2750 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Fertige Bücher. 52, 4. Mürz 1S0S. ver S schreibt im roten 1H> 8einer Kummer vom 2Z. Februar l yoy- Alice Flieget, ,,Totenwache". („Larmonie", Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst, Berlin.) Ein eigentümliches Erzäblertalent, das die Beachtung des Kenners gerade mit dem hcrausfordert, was den in der jungen Literatur nur allzuviele, die sich den Anschein geben, als trügen sie ihren besonderen Kompaß im Kopf, aber nur wirre Dilettanten sind. Andere werden von einem persönlichen Wollen ge trieben und erreichen nie das Können. Im Gegen satz zu diesen vielerlei Kostgängern Apolls gibt Alice Fliegel in ihrem jugendlichen Buch eine Ge währ. Hier ist ein kleiner Quellbach, der im Moos der lyrischen Wildnis nicht versickert; frisch und geradezu rieselt er den Weg ins Freie. In den tagebuch-lyrischen Blättern, die nur den passiven, leidvollcn Zustand einer Familie schildern, steckt echter Zielwille. Seine künstlerische Qualität offen bart sich um so unzweideutiger, als die erzählte Geschichte ihm die Stützen starker Begebenheiten verweigert. Da ist weiter nichts als die innere Not und das immer d rückendere wirtschaftliche Elend der Pfarrerfamilie. Eine Frau vom Geschlechte der heiligen Dulderinnen und gutgeartete Kinder, aus Pfarrer ist ein Trunkenbold. Er sinkt von Stufe zu Stufe in tierische Rohheit. Vergeudet seine Habe mit Dirnen und läßt die Seinen darben. Die Ver fasserin will mit bitterer Ironie einen schroffen Gegensatz zwischen dem falschen Schein und der Wahrheit aufstellen. Pfarrer Birkner, der die Ge müter der Menschen als Kanzelredncr so wunder- Laster, denen er heimlich in den Kellerhöhlen der Vorstadt frönt. Sein zweites, sein wahres Gesicht enthüllt sich nur seinem Weib, seinen Kindern, wenn betritt. Er ist schlimmer als ein Mörder . - - Als froren. Gegen ein Dogma also,gegen das blinde Dogma des vierten Gebots führt die psychologische Gestaltung den Kampf. Die Logik der Empfindung ist stark genug Ansehen gefährdet zu werden. Die Dichterin ist offensichtlich Komplikationen aus dem Wege ge gangen, vielleicht weil sie ihrer Kraft nur erst das hältnis des Hausvaters zu feiner Familie aufrollte. Die Wirklichkeit pflegt aber solche Probleme nicht fein säuberlich von äußeren Verwicklungen losznlöscn. als ihn die Dichterin sich Anschnitt. Ein Fehler, aber eine Originalität, ein origineller Fehler ist es, daß die Erzählung mit dem Ende der Geschichte einsetzt: mit dem Tode des Pfarrers und der ekstatischen Seelennot seines Kindes, das sich zur Trauer nicht zwingen kann. Mit der Vorwcgnahmc der äußersten psychischen Steigerung wird zunächst ein fremdartiges Pathos in die Darstellung getragen, die in allen folgenden Kapiteln schlicht und innerlich und organisch ist. — Das Buch der jungen Dichterin Inuerknlb rweier Alonnte ersLkienen 6 Das beweist die ^uZckäbi§I<eit dieses vorrü§Iicben Lucbes am besten. >Veisser Zettel anbei. Litte ru verlangen. Verlsx „Narmnnie" keclin