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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.02.1900
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- Erscheinungsdatum
- 13.02.1900
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- Deutsch
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^ 36, 13, Februar ISO». Nichtamtlicher Teil, 1241 jetzigen Gegner des Z 184a beschlossen worden, und warum? Weil man uns sagte, daß in einigen Gegenden nach der dort herrschenden sittlichen Anschauung in dem geschlechtlichen Verkehr der Verlobten etwas Unsittliches nicht zu finden sei. Um Rücksicht zu nehmen aus die Verschiedenheit der sittlichen Anschauungen, ist gerade im Z 180 die Bestimmung getroffen, daß mildernde Umstände zugelassen werden können. Gerade so oder ähnlich soll auch in diesem Falle die Verschiedenheit der sittlichen Anschauung in Rücksicht gezogen werden. Im übrigen, glaube ich, meine Herren, brauchen wir uns darüber, daß vielleicht von diesem Z 184a von den Gerichten ein zu strenger Gebrauch gemacht würde, nicht mit zu großen Besorgnissen zu tragen. Es hat schon der Herr Abgeordnete Bebel gestern hervorgehoben, daß unsere Gerichte gerade auf dem Gebiete der Sittlichkeitsrecht sprechung eine ungeheuer weite und laxe Auffassung hegen, und ich glaube, daß man eher hundert Fällen von Frei sprechungen begegnet auf diesem Gebiete, bei denen man sich sagen muß, es wäre eine Verurteilung am Platze ge wesen, als nur einem einzigen Falle der Verurteilung, bei dem man sich sagte, es hätte Freisprechung erfolgen müssen, Stellen Sie sich vor, was zum Thatbestand des Z184a gehört. Es gehört dazu erstens, daß die Bilder oder Druck schriften öffentlich an der Straße oder an öffentlichen Plätzen in ärgernißerregender Weise zu geschäft lichen Zwecken ausgestellt werden. Es ist erforderlich, daß diese Bilder nicht einfach das Schamgefühl verletzen, sondern daß sie das Schamgefühl in ganz besonderem Maße, d, h, gröblich, verletzen. Erst wenn alle diese Thatbestand- momente, bei einer Strafkammer beispielsweise von wenigstens 4 Richtern unter 5, als vorhanden festgestellt sind, kann eine Verurteilung erfolgen. Ich glaube, Sie können fest über zeugt sein, daß, wenn so eine Verurteilung erfolgt auf Grund des K 184 a, dann es sich jedesmal um Dinge handelt, deren Beseitigung kein anständiger Mensch beklagt. Meine Herren, ich habe schon gestern erwähnt, daß der Herr Staatssekretär des Reichs-Justizamts erklärt hat, daß wir uns in einem sittlichen Niedergang befinden. Es heißt dort wörtlich nach dem Stenogramm: Man kann sich der Besorgnis nicht verschließen, daß wir auf diesem Gebiete in einer Periode sittlichen Niederganges begriffen sind. Es ist eine traurige Thatsache, die ich hier ausspreche; aber ich glaube, sie ist unwiderleglich, und ich möchte mir gestatten, aus unserer Statistik Ihnen einige Zahlen anzuführen. Der Herr Staatssekretär hat dann ein reiches Zahlen material angeführt, aus dem hervorgeht, wie die Zahl der Sittlichkeitsverbrechen und -Vergehen zugeuommen hat; und er kommt zu dem Schluß: Ich glaube, für jeden, dem es mit der geistigen und sittlichen Gesundung des Volkes ernst ist, spricht die Wucht dieser Zahlen genügend; sie ist nach meiner Meinung ein unwiderleglicher Beweis dafür, daß die sittlichen Zustände bei uns seit 1882 sich verschlechtert haben. Ich kann diesen Angaben noch eine Zahl hinzusügen, die uns ebenfalls die erschreckliche Zunahme der Sittlichkeits- Vergehen beweist: 1887 betrug die Zahl der Sittlichkeits verbrechen und -Vergehen, die zur Aburteilung gelangt waren, rund 7000, 1895 schon rund 14 000, also das Doppelte, Das Traurige au dieser Thatsache ist, daß diese Zunahme wesentlich auf Rechnung der jugendlichen Personen kommt, (Hört! hört!) Nach dem Bericht über die uns jetzt beschäftigende Vorlage hat einer der Herren Regierungsvertreter u, a, erklärt, daß sich in der Verbreitung von unzüchtigen Schriften gerade unter der Jugend heillose Zustände offenbart hätten, die ein gesetzliches Einschreiten unbedingt erforderlich machten. Diese Zunahme der Sittlichkeitsverbrechen gerade aus seiten der Jugend, glaube ich, kann man mit Recht zum großen Teile den schädlichen Wirkungen zuschreiben, welche die öffentliche Ausstellung dieser schamlosen Bilder und Schriften zur Folge haben muß. Es beweist das ein Bericht, der mir in der vorvorigen Session gerade bei der Beratung der Isr Heinze zuging, über die Verhandlungen der Strafkammer nieines Heimatsorts, Darin heißt es: Zwei 15jährige Fabrikarbeiter aus B, hatten sich vor der Strafkammer wegen verschiedener Sittlich keitsverbrechen zu verantworten. Die beiden Burschen bekundeten, daß sie durch schlechte Lektüre und unsitt liche Abbildungen aui die verbrecherische Laufbahn geführt worden waren. Der Hauptschuldige wurde zu acht Monaten Gefängnis, der zweite Angeklagte zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Ja, als ich diesen Bericht las, habe ich mir gesagt, daß diese armen 15jährigen Jungen die Strafe gar nicht verdient hätten, sondern daß die Strafe, die sie erhalten haben, in doppeltem Maße diejenigen verdient haben, welche jene Burschen durch die Ausstellung der schamlosen Bilder geradezu gewaltsam auf die Verbrecherbahn geführt haben, (Sehr richtig!) Noch schädlicher als die Ausstellung der einfachen Bilder und Photographieen wirken die Mutoskope und Kinemato- graphen. Selbst diese so schätzbare Vervollkommnung der Technik hat sich sofort in den Dienst des Gemeinen gestellt. Wenn Sie diese Ausstellung von Mutoskopen und Kinemato- graphen sich ansehen, nur die Aufschriften, dann muß sich ein Jeder geradezu empören über die Dreistigkeit, mit der solche Schamlosigkeiten gebracht werden. Ich habe mir nur einige Aufschriften dieser Mutoskope, die an offener Straße stehen, von jedem benutzt werden können und leider auch wieder am ineisten benutzt werden von fünfzehn-, sechzehn jährigen jugendlichen Personen (sehr wahr!), notiert, um sie Ihnen hier mitzuteilen. Da heißt es: »Junge Dame unter der Douche", ferner: »Pikante Stellungen einer Künstlerin«, »Pikante Badescene«, »Die Brautnacht«, »Bad der jungen Pariserin«, »Zubettgehen einer jungen Frau«, »Susanna im Bade und der verliebte Soldat« (große Heiterkeit), »Erlebnisse auf der Hochzeitsreise«, »Im Schlafzimmer-, Ja, schon diese Aufschriften allein müssen einen verderblichen Reiz auf die Sinnlichkeit und Leidenschaftlichkeit der Jugend ausüben (sehr richtig!), noch mehr aber die Darstellungen selbst. Ich frage Sie: ist es nicht empörend, daß so etwas geduldet ist? Meine Herren, an einigen dieser Mutoskope befindet sich als Reklame die Aufschrift: »Polizeilich konfisziert, aber schöffengerichtlich und von seiten der Strafkammer wieder freigegeben«. Ich zweifle nicht, daß diese Reklame richtig ist. Aber ist sie richtig, dann beweist sie, daß hier eine Lücke in dem Strafgesetzbuch sich befindet, die ausgesüllt werden muß; denn wenn that- sächlich die Polizei mit Recht eine Konfiskation vornimmt, die Gerichte diese aber wieder aufheben, dann beweist das, daß bei der gegenwärtigen Auslegung unserer Gesetze eine Lücke im Strafgesetzbuch besteht, (Sehr richtig!) Es ist nun richtig — und ich bin, ich glaube von der linken Seite des Hauses, darauf aufmerksam gemacht worden —, daß unsere Reichsgerichts-Rechtsprechung in den letzten Jahren eine schärfere Auffassung von dem Begriff »unzüchtig vermuten läßt; allein eine Aenderung der Begriffsbestimmung, Siebrnundsechzigsler Jahrgang. 168
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