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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.05.1895
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 29.05.1895
- Sprache
- Deutsch
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123, 29. Mai 1895. Nichtamtlicher Teil. 2931 Nichtamtlicher Teil. Kolportage-, Reise- und Sortimentsbuchhandel. (Vgl. Börsenblatt No. 101, 104, 105, 111, 115.) VII. »Und will sich nimmer erschöpfen und leeren, denn der Ramsch wird immer den Ramsch gebären!« (Frei nach Schillers Taucher.) Nicht so zeitig, wie ich es wünschte, komme ich dazu, auf Herrn Brandners Auslassungen (vergl. Börsenblatt No. 111) einige Worte zu erwidern. Zunächst muß ich meiner Freude Ausdruck geben, daß diese Fragen jetzt im Börsenblatte sachlich diskutiert und in ihrem Kernpunkte erfaßt werden. Es ist doch ein ganz anderer Ton geworden. Vor dem hielt es niemand der Mühe für wert, auf die vom Kreise Norden ausgesprochenen Wünsche und Forderungen sachlich einzugehen; man begnügte sich damit, uns subalterne Auffassungen und dergleichen mehr vorzllwerfen, tadelte heftig die Form unseres Vorgehens, bezichtigte uns der Bloßstellung und Blamierung des ganzen Buchhandels: kurz, man zeigte, bildlich geredet, förmlich mit Fingern auf das mißratene Organ am Leibe des Börsenvereins, das sich herausnahm, selbständige, der Centrale entgegengesetzte, peripherische Re gungen zu haben. Herrn Brandner gegenüber muß ich vor allen Dingen einen Druckfehler berichtigen. Ich hatte nicht von seinen »unrichtigen und nichtigen«, sondern von seinen »unrichtigen und richtigen« Bemerkungen gesprochen, wie das auch aus dem Zusammenhänge meines früheren Artikels hervorgeht. Auch hatte ich durchaus nicht Aussprüche der Bibel wörtlich auf unser heutiges Erwerbsleben angewendft, noch viel weniger aber irgend jemandem durch Hinweise auf biblische Gebote das Gewissen beschwert. Vielleicht thue ich dieses jedoch am Schluffe meiner heutigen Ausführungen. In meinen sachlichen Ausführungen ist es mir sehr leicht gemacht: ich brauche nur hinzuweiscn auf den Artikel, der dem des Herrn Brandner unmittelbar folgte*). Um aber dem Einwand zu begegnen, als ob es sich dabei um einen vereinzelten Fall handele, bemerke ich, daß vor mir die »Güstrower Zeitung« vom 19. d. M. liegt, die den Artikel: »Zur Charakteristik des Reisebuchhandels« gleichfalls wörtlich bringt und dann hinzufügt: »Die hier gebrandmarkten Thomas a Kempis- Reisenden sind vor etwa Jahresfrist mehrere Wochen hindurch auch in Güstrow thätig gewesen und haben, ganz in der oben geschilderten Weise, viele Unerfahrene zum Ankauf veranlaßt.« Ferner: im vergangenen Herbste kam ein Kolporteur mit einem »patriotischen« Werke zu dem mir befreundeten Pastor von R. im hiesigen Vororte Eilbeck. Auf der Bestellliste figurierten die Namen eines Bäckers K. und eines Getreide händlers H., Kirchenvorsteher der Gemeinde. Dem Pastor kamen diese Unterschriften befremdlich vor. Er bestellt den Kolporteur zum andern Tage wieder und stellt inzwischen fest, daß die Unterschriften gefälscht waren. In seiner kräftigen Weise nimmt er andern Tages den Kolporteur beim Kragen und schleppt ihn zur nahen Polizeiwache. Dort wird natürlich ein Protokoll ausgenommen und damit ist die Sache zu Ende, nur daß eine Reihe von Wochen später der Kolporteur dem Pastor auf offener Straße höhnisch zuruft, ob er Lust Hütte, noch einmal mit ihm zur Polizeiwache zu gehen. Der Formalis mus des heiligen römischen Rechtes hatte darin nur eine Täuschung, keine Fälschung gesehen; diese würde es erst, wenn die fingierten Subskribenten zur Abnahme des betreffenden Werkes veranlaßt werden sollten, woran die geriebenen Kolporteure natürlich nicht denken. 0 sanots, jnstitis,! Ferner: in derselben Weise wurde unlängst der Name des Pastors K. in Ottensen mißbraucht. Es handelte sich um irgend eine Bibelausgabe. Ferner: in ähnlicher Weise ging es vor etwa Jahres frist einem Hamburgischen Hauptpastor, dessen Unterschrift ganz anderen Zwecken dienen mußte, als denen, wozu sie gegeben war. Das an den Mann zu bringende Werk betraf Gustav Adolf. Auf die verschiedenen in den letzten Monaten durch das Börsenblatt bekannt gegebenen Fälle gleichen oder ähnlichen Schwindels brauche ich wohl nicht erneut hinzuweisen. Jeden falls steht fest, daß die Kolportage durchaus nicht in einer so lautern Weise arbeitet, wie Herr Brandner es annimmt und darstellt. Wenn es den betreffenden Verlegern höchst gleich- giltig ist — wie Herr Brandner ferner schreibt — durch welche oratorischen Leistungen die Werke untergebracht werden, so wäre das ein bedenkliches Zeichen für den tiefen Stand des sittlichen Niveaus. Einem ehrlichen und anständigen Menschen kann es sicher nicht gleichgiltig sein, wenn seine Erzeugnisse ganz systematisch durch schwindelhafte Manöver abgesetzt werden. Ebenso optimistisch, wie den Vertrieb durch die Kol portage, sieht Herr Brandner unsere Rechtsprechung durch seine rosenrote Brille an. Der Richter stellt sich nur dann auf die Seite des Käufers und Subskribenten, wenn dieser beweisen kann, daß er beschwindelt ist. Das ist aber, mangels Mate rials und Zeugen, meist sehr schwer, zumal wenn die Klage in Leipzig verhandelt wird und der unglückliche Subskribent in Göttingen oder sonstwo wohnt. Der Kläger hat seinen unterschriebenen Schein, und sein Kolporteur schwört, daß er alles, was auf dem Schein steht, genau gesagt, »nichts ver schwiegen und nichts hinzugesetzt habe«, wie es in der Eides- Formel lautet. Da muß der Richter stets den Käufer und Subskribenten verurteilen. Herr Brandner wirft mir vor, ich pirschte beharrlich bei andern auf Fehler. Das Bild ist nicht glücklich gewählt. Wenn das Wild rudelweise in die umhegten Kulturen ein bricht, braucht man nicht darauf zu pirschen. Dagegen glaube ich, daß Herr Brandner bei seinem Pirschgang im Sortiment entschieden einen Fehlschuß gethan, bezw. eine Gais geschossen hat. Es ist ja möglich, daß er einen Fall kennt, wo eine alte Auflage von Andrees Handatlas für die neueste verkauft ist; es ist dann ein ganz gewöhnlicher Betrugsfall gewesen. (§ 263 d. R.-Str.-G.) In der Darstellung des Herrn Brandner sieht es jedoch so aus, als ob das ein alltägliches Vorkommnis im Sortiment wäre. Ich fordere Herrn Brandner auf, das zu beweisen, und lege bis dahin entschiedene Verwahrung ein gegen diese Verdächtigung des deutschen Sortimentsbuch handels. — In der alten griechischen Mythologie frißt Kronos seine eigenen Kinder auf. Nirgends aber ist gesagt, daß er sich an andern Olympiern, z. B. Apollos Gefährtinnen, den Musen, vergriffen hätte. Viel schlimmer sieht es in der Walhalla des deutschen Verlagsbuchhandels aus. Seitdem das edle Geschwisterpaar Kolportage und Ramsch — sie sind thatsäch- lich blutsverwandt — dort Einzug gehalten hat und immer mehr erstarkt, ist das Wachstum und Gedeihen aller anders gearteten Kinder stark gefährdet; sie werden von dem, mit der Wolfsmilch des römischen Rechtes gesäugten, gefräßigen Ge- schwisterpar nach und nach verschlungen. Mancher mag lachen über dies sonderbare Bild, und es ür die Ausgeburt der trüben Phantasie eines Melancholikers halten. Ich halte es für wahr. Wo bleiben z. B. die un- S9S* *) Vgl. Börsenblatt Nr.,111.
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