer so ausgesprochenen Demokratie, wie es die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind, mir angebahnt und erfolgreich durchgcführt werden kann, wenn bereits eine öffent liche Meinung über den nationalen Wert des Büchereiwesens vor handen ist. Daß diese in einem Volke, das sich mit einem solchen Eifer in allen Lebenslagen seiner öffentlichen Büchereien bedient, schon seit Jahrzehnten bestehe, vermuteten wir nicht nur, sondern wußten wir bereits vor dem Kriege, und wir beneideten die amerikanischen Kol legen oft darum. Eschers Schrift bringt eine große Zahl sehr be zeichnender neuer Belege dafür, von denen wir hier wenigstens zwei Äußerungen führender amerikanischer Staatsmänner und eine Stelle aus einer behördlichen Kundgebung anführen. Theodor Noosevelt sagt: »Nach Kirche und Schule ist bie freie öffentliche Bücherei der wirksamste Beförderer alles Guten. Die moralischen, geistigen und materiellen Wohltaten, welche von einer sorgfältig ausgewählten Sammlung guter Bücher ausgchcn, die allem Volk zu freier Verfügung stehen, können nicht überschätzt werden. Kein Gemeinwesen kann auf die Dauer ohne eine Bücherei bestehen.« Bryan formuliert sehr bezeichnend für den amerikanischen Nützlich- keitsstandpunkt: »Die Bücherei ist ein Mittelpunkt, von welchem ein sich stets erweiternder Einfluß auf Aufklärung, allgemeine Hebung 2532*
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