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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.08.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-08-18
- Erscheinungsdatum
- 18.08.1910
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. 190. 18. August 1910. die schiefwinkligen und geradlinigen, wie n, v, x, 2, viel leichter und sicherer erkannt und viel weniger miteinander oder mit anderen Buchstaben verwechselt als die übrigen. Eine Ausnahme davon macht i wegen seines Punktes, o, e, 0, a. und 8 erscheinen in ganz geringer Entfernung vom Fixationspunkt als rundliche Massen, b und 6, p und q, b und d werden leicht miteinander verwechselt, ebenso r und t, was sicher nicht geschehen würde, wenn das k eine Unterlänge hätte. Die Versuche Kirschmanns mit Frakturbuchstaben haben ergeben, daß die kleinen deutschen Buchstaben im allgemeinen auf weitere Entfernung im indirekten Sehen richtig wahrgenommen werden als die kleinen Antiquabuchstaben. Sie haben weniger als letztere die Neigung, im indirekten Sehen zu rundlichen Massen zu ver schwimmen. Die Eckigkeit, die dreieckigen oder rhombischen Ver dickungen an den Enden der Vertikalstriche, die Ober- und Unter längen sowie die sonstigen charakteristischen Anhängsel der deutschen Buchstaben bilden kein Hindernis, sondern sind geradezu ein Hilfsmittel zur leichteren Erkennbarkeit. Die großen deutschen Buchstaben sind dagegen im indirekten Sehen im allgemeinen schlechter zu erkennen, als die lateinischen. Für die leicht lesbare deutsche Druckschrift stellt Professor vr. Kirschmann auf Grund der Ergebnisse seiner Versuche folgende Forderungen auf: 1. Die Buchstaben müssen scharf unterscheidbare, charakteristi sche Formen besitzen, die im indirekten Sehen leicht erkennbar sind. Eckige Formen sind rundlichen entschieden vorzuziehen. Be- sondere Herausarbeitung der Ecken ist zu empfehlen. Spitze Winkel sind besser als rechte. 2. Auch in denjenigen Eigenschaften, die nicht charakte ristische Merkmale bilden, sollen die einzelnen Zeichen ver schieden sein. Formen, die in der Hauptsache übereinstimmen, Umkehrungen oder Spiegelbilder voneinander sind, sind streng zu vermeiden. 3. Es muß für genügende Abwechslung in der Anbringung von Ausladungen, Ober- und Unterlängen gesorgt werden. Buch- staben, die zugleich Ober- und Unterlängen haben, bilden, wenn in nicht zu großer Zahl vorhanden, eine besondere Erleichterung für das schnelle Erfassen der Wortbilder im indirekten Sehen. 4. Die Verwendung großer Buchstaben für die Hauptwörter ist in der deutschen Sprache für die schnelle Auffassung der Satz gliederung von größter Bedeutung und darf unter keinen Um ständen aufgegeben werden. 5. Wegen der vielen langen und zusammengesetzten Wörter in der deutschen Sprache ist bei genügend eckigen und individuell charakteristischen Formen der Buchstaben schmaler Schnitt empfehlenswert. Die Fraktur-Initialen stehen hinsichtlich ihrer Erkennbarkeit im indirekten Sehen hinter den lateinischen zurück, weil sie fast alle zu rundlich, zu gewunden und, wo dies nicht der Fall ist, ein ander zu ähnlich sind. Selbst im zentralen Sehen, also beim Buchstabieren oder langsamen Korrekturlesen, kann man bei schlechtem Druck oft nur erraten, ob ein B oder V, N oder R vorliegt. Auch C und E, O und Q sind einander zu ähnlich. Die sogenannte Schwabacher Schrift, besonders die sogenannte Offen bacher Schwabacher von Gebrüder Klingspor erfüllt aber bis auf einige Kleinigkeiten die von Kirschmann gestellten Anforderungen, wie Ruprecht in Nr. 169 des Börsenblatts überzeugend dar gelegt hat. Die kleinen Frakturbuchstaben haben gegenüber den Antiqua- Gemeinen folgende Vorzüge: Sie entsprechen der Forderung, daß die Druckbuchstaben beim indirekten Sehen, also beim ge läufigen Lesen, scharfe Ecken, spitze Winkel, möglichst wenig Ab rundungen haben, viel besser als die lateinischen. Die deutsche Schrift hat keine Zeichen, die Umkehrungen oder Spiegelbilder von einander sind wie z. B. d, 6, p, y der Antiqua, ebenso deut liche b und h, gegenüber d und d; n und u, f und s, r und x müßten allerdings stärkere Unterscheidungsmerkmale aufweisen. Die deutsche Schrift ist entschieden formenreicher als die lateinische und wegen dieses Formenreichtums für das geläufige Lesen von Druck vorteilhafter. Die Fraktur hat mehr lange, d. h. oben oder unten über die anderen kleinen Buchstaben hinausgehende Schriftzeichen. Diese langen Zeichen wirken im indirekten Sehen wie Meilensteine und Wegweiser und dienen dem vorwärts eilenden Blicke als Stützpunkte. Die deutsche Druckschrift hat für 8 (Antiqua) zwei verschiedene Zeichen, das lange s und das Schluß-s (s. Ruprecht S. 1, 2). Die deutsche Schrift gestattet einen bedeutend schmäleren Schnitt als die Antiqua, was wegen der vielen langen Worte und Wortzusammensetzungen im Deutschen von großem Werte ist. Aus diesen Erwägungen ergibt sich nach Kirschmann, daß die kleinen Frakturbuchstaben für eine leicht lesbare Druckschrift weit besser geeignet sind als die der Antiqua. Die Frakturbuchstaben, die Ober- und Unterlängen besitzen, müssen unter allen Umständen beibehalten werden. Javal hat in seinem oben erwähnten Werke den Satz aufgestellt, daß man die Unterlängen der Lettern ganz unterdrücken könnte, ohne die Lesbarkeit zu schädigen. Cohn (a. a O. S. 33) hat diesen Standpunkt nie teilen können und be merkt dazu, daß gerade die Unterbrechung der Monotonie der kurzen Buchstaben durch oben und unten überragende Lettern für das Auge sehr wohltätig ist und die Ermüdung verhindert, wie es auch durchaus nicht wünschenswert ist, daß die Zeilen zu eng an einander rücken. Einige große Buchstaben der Fraktur sind ab zuändern und leichter unterscheidbar zu gestalten. Der Verein für Altschrift hat in § 10 seiner Flugschrift »Alt- schrift oder Bruchschrift« ganz dogmatisch erklärt, daß die Altschrift lesbarer sei, daß augenärztliche Versuche und Berechnungen er geben haben sollen, daß Bruchschrift, Altschrift, fette Altschrift und fette Steinschrift sich in ihrer Lesbarkeit verhalten wie 0,9:1,0: 1,6: 2,2. Dies mag so weit richtig sein, als es sich um die Erkenn barkeit einzelner Buchstaben im zentralen Sehen handelt. Dieser Fall mag für das Buchstabieren, aber nicht für das fließende Lesen gelten; es ist also ein sehr wenig sorgfältiges Verfahren, wenn man solche unzutreffenden Angaben verbreitet und aus ihnen Schlüsse auf das geläufige Lesen zieht, ohne die Funktion des indirekten Sehens zu berücksichtigen. Außerdem können fette Antiqua und fette Lapidar doch nicht mit gewöhnlicher Fraktur verglichen werden. Denn sonst müßte der Verein für Altschrift doch folgerichtig empfehlen, alle Bücher in fetter Steinschrift drucken zu lassen. Wenn von mancher Seite aber der deutschen Druckschrift die Zunahme der Kurzsichtigkeit der Schuljugend aufgebürdet worden ist, so scheint man dabei sehr von vorgefaßten Meinungen beein flußt worden zu sein. Die Augenärzte, die sich in diesem Sinne äußerten, haben sich dabei auf Sehproben gestützt, die lediglich im zentralen Sehen vorgenommen worden sind. Die wichtige Rolle, die das exzentrische Sehen beim Lesen spielt, wurde nicht in Betracht gezogen. Die Statistik der Augenkrankheiten berechtigt ganz und gar nicht zu einer Verwerfung der Fraktur. Die Masse der Kurzsichtigen befindet sich nicht so sehr in den Volksschulen, als vielmehr in den höheren Lehranstalten, wo die Schüler viel mehr Antiqua als Fraktur zu lesen haben. Es darf auch nicht uner wähnt bleiben, daß sich die Gegner der Fraktur meist in den Kreisen derer finden, die durch ihre in erster Linie altsprachliche und fremdsprachliche Vorbildung besonders an lateinische Schrift In dem Streite um Fraktur oder Antiqua ist auch der historische und nationale Standpunkt geltend gemacht worden. Die eine Seite behauptet: Die Altschrift ist die richtige, die echte; die Fraktur ist eine verdorbene, launenhaft verzerrte Karikatur derselben. Es scheint, als ob der sonst so beliebte Entwicklungs gedanke, der Gesichtspunkt von der Berechtigung des historisch Gewordenen hier plötzlich ohne jegliche Untersuchung über Bord geworfen wird. Die deutsche Druckschrift hat ihren Entwicklungs gang durchgemacht (S. Archiv für Buchgewerbe Bd. 41, S. 45 ff., 90 ff., Bd. 42, S. 202 ff.). Die Formen, die sie im wesentlichen im Laufe der Zeit des großen geistigen Aufschwunges erworben hat, sind nicht der Ausdruck launenhafter Spielereien, Schreiber oder Druckerlaunen, sondern diese Formen haben sich zum großen Teil der Notwendigkeit, die an eine leichte Lesbarkeit in deutscher Sprache gestellt werden müssen, angepaßt. Die An tiquaschrift ist dagegen eine seit vielen Jahrhunderten in der Ent wicklung völlig stehengebliebene Schriftform. Man hat andererseits gesagt: Die Antiqua hat genau dasselbe Recht, »deutsch« zu heißen, wie die Fraktur. Sie lateinisch zu nennen, ist, abgesehen von den Majuskeln, ein historischer Irrtum. Dies mag sein, wie es will. Soviel steht fest: Heutzutage ist die Fraktur die Leseschrift des deutschen Volkes. Und wir haben gesehen, daß sie vor der Antiqua ihre großen Vorzüge hat. Die
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