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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.02.1900
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- 1900-02-02
- Erscheinungsdatum
- 02.02.1900
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- Deutsch
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27, 2, Februar IS00. Nichtamtlicher Teil, 927 Kongreß- Erinnerungen. Ein Vortrag von Otto Mühlbrecht, »Unser Jahrhundert steht im Zeichen des Verkehrs», dieser gelegentliche Ausspruch unseres Kaisers ist längst ein geflügeltes Wort geworden, das sich auf die verschiedensten Ver hältnisse anwenden läßt. Auch die Kongresse sind ein Produkt unseres modernen Verkehrs, Ich meine hier nicht die politischen Kongresse, die hat es schon zur Zeit der Griechen und Römer gegeben, sondern die zünftigen Berufs-Kongresse, die erst in unserem Jahrhundert entstanden sind. Die Zünfte datieren bekanntlich aus dem Mittelalter; als damals die Handwerker- - Verbände zusammentraten, entsprachen sie dem Bedürfnis, ein Recht auf Arbeit zu erlangen, ihren Mitgliedern eine Stellung in der Gesellschaft zu verschaffen, und auch, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, um gute Produkte auf den > Markt zu bringen und zwar zu Preisen, die angemessen waren, ohne übertrieben zu sein. In diesem Sinne bildeten die Zünfte mehrere Jahrhunderte hindurch eine bedeutende soziale Macht, ein kräftiges Element des Wohlbefindens und der öffentlichen Ordnung, so lange sie dem Geiste und den Ein richtungen ihres Zeitalters entsprachen. Im Laufe der Zeit aber hatten die Zünfte sich überlebt. Aus Privilegien beruhend, waren sie zu einem Hemmschuh des Fortschritts geworden; sie gestalteten sich zu durchaus egoistischen Verbänden, drückend für die eigenen Mitglieder, indem sie diese durch kleinliche Bestimmungen in der freien Bewegung hinderten, und verderblich für die dem Bunde nicht Angehörenden, namentlich für das niedere Volk, dessen Elend ein großes wurde. Als daher die französische Revo lution am Ende des vorigen Jahrhunderts die Zünfte be seitigte, da wurde ihr Verschwinden überall in Europa wie eine Befreiung von lästigen Fesseln freudig begrüßt. In der That war es eine Befreiung der Arbeit, ohne die unsere moderne Entwickelung der Industrie einfach unmöglich gewesen wäre. Außerhalb Frankreichs vollzog sich die Aufhebung der Zünfte nicht an einem Tage, in Deutschland z, B, bedurfte es mehr als eines halben Jahrhunderts, ehe die letzten Ueberbleibsel des Zunftwesens als beseitigt angesehen werden konnten; erst unsere heutige Gewerbeordnung hat definitiv damit aufgeräumt. Und nachdem dies nun geschehen, erleben wir neuerdings das Schauspiel, daß angesichts der Uuzuträg- lichkeiten und der ärgerlichen Seiten der absoluten Arbeits freiheit überall die Leute zusammentreten und versuchen, die alten Zünfte in moderner, veränderter Form wieder aufleben zu lassen. Es ist durchaus der alte Zunftgeist, der alle die Monopol versuche belebt, deren Zeuge wir in den letzten Jahrzehnten waren und heute noch sind. Ich nenne als solche z, B, die amerikanischen Trusts, Verbindungen von Kapitalisten, die gewisse Produkte billig aufzukaufen suchen, um sie nachher möglichst teuer wieder zu verkaufen. Auch die Verbindungen von Mitgliedern gewisser Jndustrieen, um die Preise ihres Fabrikats hoch zu treiben, gehören dahin. Ebenso die Arbeiter verbände, deren Streben dahin geht, die Bedingungen ihrer Arbeit den Arbeitgebern vorzuschreiben. In alledem steckt zweifellos ein gut Teil berechtigten Strebens; aber die Mono polisierung wird überall durch die Uebertreibung der For derungen eine Quelle von Unruhe und recht oft großen Elends für die Beteiligten, Man hat versucht, sich den alten Ein richtungen noch mehr zu nähern, indem man obligatorische Zunftsyndikate schuf; aber diese können heute nicht, wie über haupt nie mehr, erfolgreich wirken, weil sie in direktem Wider spruch stehen mit unserer modernen sozialen, namentlich öko nomischen Ordnung, mit unserer ganzen Entwickelung, wie sie sich seit hundert Jahren bei den freiheitlichen Regierungs- sormen vollzogen hat, denen höchstens der Borwurf zu machen ist, daß sie lückenhaft sind und von der Vergangenheit noch zu viel haben fortbestehen lassen. Aber neben diesen verkehrten Anschauungen, die häufig durch mangelhafte Gesetze und Hemmnisse in der Verkehrs freiheit hervorgerufen werden, beginnt zum Glück doch das, was lebensfähig, richtig und wahr in dem Zunftgedanken ist, sich mehr und mehr zu entwickeln und gute Früchte zu tragen. Man hat endlich erkannt, daß alle großen Jndustrieen gewisse gemeinsame Interessen haben, die durch kein Land und Volk begrenzt sind, sondern die ganze Welt umfassen. Ehemals war der Wirkungskreis der Zünfte meistens ein lokaler, höchstens ein nationaler; heute können die Jndustrieen, dank unserer vervollkommneten Verkehrsmittel, über die unvermeid liche Konkurrenz hinaus, die sie sich selbst bereiten, gemein schaftliche Vorteile in den internationalen Verbänden suchen und finden. In diesen Verbänden können sich die verschieden artigsten nationalen Gebräuche zusammenfinden, und sie thun es, geleitet von dem Wunsche, die verschiedenen Strömungen in llebereinstimmung zu bringen. Dieser Wunsch ist ein ganz charakteristischer Zug unseres Zeitalters, Von allen Seiten sieht man diejenigen sich einander nähern, die gleiche Ideen und Ziele verfolgen, gleichviel, welche Sprache sie reden oder welcher Nation sie angehören. Bemerkenswert ist dabei, daß es zuerst die wissenschaft lichen und moralischen Interessen gewesen sind, die den rich tigen Weg der Annäherung gesunden haben: die Wander versammlungen oder Kongresse, eine Einrichtung, die namentlich in Deutschland bereits tiefe Wurzeln geschlagen hat. Seit Jahrzehnten versammeln sich die Theologen ver schiedenster Richtung, die Aerzte, Juristen, Naturforscher, Geographen und Forstmänner, die Ingenieure, Schriftsteller und Journalisten, die Philologen, Germanisten, Orientalisten, Landwirte, Bierbrauer, Handwerker u, s, w,, sie alle halten ihre Kongresse, Wanderversammlungen, ihre »Tage» und Ver bände ab. Auf einigen Kongressen werden nur Vorträge gehalten, auf anderen schließen sich an die Borträge Diskus sionen und Resolutionen, Die Resultate dieser Versammlungen für das öffentliche Leben werden allerdings oftmals über schätzt; indessen ist diese Sitte schon um deswillen von Wichtigkeit, weil sie das Interesse an derartigen Angelegenheiten in Kreise hinausträgt, die sich sonst dagegen abschließen würden. Von unbestreitbar großem Werte ist überall die persönliche An näherung und Aussprache, die auf dem Kongresse herbei geführt wird. Wie manche Differenz im einzelnen und ganzen wird ausgeglichen, wie mancher gute Gedanke wird durch die Macht des gesprochenen Worts auf fruchtbaren Boden aus gestreut und entwickelt sich herrlich, oft in ungeahnter Ferne und in kleinem Kreise, oft aber auch auf breitester Basis zum Segen aller Völker, Welchen Vorteil haben durch die Wander versammlungen z, B, die Erziehung und der öffentliche Unter richt gehabt! Welchen Segen hat vor allem die Arbeiter bevölkerung aller Länder davon gehabt! Die Versicherung derselben gegen Krankheit und Unfälle, die Fürsorge für ihr Alter und ihre Invalidität u, s, w! Das alles sind mehr oder weniger segensreiche Folgen der internationalen Kongresse, die in ganz anderer, nachhaltigerer Weise die Erkenntnis sozialer Schäden fördern, als es Bücher und Zeitschriften vermögen, Wohl die wichtigsten praktischen Resultate hat aus seinen Kongressen der Schriftstellerstand gezogen. Er hat den Weg der Wanderversammlungen mit unleugbar großem Erfolge betreten. Es war im Jahre 1878, bei Gelegenheit der Weltausstellung in Paris, als die französischen Schriftsteller unter der Führung von Victor Hugo ihre Kollegen aller Nationen zusammen beriefen, um einen Verband zur Verteidigung ihrer gemein samen Interessen zu begründen. Dieses Vorgehen wurde da mals vom Publikum keineswegs günstig beurteilt; man sah kein Bedürfnis, keinen Zweck dafür ein, auch ein Teil der 121»
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