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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.05.1895
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1895-05-02
- Erscheinungsdatum
- 02.05.1895
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- Deutsch
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schrist gleich voransgezahlt werden. Wie viele Sortimenter würden sich wohl zu solchen Lieferungsbedingungen verstehen? Wir fürchten, keine große Anzahl, nnd wenn wir das Ge ständnis der Inhaber mehrerer großer Sortimente hier ver raten dürfen, so rechnen selbst diese jährlich im Durchschnitt ans nur zwei abgesetzte Exemplare. Das liefert einen allge meinen Maßstab für die Kraft des Sortiments. Dieses er geht sich in wunderlicher Ueberschätzung, wenn es behaupten zu dürfen meint, bei Unterdrückung des Reisevertriebes die Hälfte von dessen Leistungen eben auch auf sich nehmen zu können. Stellen wir dieser Utopie einmal einen konkreten Fall aus dem Reiseverkehr gegenüber. Der erste Geistliche eines Lausitzer Städtchens erzählte Schreiber dieses kürzlich, daß kurz vor letzten Weihnachten ein Reisender sich mit der Bitte um eine schriftliche Empfehlung des von ihm vertriebenen Prachtwerks »Nachfolge Christi« an ihn gewandt habe, die er dem Mann denn auch erteilt habe. Am Abend desselben Tages habe ihm der Reisende schon 53 darauf erhaltene Be stellungen zeigen können, sich aber noch weitere zwei Tage am Platze auigehnlten. Das Gesamt-Ergebnis binnen drei Tagen ist demnach ans nicht unter 100 Exemplare anznschlagen. Dabei handelt es sich hier um ein mystisches, gewiß nicht im allge meinen Interesse liegendes, schwer verkäufliches Buch zu 12 ^ 50 H, dessen Verleger sich ferner rühmt, vor einigen Jahren durch einen einzigen Reisenden allein in dem kleinen Sachscn-Altenburg 700 Exemplare davon nntergebracht zu haben. Wir unsererseits bekennen uns zu der Auffassung, daß das gesamte Sortiment auch im Laufe von 10 Jahren noch nicht diese von einem einzigen Reisenden nach nur fünf- oder sechsmonatlicher Thätigkeit erzielten Ergebnisse erreichen wird. Die Abnehmer des Rciscbuchhandcls werden größtenteils aus Schlupfwinkeln hervorgeholt, die dem Sortiment ver schlossen sind. Dabei wirkt das Beispiel, der Nachahmungs trieb. Ist ein Werk vom Präsidenten des Kcicgerbundes oder vom Ortsgeistlichcn warm empfohlen, sieht das Publikum auf den vorzugsweise wirkenden Sammellisten schon die Namen von Bekannten stehen, so urteilt cs gemeinhin so: »So, A. und B. haben auch bestellt, — nun, da will ich es nur auch nehmen; denn was die können, leiste ich auch noch.« Gebildete selbst unterliegen der Ueberredungskunst eines wohl erzogenen feinen Reisenden. Sie scheuen sich oft, einen Mann mit besten Umgangsformen abzuweisen. »Ich konnte den Menschen nicht anders los werden« hört man häufig, wenn Höhergestellte befragt werden, weshalb sie sich auch ein so teures Werk zugelegt haben. Für Verleger und Reise- firmen sind Leute mit unbesiegbarer Suade aber eine Gold grube. Die Sortimenter werden sich deshalb nicht wundern dürfen, wenn sie von manchen Verlegern nur zum allerge ringsten Teil als Ersatz für eine unterdrückte Kolportage be trachtet werden, und wenn diese es deshalb, vor die engere Wahl gestellt, entschieden mit dem Reiscbuchhandel halten. Speziell die Anfänger unter den Verlegern und die Firmen dritten Ranges würden ohne Reiscbuchhandel nicht existieren bziv. aufkommen können, da diese bekanntlich vom Sortiment sehr von obenher behandelt zu werden pflegen. Auch das beste Werk, von diesen Kräften in die Erscheinung gerufen, wird häufig, trägt es nicht einen schon vorteilhaft bekannten Autor auf dem Titel, in seinem- Laufe unterdrückt. Bestellt wird es selbst ü. condition nicht früher, als Nachfrage auf Grund durchschlagender Rezensionen erfolgt. Diese Werke sind ganz dem Zufall preisgegeben. Durchweg verlangt der Sortimenter nur die Novitäten großer Firmen. Zeigen z. B. die Union in Stuttgart, Velhagen L Klasing etwas an, so sagt er sich: »Das geht; es wird schon in ihren Zeitschriften durchgedrückt«. Käme ein kleiner Verleger mit demselben Werk, so würde seine Ankündigung unter mit leidigem Achselzucken als »Ueberproduktion« erklärt. Diese Aburteilung ist für kleinere Verlegerfirmen all mählich zu einer Kalamität geworden. Das Sortiment steht ihnen in seiner Gesamtzeit als eine Art heiliger Nehme gegen über, allzeit bereit, über gute neue Erscheinungen sein Verdikt im Kontumazverfahren auf »Ucbcrprodukt« abzngeben. In ein Untersnchnngsvcrfahren wird dabei nicht erst eingetreten; das Erkenntnis erfolgt summarisch. Erklärlicherweise wird ein Verleger sich bei einem wirk lich guten Artikel nicht bei diesem Vehmgericht beruhigen, sondern die zweite Instanz, seine eigene Thätigkeit und den Reisebuchhandel, anrufen. Manches vom Sortiment ver donnerte Buch hat auf diese Weise noch einen tiefen Zug mit dem neuen Netz gethan. Ohne diesen allgemeinen Kulturfaktor, den Reisebuch handel, glaubt auch das ganze Ausland nicht auskommen zu können, während es uns das veraltete schwerfällige Ausichts- versendnngs-System gern allein überläßt. Er läßt sich, schon zu tief gewurzelt, so wenig wieder unterdrücken, wie die Schnellpresse der hölzernen Handpresse wieder weichen wird. Die Auswüchse der Kolportage wollen wir gewiß nicht in Schutz nehmen. Daß eine Menge heruntergekommener Menschen an ihrem Strange ziehen, daß viele Schwindeleien verübt werden, ist bei einem so zahlreichen Erwerbskürper unvermeidlich. Seine Funktionäre rekrutieren sich vorwiegend aus dem Handwerker- und Arbciterstande, deren energischste cs wieder zum Firmen-Jnhaber bringen. Es ist begreiflich, wenn Leuten von solcher Erziehung nicht immer Ehrgefühl inncwohnt. Es giebt indessen viele Chefs, die jeden der Schwindelei übersührtcn Reisenden unnachsichtlich entlassen oder den Gerichten übergeben, während nicht in Abrede zu stellen ist, daß andere wiederum, besonders Anfänger und Besitzer von Geschäften geringeren-Ilmfangs, bei sonst brauch bare:: Arbeitern gern ein Auge über Ausschreitungen in mäßigen Grenzen zuzudrücken pflegen. Gegen Betrug haben wir aber scharfe Gesetze, die die von jenem Betroffenen nur anznrufen brauchen. Hier können wir nicht umhin, die Frage nufzuiverfen, weshalb das Sortiment denn das Reisegeschäft ruhig anderen Leuten überläßt, anstatt sich dessen Erträgnisse selbst zu sichern nnd es mit gesitteten, gebildeten Gliedern auf eine höhere Stufe zu heben. Ist das Sortiment berechtigt, das Reise- ^ geschäst als solches unter einseitiger Hervorkehrung der Schatten seiten anzufeindcn, so lange cs sich beharrlich in seine dürftig rentierenden Betriebe: Lesezirkel, Leihbibliothek, Ansichts sendungen zurückzieht? So wird der Unparteiische sicherlich nicht ohne Kopfschütteln ! die in der Eingabe des Kreises Norden und des Verbandes Hanuover-Braunschweig an den Reichstag berichteten und als Kriterium der bitteren Not, der blutigen Reuethränen hingestcllten Fälle gelesen haben, wo die Subskription von Schwindlern nur durch Ucberredung erschlichen worden ist. Ganz gewiß legt^ die Beschaffung eines Konversations-Lexikons selbst in fünf jährigen Monatsraten einem Unbemittelten Einschränkungen! nach anderer Seite auf. Diese Einschränkungen erstrecken sich! indessen, woran die Herren Petenten in ihrer Theorie wohl! nicht gedacht haben, auf den Genuß von Bier, Zigarren,! Vergnügungen, Karten- und Billardspiel, wofür der Deutsche! bekanntlich unter allen Umständen Geld übrig hat, wenn man! diese Ausgaben auch in: Auslande als unnötige bezeichnet;! der angeblich darbenden Familie entzieht das Oberhaupt also! überhaupt nichts durch seine Subskription, es raucht und trinkt! nur etwas weniger, sicherlich nicht zum Schaden seiner Ge-I sundheit. Von unrichtiger Beobachtung zeugt auch die an diesesl Schlachtengemälde jener Eingabe geknüpfte Unterstellung, als
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