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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.02.1900
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- 03.02.1900
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- Deutsch
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S62 Nichtamtlicher Teil. 28. 3. Februar 1S00. die ganze Kette der Berner Alpen zeigte sich in schönster Beleuchtung. Mönch. Eiger. Jungfrau. Finsteraarhorn. Schreck horn. alle die alten Bekannten grüßten mit ihren Schnee häuptern zu uns herüber, wofür wir in guter Frühstücks- laune sehr empfänglich waren. Bei dem Festmahl präsidierte wiederum der Bundespräsident, aber wie der einfachste Privat mann. wenn er Gäste bei sich zu Hause empfängt. Keine Spur von Luxus bei Tafel, die Anwesenden in Reisekleidern, die Bewirtung ausgezeichnet, aber einfach. Das alles machte einen vortrefflichen Eindruck. Und wieder ein ganz anderes Bild bot der Verleger kongreß in Brüssel im Juni 18S7. den der Oerels äs la lü- brairio Leige vorbereitet batte. Auch hier trat ein stark ent wickeltes Bürgertum in die Erscheinung, aber nicht in der Einfachheit, die in der Schweiz so sehr anmutete, sondern in der vlämischen Pracht, die wohl noch aus den Traditionen des mittelalterlichen Patriziertums beruht. Die Sitzungen fanden in Brüssel in dem sehr einfachen Lalais än gonrsrne- meat xroviveial statt, das Schlußfest aber wurde in dem be rühmten Rathause am Marktplatz mit unerhörtem Pomp ge feiert. Das LStsl <Ze rille in Brüssel ist bekanntlich der herrlichste gothische Bau in ganz Belgien; der Palast war durch Jahre hindurch innen und außen renoviert, ebenso die vielen alten Gildenhäuser, die den Marktplatz auf den drei Seiten neben und gegenüber dem Rathause begrenzen. Das ganze Innere des Gebäudes, mit seinen vielen luxuriös aus gestatteten Sälen, war durch drei Stockwerke glänzend elek trisch beleuchtet. Die Ratsherren erschienen im Kostüm des 16. Jahrhunderts, und paßten damit so recht zu den alten niederländischen Gemälden und den reichen Gobelins, die die Wände bedeckten. Mittelalterliche Hellebardiere standen Posten auf den Treppenabsätzen und in den Korridoren. Einige Militärkapellen konzertierten an verschiedenen Stellen des Palastes. In etwa zehn Sälen wurden eigenartige Unter haltungen in altvlämischem Stil geboten: Menuett- und Massentänze im Kostüm. Schattenspiele, und Polichinell- Buden. die alte Bolksschwänke aufführten. Musikaufführungen von bemerkenswerten alten Konipositionen, vorgetragen von ausgezeichneten Kräften der Gegenwart, und dergleichen mehr, dabei floß an den zahlreichen Buffets der Champagner in Strömen. Es mochten wohl über eintausend Personen ge laden sein; die Damen entfalteten einen großen Reichtum an alten Brüsseler Spitzen und Diamanten. Das Ganze war ein Künstlersest, das die Stadt als Schlußfeier der vor gedachten Reuovierungsarbeiten gab. Dazu hatte man auch die Kongrcssisten geladen, sie bildeten aber nur einen kleinen Bestandteil der Gesellschaft. Während drinnen alles der Freude huldigte, entlud sich draußen ein gewaltiges Gewitter; grelle Blitze erhellten den Marktplatz fortwährend, und der prasselnde Donner kontrastierte mitunter seltsam mit den zarten musikalischen Aufführungen. In Brüssel waren damals zwei größere internationale Ausstellungen, eine davon in dem Vorort Tervueren, wo auch dem Kongreß von der Stadt ein Bankett angeboten wurde, das mir wegen eines ergötzlichen Zwischenfalles in besonderer Erinnerung geblieben ist. Wie gewöhnlich gingen am Ende des Mahles die durch den Wein entfesselten Wogen der Unterhaltung sehr hoch. Man toastete in allen Sprachen auf alles mögliche. Nun hatten meine deutschen Kollegen wiederholt bemerkt, daß ich mich mit den Vlamländern und Mederländern holländisch unterhielt, das mir infolge mehr jährigen Aufenthaltes in Amsterdam heute noch ziemlich ge läufig ist. Sie forderten mich also aus. ein hervorragendes Mitglied des Kongresses, auf das schon wiederholt getoastet war. zur Abwechselung einmal in seiner Landessprache, der vlämischen. leben zu lassen; Holländisch ist ja fast identisch mit dem Vlämischen. es giebt eigentlich nur Dialettunterschiede zwischen beiden. Gesagt, gethan. Ich brachte den Toast aus. fand auch den Beifall der Versammlung, und ging dann zu dem Angeredeten, um mit ihm anzustoßen. Aber da kam ich mit meiner holländisch-vlämischen Ansprache schlecht an. Der betreffende Herr entgegnete mir lächelnd: > Monsieur, PL? I» leagus ÜLMLnäe-. Ich war wie aus den Wolken ge fallen. denn jedes Kind auf der Straße in Brüssel spricht vlämisch. und der betreffende Herr ist Brüsseler. Aber ich hatte übersehen, daß es in Brüssel eine starke Partei giebt, die das vlämische Element grundsätzlich perhorresciert. Der Herr gehörte dieser Partei offenbar an. wie mir auch von anderen bestätigt wurde. Man sicht daraus, wie leicht man mitunter im Auslande trotz der besten Absicht Anstoß er regen kann. Am interessantesten war der dritte internationale Verleger kongreß in London im Juni 18SS. bei dem der Lublisbers' Aufgabe zufiel, den Kongreß vorzubereiten und in der 8ta- tiousrs IlLll abzuhalten. Dieses Gildenhaus der Londoner Bau. Kann doch die im Jahre 1403 begründete Zunft der Londoner stativvarii auf ein beinahe 500 jähriges Bestehen zurückblicken; schon im Jahre 1556 erhielt sie Korporations rechte, und die in Ltationers' Lall geführten Eintragsregister der neu erschienenen Bücher waren Jahrhunderte hindurch, und sind es noch heute, die einzige Rechlsqnelle für das Ur heberrecht der englischen Autoren. Die Ztationers' eompav^ ist heute noch eine geschlossene Zunft, und zwar eine der wenigen in London, deren Mitglieder ihr nominelles Ge werbe auch wirklich noch betreiben. Bei prachtvollem Frühlingswetter trafen die Kongressisten aus allen Ländern ein. aus Frankreich. Belgien und Holland. Italien. Rußland und Schweden, auch Amerika, selbst Japan hatten Vertreter gesandt. Am stärksten waren Frankreich und Belgien vertreten. Deutsche waren neun anwesend, im ganzen mochten es zweihundert Teilnehmer sein. Es wurde in London vormittags immer sehr stramm gearbeitet, die Nachmittage und Abende waren der Unterhaltung gewidmet. Einmal fuhr ich in kleiner Gesellschaft, geleitet von Herrn Heinemann, per maileoavü nach dem Iis.nelaxb Olub in der Nähe von London. Der ausgedehnte Park stand in herr lichster Blüte; mächtige Cedernbäurne. echte Kastanien. Feigen. Lorbeer und Rhododendron gedeihen bekanntlich in England ausgezeichnet im Freien bei dem auch im Winter wunderbar milden Klima, einer Folge des Golfstromes, der die englische Küste umspült. Im Klubhause wurde gespeist, dann wurde ein Polospiel von Mitgliedern des Clubs geritten und eine Hundeausstellung besichtigt. An einem andern Mittage gab man uns ein Festmahl in der Stationers' Hall, bei dem ich alte Ceremonieen und Ge bräuche wiederfand, die an solche erinnerten, wie sie heute noch in der deutschen Freimaurerei gelten, die bekanntlich ihre Abstammung von den altenglischen Steinmetz-Gilden herleitet. Ein Beweis für den Kreislauf des Lebens. Außer dem allzeit schlagfertigen und gewandten Präsidenten John Murray waren noch viele andere berühmte Buchhändler, Ge lehrte und Parlamentarier anwesend, es sprachen z. B. der Chefredakteur der Lerne äes äeux monäss, Monsieur Brune- tidre. der Historiker Lecky u. a. Die neun Deutschen (es waren die Herren Bielefeld-Karlsruhe. Brauns-Leipzig. Hoff- mann-Stuttgart. Reinicke-Leipzig Seemann-Leipzig. Trübner- Straßburg. und als Vertreter des Börsenvereins: Albert Brockhaus-Leipzig. Engelhorn-Stuttgart und meine Wenigkeit, denen sich noch Herr Müller-Wien anschloß) erfreuten sich während des Kongresses einer ganz besonderen Auszeichnung.
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