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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.10.1910
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- 1910-10-08
- Erscheinungsdatum
- 08.10.1910
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- Deutsch
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234, 8. Oktober 1S10. Nichtamtlicher Teil. S«lI-»d:(UL Dach», i-uchhandet. 11707 Schatz fürs Leben aufs Bücherbrett stellen könnte. Ich möchte die Berechnung des Professors Brunner anzweifeln, nach der das deutsche Volk jährlich 50 Millionen für Schund literatur ausgibt; aber wenn nur der fünfte Teil dieser Summe richtig ist, wäre das ungemein beschämend für die geistige Höhe unseres Volkes. Die Leser dieser Kolportageromane sind vorzugsweise unter den Mädchen und Frauen der unteren Stände zu suchen, hauptsächlich unter den Dienstmädchen und Fabrik arbeiterinnen. Anlockungsmittel sind die sensationelle Aus stattung der Hefte, der immerfort spannende Inhalt dieser unsäglich geistlosen, in immer wiederkehrendcn Situationen sich erschöpfenden Erzeugnisse und der scheinbar billige, in Wirklichkeit übermäßig teure Preis. Hier darf es gestattet sein, aus eine neue schwere. Gefahr, den sogenannten Kundenroman, hinzuweisen. Man versteht darunter Kolpor tageliteratur der schlechtesten Art, die mit Inseraten durch setzt ist und infolgedessen kostenlos aboegeben werden kann. Als Verbreiter dieser Literatur sind die Kaus- leute gedacht, als Abnehmerinnen vorzugsweise die Dienst mädchen. Hier wird der Geschmack nicht nur in noch er heblicherem Maße als bisher verflacht, sondern dem Betrüge Tür und Tor geöffnet, da die Abnehmerinnen häufig un nötige Einkäufe machen werden, um in den Besitz ihrer Fortsetzungen zu gelangen. Weit gefährlicher als diese Kolportageromane ist jedoch der andere Teil der Schundliteratur, jene Abenteurer- und Verbrechercrzählungen, die sich in erster Linie an unsere männliche Jugend wenden. Sie alle kennen die grellbunten Hefte für 10 und 20 H, diese Detektiv- und Räubererleb nisse, die in nie endenden Serien erscheinen, und deren Inhalt immer nur das eine schildert, illustriert und ver herrlicht: das Verbrechen. Hören Sie einige Titel: Die Menschenfalle im alten Hause, — Im Sarge neben der Höllenmaschine, — Die Giftmorde auf der Alameda, — Das Opfer des Giftmischers, — Die Einbrecherfamilie Bird Song, — Jane Davis, die Engelmacherin, — Die ermordete Chansonette, — Der Mädchenschlächter, — In der Gewalt einer Wahnsinnigen, — Der Kinderschlächter von Berlin, — Sam Croker, der würgende Satan. W>rd Ihnen schlecht, meine Herren? Wem würde es dabei nicht? Und unsere Jugend, in Sonderheit unsere Volksschnljrigend, vielleicht aber auch Jhie Kinder, meine Herren Kollegen, kaufen und kaufen diese Sachen und verschlingen sie in Auflagen von Hundert tausenden. Kein deutsches Dichterwerk kann sich an Auf lagenhöhe nur im entferntesten dieser Literatur an die Seile stellen. Aus den paar Titeln schon, die ich Ihnen verlesen habe, können Sie entnehmen, daß die Wirkung derartiger Sachen auf die Jugend eine geradezu verheerende sein muß. Wenn auch die Leser dieser Literatur nun nicht immer gleich Räuber und Mörder und Mädchenschänder werden, nahe liegt jedenfalls diese Gefahr und sicher ist, daß eine Roheit hier großgezogen wird, die wir mit Schrecken wachsen sehen unter unserer Jugend, daß diese Jugend in ihrer Geschmacks richtung, in ihrer Weltanschauung, in ihren Idealen auf ein bejammernswert tiefes Niveau hcruntergcdrückt wird. Meine Herren, ich könnte Ihnen drei Stunden lang sprechen von den Verheerungen, die diese Schundliteratur anrichtet, wäre unsere Zeit nicht eine zu kostbare; aber wenn ich drei Stunden gesprochen hätte, wenn ich Ihnen Proben aus diesen Heften verlesen hätte, so könnten meine Schilderungen doch immer nur ein ganz schwaches Bild von den Ab scheulichkeiten geben, die es hier zu bekämpfen gibt. Gestatten Sie mir nun, überzugehen zu der praktischen Frage nach den Abwehrmaßregeln, die alle, die es mit der Jugend gut meinen, und wer wäre das nicht, ergreifen müssen, um diese Schande uuszurotten oder ihr wenigstens doch Abbruch zu tun. Ehe wir das können, müssen wir uns fragen, warum denn diese Literatur eine solche Verbreitung gewinnen konnte. Da ist zunächst die Sucht des Menschen nach Aufregung, nach Abenteuern, nach dem Sensationellen in Betracht zu ziehen, eine Sucht, die besonders von vielen Tageszeitungen in ungesunder Weise großgezogen und ge nährt wird. Ganz besonders ist diese Sucht im jugendlichen Alter von 13 bis 16 Jahren entwickelt. Meine Herren, auch wir haben Jndianergeschichten von zweifelhaftem Werte verschlungen, wenn man aber diese gegen die jetzige Literatur halt, so waren sie Harmlosigkeiten im Vergleich mit den heute geborenen Scheußlichkeiten. Auch wir haben uns für einen großen und edlen Räuberhauptmann erwärmen können und ihn in unfern kindlichen Spielen verherrlicht, aber ich entsinne mich nicht, jemals die Abenteuer von Engelmacherinnen, Mädchenschlächtern und ähnlichen Herrschaften zu Gesicht be kommen zu haben, als ich Junge war, und ich habe viel gelesen und war frei in der Wahl meines Lesestoffes vom zwö freu Jahre an. Es gab eben damals eine solche Literatur nicht. Es ist ferner in Betracht zu ziehen die Vorliebe sehr vieler Kinder, ihre ganze freie Zeit durch Lesen auszusüllen. Dazu reichen die zwei bis drei Bücher, die zu Weihnachten oder zum Geburtstage allenfalls geschenkt werden, bei weitem nicht aus, die Schulbibliotheken sind oft unzulänglich, vor allem aber wird gerade von den Eltern unser Volksschul- jagend das häusliche Lesen oft als Faulenzerei angesehen und verboten. Da ist dann das bequem in der Jackentaschs zu versteckende Schundheft der willkommene Nothelfer. Endlich aber ist der Sinn des Heranwachsenden Kindes aus das Stoffliche in seiner Lektüre gerichtet, das Reflektieren liegt dem Vierzehnjährigen fern, das Geschehen ist die Hauptsache. Auch hier ist die Schundliteratur mit ihrer ununterbrochenen Folge von Geschehnissen, die aus Kosten der Lebenswahrheit aneinandergereiht werden, dem guten Buche überlegen, das vor allem lebenswahr zu schildern bemüht ist. T»es alles werden wir zu berücksichtigen haben, wenn wir von den prophylaktischen Mitteln gegen die Schundliteratur sprechen werden. Vorerst lassen Sie mich jedoch von den anderen, den Zwangsmaßregeln, einiges sagen. In erster Reihe kommt hier die Gesetzgebung in Frage. Der Paragraph 18ta, der die Jugend schützt vor Druckschriften, Bildern usw, die, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen, genügt meiner Ansicht nach, wie ich vorher bereits ausgeführt habe, im Kampfe gegen die Schmutzliteratur vollkommen. Nicht so, wie ich meine, gegen die Schundliteratur. Hier würde eine Erweiterung des Paragraphen, bzw. eine Ergänzung am Platze sein. Man wende nicht ein daß der Begriff der Schundliteratur schwer zu definieren und noch schwerer gesetz lich zu regeln sei, angesichts der drohenden Gefahren muß er eben geregelt werden, und wenn die Schwierigkeiten berge hoch wären. Unsere Gesetzgebung belegt mit strengen Strafen das Verbrechen gegen das keiniende Leben, das in den meisten Fällen begreiflich, in sehr vielen entschuldbar erscheint, sie läßt aber straflos das viel schwerere Verbrechen gegen das keimende geistige Leben, besonders unserer Knaben, das durch nichts entschuldigt oder begreiflich gemacht werden kann, es sei denn, daß es einigen Verlegern von Schund literatur die Taschen mit Millionen füllt und einigen Dutzenden elender Skribenten, die diese Literatur verfassen, das Leben sristet. Auch bei Beratung des Paragraphen 184a in der Kommission und im Plenum des Reichstags hatte man unzählige Einwände, und ich gebe zu, daß der Paragraph nicht mustergültig genannt werden kann und daß er häufig zu Fehlurteilen führt, aber er hat doch das Gute gestiftet, 151»'
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