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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.10.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-10-08
- Erscheinungsdatum
- 08.10.1910
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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11708 Börsenblatt . b. Ltschn. Buchhanves Nichtamtlicher Teil. 234, 8. Oktober IS10. daß die Herren Hersteller und Verbreiter von Schmutz literatur den früher schwunghaften Handel bei dem Risiko von sechs Monaten Gefängnis meistens nicht mehr für lukrativ angesehen haben. Vor der eigentlichen, schlimmsten Schmutzliteratur ist unsere Jugend heute geschützt, aber ist die Schundliteratur vielleicht weniger gefährlich, ist ein lang sam wirkendes Gift weniger tödlich als ein schnelles? Ich möchte deshalb dem Vorstande des Börsenvereins empfehlen, eine Ergänzung des 8 184 a, jedoch lediglich nach der Seite der Schundliteratur hin, bei der maßgebenden Stelle anzurcgen. Es müßten ferner die Verwaltungen der Städte mobil gemacht werden. Vereinzelt ist das schon geschehen, ich weiß z. B., daß in Hamburg, Leipzig und anderen Plätzen die Schundliteratur dem Straßen- und Zeitungshandel entzogen worden ist. Man muß das natürlich mit größter Vorsicht tun, um Mißgriffe zu vermeiden, da solche geeignet sind, die Anhänger von Verwaltungsmaßregeln in Gegner zu ver wandeln. Es dürfte ratsam sein, Orts- und Kreisausschüsse einzusetzen zur Beurteilung der Frage, was zu unterdrücken ist und was nicht. In diesen Ausschüssen müßte unbedingt der Buchhandel vertreten sein, und zwar zuerst die Sortimenter, die infolge ihrer Literaturkenntnisse am ehesten in der Lage sind, die Grcnzfälle zu beurteilen. Es käme weiter in Betracht die Warnung und die Auf klärung. Hier ist auf das mustergültige Vorgehen der Schnldeputation in Pankow hinzuweisen. Diese hat an alle in Frage kommenden Buch-, Papier-, Zeitungs- und Ge mischtwarenhändler des Ories eine Warnung vor dem Ver kaufe der Schundliteratur gerichtet mit dem Hinweise, daß sie einen großen Teil ihrer Kundschaft bei Nichterfüllung dieses Wunsches verlieren dürften. Gleichzeitig ist an alle Eltern ihrer Schulkinder von der Pankower Deputation ein aufklärcndes Zirkular versandt worden, so mustergültig in Form und Ausdruck, daß es mit geringen Änderungen für alle Orte und Kreise wörtlich übernommen weiden könne. Der Erfolg war verblüffend, die Schundliteratur ist in Pankow einfach verschwunden. In der Großstadt wird der Erfolg nicht so schnell und so vollkommen erreicht werden können, aber ein großer Nutzen wird überall erzielt werden. Mit beson derem Nachdruck möchte ich aber daraus Hinweisen, daß das Sortiment diese Agitation nicht der Schule allein überlassen darf, sondern sich mit der Schule zusammentun muß. Berücksichtigen Sie, meine Herren Kollegen, daß Sie diese Arbeit nicht nur für das Allgemeinwohl tun, sondern daß sie Ihnen Bücherkäufer erzieht. Je mehr Sie helfen, den Geschmack zu verbessern, die Schundliteratur zu verdrängen, desto besser arbeiten Sie für den Absatz guter Literatur. In den Ausklärungszirkularen könnten gute Ltteratur und ihre Bezugsquellen direkt empfohlen werden. Warum überlassen Sie den Lehrervereinigungen die Zusammenstellung der ost einseitig gewählten empfehlenswerten Bücher? In erster Linie wäre das doch Sache des Sortiments und des Verlags! Ich komme nachher noch auf diese Frage zurück. Der Warnung an die Verbreiter von Schundliteratur müßte, falls sie fruchtlos bleiben sollte, ein vollständiger Geschäftsboykott folgen. Ich halte den Boykott für eine gefährliche Waffe, für einen Pfeil, der manchmal auf den Schützen zuriickprallt, aber in der Not sind alle Waffen recht, und niemand wird den tadeln wollen, der öffentlich in geeigneter Form auf Geschäfte warnend aufmerksam macht, die unsere Jugend systematisch vergiften helfen. Die Ratschläge, die ich hier gemacht habe und die sich sicher vermehren lassen, sind durchaus nicht alle neu, aber sie sind bisher nur vereinzelt gemacht worden und haben so der durchschlagenden Krast entbehrt. Der Börsenverein, in dem der deutsche Buchhandel sich repräsentiert, fasse sie zu sammen und bringe sie mit Nachdruck an den richtigen Stellen vor, und sie werden und müssen beachtet werden. Ich komme jetzt zu den prophylaktischen Mitteln, d. h. jenen, die geeignet erscheinen, die Schundliteratur indirekt zu bekämpfen. Der größte Teil der Arbeit, die hier zu leisten ist, wird, wie wir zugeben müssen, der Schule zufallen. Das darf uns aber in keiner Weise hindern, Anregungen zu geben und Beihilfe zu leisten. In erster Linie wird hier das Augen merk aus die Kunst des richtigen Lesens und die Läuterung des Geschmacks im Schulkinde zu richten sein. Die Ansicht ist wohl nicht unberechtigt, daß, wenn dis Schule jedem deutschen Kinde das Lesen beibringt, sie auch die Pflicht habe, ihre Pflegebefohlenen so anzuieiten und zu erziehen, daß sie diese schöne Kunst auch ernst und richtig anwenden. Lernt man aber heute in der Schule wirklich richtig lesen? Man sehe unsere Schullesebücher an> Was enthalten sie? Flick werk! Hier ein Gedicht, dann ein Stückchen zu dem Zwecke zusammcngestoppelter Prosa, ein Häppchen frisierter Geschichte, wieder ein Gedicht, wieder ein Prosastllckchen. Ein ganzes Buch zu lesen, seinen künstlerischen Aufeau, seine Charakter zeichnungen, seine Schilderungen mit Verständnis sich zu eigen zu machen, den Wert oder Unwert des Gelesenen sicher zu beurteilen wird in deutschen Schulen heute noch nicht gelehrt. Erst in ganz letzter Zeit bemerkt man einen Anfang in der Umgestaltung des deutschen Lesebuches. Ich verweise Sie auf die im Verlage Diesterweg erschienene prächtige Lesebuchfolge Neuland, von Charlottenburger Lehrern herausgegeben und wirklich mustergültig zu nennen. Aber beim Leseouch soll man nicht stehen bleiben, es müssen ganze Erzählungen von bleibendem Wsrt in der Klasse gelesen werden, nicht mit pedantischer Zergliederung, sondern großzügig. Aus die häusliche Lektüre muß Einfluß gewonnen werden, die Empsehlung des Lehrers oder der Lehrerin vermag da sehr viel. Es kann auch in der Schul stunde eine spannende Erzählung begonnen und die Be endigung der Privatleklüre überlassen werden. Natürlich muß in solchen Fällen für eine ausreichende Anzahl von Exemplaren für jedes Kind Sorge getragen werden, damit die Anschaffung nicht den Elter» zur Last falle. Ich kenne zwei Lehrer, die in dieser Weise verfahren, die der Lehrplan nicht vorschreibt, und ich weiß, daß die Herzen der Kinder ihnen zufliegen. Man sage nicht, daß die Anschaffung eines Buches in zwanzig bis dreißig Exemplaren die Mittel der Schule über steige, auch wenn diese Anschaffung sllr jede Klasse zehnmal im Jahre zu erfolgen hat. Wir haben heute in den Samm lungen der Wiesbadener Volksbücher, von Hesse u. a. Perlen der deutschen Literatur im Preise von zehn bis dreißig Pfennig, auch können die dreißig Exemplare nach der Benutzung einer anderen Anstalt im Austausch überwiesen werden und so fünf- oder zehnmal den gleichen Segen stiften. Wird diese Methode mit Takt und Energie durchgeführt, so lernen unsere Kinder wirklich ein Buch lesen, und die Gefahren der Schundliteratur werden an ihnen vorübergehen, da diese einem geläuterten Geschmack nichts anzuhaben vermag. Wir können diese Methode vielleicht eine geistige Schutzimpsung nennen. Meine Herren Kollegen, es würde viel zu weit führen, wollte ich Ihnen alles an- und ausführen, was hier an Gutem zu stiften ist, es würde uns die Zeit zu knapp werden. Ich rege den Vorstand des Börsenvercnrs hier mit an, eine Konferenz von Pädagogen und Vertretern des Buchhandels zu befürworten, die die ganze Frage kontradiktorisch behandelt und zweifelsohne Erfolge haben wird. Man sollte natürlich beim Deutschunterricht nicht stehen bleiben, dieselbe Methode läßt sich mit geographischen und
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