12056 Fertige Bücher. V 239, 14. Oktober 1910. <Z) Soeben erschien: Lili du Bois-Reymond Die Insel im Sturm geheftetet M. 2.50. In Rechnung M. 1.85, bar M. 1.75, 7/6 mit 33Vs^»-^M. 10.— bar. Einbände M. 1.— ord., M. —.75 netto. Dieses kleine Buch von Frau Lili du Bois-Reymond, der Enkelin von Felix Mendelssohn und Tochter von Sebastian Hensel, bedeutet eine tapfere Tat. Das Werkchen ist ein Tendenzroman gegen allerhand Auswüchse unseres modernen Lebens, insonderheit der Frauenbewegung. Es bedarf immerhin kühnen Mutes, wenn eine kluge und ungewöhnlich gebildete Frau heute dagegen ihre Stimme zu erheben wagt, und es würde uns deshalb nicht 'wundernehmen, wenn die modernen Frauenrechtlerinnen das Buch vernichtend kritisieren würden. Gottlob besitzt „Die Insel 'im Sturm" aber außer den gesunden Grundtentenzen so gute künstlerische Qualitäten, daß die Arbeit sich auch rein literarisch sehen lasten kann. Gleich in der ersten, eben einlaufenden Kritik wird das rückhaltlos anerkannt. I.^V. Widmann schreibt im „Berner Bund" u. a.: Eine hochbegabte und feingebildete Frau, die es bedrücken mochte, zu sehen, wie heutzutage gegen Ehe und Familienleben von allen Seiten und nicht zuletzt von ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen Sturm gelaufen wird, fühlte sich gedrungen, in einer lieblich und geistreich ersonnenen Erzählung zu zeigen, wie man ohne alle Rückständigkeit, sondern im Gegenteil auf der Höhe wahrer Bildung dennoch vollstes Lebensglück nur in der Bewahrung und Pflege eines auf guter Grundlage tüch tiger Charaktere ruhenden Familienlebens finden könne . . . Gütiges Verstehen des Lebens und der Menschen, die Fähigkeit, die hier in Betracht kommenden Probleme auf Grund eines gesunden, vorurteilslosen und tief vernünftigen Denkens zu lösen, dazu die echte Dichterfreude an wohl beschaffenen, schönen Menschenkindern, an alten und jungen, und bei sachlichem Ernst in der Dis- kussion großer Fragen ein anmutiger Humor — das sind die Hauptvorzüge, die uns im Talent der geistvollen Frau aus dieser ihrer meisterlichen Arbeit entgegentreten. Auch Lili du Bois-Reymond glaubt an Höhenmenschen und stellt sie lebensvoll dar; aber ihre Höhenmenschen tragen die ethi- schen Ideale des humanistischen Zeitalters in ihrer Brust und lasten sich von keinen Schlagworten der sogenannten Moderne verwirren. . . . Man genießt in diesem Buche das. was ich die gute Laune der Tugend nennen möchte; die Verfasserin und ihre schönen Menschenkinder begegnen sich in einer frohsinnigen und harmonischen Lebensauffassung ... Erquickt und bereichert und dankbar legt man das schöne Buch aus der Hand, nicht um es im Bibliothekschrank zu verschließen, sondern mit der Absicht, es weiter zu geben an befreundete Menschen, denen man gern das Beste gönnt.