Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.07.1875
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 28.07.1875
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18750728
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187507281
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18750728
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1875
- Monat1875-07
- Tag1875-07-28
- Monat1875-07
- Jahr1875
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
V 172, 28. Juli. Nichtaintlicher Theil. 8655 nicht leugnen, denn mit nur zu viel Recht spricht er von dem „Ekel und Abscheu des Lesers vor den Schauderthaten dieser Bibliothek". Aber nicht nur durch Ueberreizung der Phantasie wirken diese Bücher schädlich, ost vergiften sie geradezu Herz und Ge- müth der weniger Gebildeten aus dem Volk und das Gift ist meist um so gefährlicher, da die Schurken — zum großen Theil die Helden des „Volksromans" — und ihre Verbrechen zwar bestraft, aber gewöhnlich als großartige Erscheinungen glorificirt werden. So ist auf dem Umschlag der schon citirten „schwarzen Bibliothek" zu lesen: „Denn Verwegenheit, körperliche Kraft und Gewandtheit, gepaart mit List und Scharssinn, zeich neten diese Menschen (Schinderhannes, Lips Tullian, Karasekü!) aus, und der gänzlich unmotivirte Nachsatz: „und überlieserten sie schließlich dem Arme der Gerechtigkeit, der strafend aus ihr be flecktes Dasein fiel und ihre Verbrechen sühnte", kann das ge fährliche „zeichneten diese Menschen aus" nicht ausheben. Der Räuber Fra Diavolo wird den Lesern wie folgt vorgestellt: „Fra Diavolo! Die Romantik hat einen reichen Kranz von Liedern, Balladen und Sagen um die Manen dieses, als Cav alier, als Banditenhäuptling, als Guerillasührer sich gleich her vorragend kennzeichnenden Sterblichen gewunden und ein großer Tondichter hat ihn zum Helden seiner unsterblichen Opernschöpsung gemacht." Infolge „jahrelanger Studien" ist der Versasser, vr. Paul Lippert, auch in den Stand gesetzt, die ebenso neue als geistreiche Bemerkung zu machen, daß Fra Diavolo „kein gewöhnlicher Bandit, kein alltäglicher Wegelagerer und Halsab schneider" war. In ähnlicher Weise spricht sich der Prospect des Söndermann'schen Volksromans Rinaldo Rinaldini aus. Außer den Wesen von Fleisch und Blut spielt natür lich in diesen Romanen auch die Bevölkerung der Geister welt, wie das Walten übernatürlicher Kräfte eine sehr be deutende Rolle. So in Herrn Georg F. Born's „historisch-ro mantischer Erzählung aus Spaniens Jetztzeit", deren Held Don Carlos, vom Versasser mit dem gewiß seltenen Prädicat „ehrbe gieriger Hände" ausgestattet, sich die Freiheit nimmt, eines der ungewöhnlichen Werkzeuge „nächtlich" zu einem Griff nach der „blitzenden Krone" zu benutzen. Er wird an diesem kindlichen Vorhaben durch einen „blutigen Schatten" gehindert, allein in der Folge passirt ihm noch viel Schrecklicheres, denn „im Kampsgetümmel aus der Terrasse des Räuberschlosses und über die mitternächtigen Schlachtfelder weht ge spenstisch ein schwarzes Gewand dahin, bei dessen An blick der blutgierige Don Carlos erbebt und erbleicht". Söndermann, ein, wie im Prospecte des oben genannten Werkes zu lesen, „mit dem Herzen schreibender" Literat, übcrtrifft noch den College« Born, dessen „blutigen Schatten und schwarzes Ge wand". „Er führt den Leser dicht hinein in mitternächtlichen Teuselsspuk — macht ihn sogar mit der Person des Höllen fürsten bekannt, der sich durch Schlauheit und List, durch scheinbare Dienstleistungen die Seelen der Betrogenen sicherte, indem er wirkliche Bündnisse mit ihnen schloß Aus dem seinen Cavalier und Weltmanne — aus jener reizen den Frauengestalt — aus dem scheinbar wohlmeinenden Freunde — ja selbst aus dem frommen Betbruder guckt zuletzt der Schalk hervor und entpuppt sich in Wahrheit als Satanas der Höllen fürst." Ist ein albernerer, für schwache Gemüther gefährlicherer Unsinn, als der in dem ersten der beiden citirten Sätze ausge sprochene, denkbar? Man sollte es kaum glauben, und doch findet Hr. Söndermann in Ernst Pitawall seinen Meister. Dieser „viel gewandte" Romansabrikant läßt in seinem Werk „Die schwarze Dame von Pest und die Opfer des großen Börsenkrachs, oder die blutigen und unblutigen Gauner aus und außerhalb der Wiener Weltausstellung" seine Titelheld!« „als personificirtes Fatum" auftreten. „Ihr folgt, wo sie erscheint, die Cholera oder ein großes Unglück, das allgemein trisst. Nur durch aufopfernde Tugend ist sie zu versöhnen. Sie erscheint unter allerlei Masken, — zuerst als Wahrsagerin in Pest, dann unter andern Gestalten als Millionärin, als spanische Herzogin (I) re. und erst am Schluffe des Werkes nimmt sie die Maske vom Gesicht und — das böse Phantom schwindet, so bald der Schwindel enthüllt ist und nun auch die Tugend sieg reich emporsteigt." Ist durch die angeführten Stellen zum Theil schon eine Stylprobe gegeben, so wird trotzdem eine kleine Blumenlese aus dem vorlie genden Material zur Charakteristik des hier in Frage kommenden Literaturzweiges nicht überflüssig sein. Möge eine Schilderung Spaniens, des Lebens und Treibens in diesem Land den Reigen eröffnen. „Der Versasser der »Jsabella« ist es ja, der uns auch hier wieder nach den fernen zauberischen Gefilden führt, wo die Granaten- und Citronenbäume blühen, wo die Mandelblüthen duften und Nachts das Gekose Liebender in den Rosen- und Jasminlauben flüstert, wo im Dunkel der Kastanien die feurigen Paare sich zum Fandango umschlingen und die Guitarre den Gesang des Zigeuners begleitet, wo Andalusiens schöne Mädchen im Hellen Mondschein wandeln und an der seidenen Mantilla die Schleife mit der Farbe des Geliebten tragen." (G. F. Born: Don Carlos.) Wer sich für die Art und Weise, wie die Nemesis „über den zusammenbrechenden Hochmuth der modernen Börscn- Giganten" dahinstürmt, interessirt, erhält den gewiß überraschenden Nachweis, daß dies „mit des Siroccos Gluth und der Bora Gewalt" geschieht. Ueber eine großartige „Springerei" gibt der Prospect zu „Rosza Sandor" folgenden Ausschluß: „Wenn des Zigeuners Fiedel den Racoczy-Marsch aufspielt, springen Alle: — Husar und Hirt und der Vagabund der Haide, der Betyar gleich schnell elcktrisirt vom Boden , der Pußta empor und drehen sich, laut jauchzend vor Wonne und Lust, im Kreis; aber Nachts im Bakonyer Wald, von des Mondes hellglitzender Sichel beschienen, schwebt der Zigeuner bewegliche Schaar, schweben Indiens braune Kinder, tanzend im Reigen dahin, zu den Klänge» des Cymbal!" G. von Brühl („Der Galcerensclave") läßt „Venedig, die vielbesungene Jnsel- stadt, die einstige Beherrscherin der Meere" vor uns in wunderbarer Pracht und Herrlichkeit aufsteigen. „Der mächtige Doge vermählt sie bei glänzenden Festen mit dem Meere, aus welchem der Gesang der Gondolieri, das Ave Maria, zauberisch hintönt über die vom Mondlicht erzittern den Wellen. - Der Dolch des lauernden Bravo blitzt aus und trifft in der engen Gasse die Brust des Verhaßten — schöne Mädchen wandeln auf dem wundervollen Platze, unter dessen Gesteinen der Evangelist Marcus ruht." In dem „Charakter- gcmälde" Johannes Karasck von G. Berthold (S. 40) wissen die Einwohner von Leutersdors nicht, ob sie mehr die „Frechheit oder die Geschicklichkeit der Diebe bewundern sollten". Bewun derte Frechheit!!! — Georg F. Born bei der Beschreibung des nächtlichen Besuchs von Maria Theresia (Historisch-roman tische Geschichte Maria Theresias, Oesterreichs großer und schöner Kaiserin) in der Kaisergruft erzählt u. a.: inmitten der Särge kniete sie (M. Th.) nieder — Modergeruch um gab die Betende, welche von blühender Jugend strahlte — das eben zu schönster Vollkommenheit erwachende Leben kniete neben dem schauerlichen Tode, der mit allmächtiger Hand die wundervollsten Formen zerstört, der unerbittlich die Beglücker der Erde wie die Verwünschten sortrafft, der gespenstisch dem Dasein plötzlich ein Ende macht, der die Mutter von dem Säugling, die Braut von dem Geliebten, das Kind aus 357*
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder