Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.08.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-08-18
- Erscheinungsdatum
- 18.08.1910
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19100818
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191008182
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19100818
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1910
- Monat1910-08
- Tag1910-08-18
- Monat1910-08
- Jahr1910
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
190. 18. August 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 9357 denen man nur die untere Hälfte sieht, zu erraten, während man bei dem gleichen Versuch, wenn die untere Hälfte der Zeile ver deckt wird, fast ebenso glatt liest, als wenn die ganze Zeile offen läge. Es ist daher ganz natürlich, daß man leichter liest, wenn man den Blick der Zeile entlang in einer Linie gleiten läßt, die höher liegt als die Mitte der Buchstaben. Dazu zwingt schon die Tatsache, daß der größte Teil der Zeile aus Buchstaben zusammen gesetzt ist, die mit ihrem oberen Teile über sie hinausragen, während über den unteren Teil fast gar keine Buchstaben hinaus ragen, in der Antiqua nur §, j, p, g, und daß diese nach den Durchschnittsrechnungen der Setzer unter 100 überhaupt über die Linie hinausgehenden Buchstaben nur fünfzehnmal vor- kommen. In der deutschen Frakturschrift fand Cohn (s. a. a. O. 33) das Verhältnis noch günstiger; er fand, daß wegen der vielen großen (also die Lesbarkeit erleichternden) Buchstaben unter hundert Lettern nur fünfmal solche nach unten überstehen. Cohn hätte also keine Ursache, der Antiqua den Vorzug zu geben. Die Buchstaben müssen deshalb eine solche Form erhalten, daß sie sich gerade in der vom Fixationspunkt getroffenen Stelle am leichtesten voneinander unterscheiden lassen. Die allgemeine Annahme, daß leichte Erkennbarkeit eines Schriftzeichens mit der Einfachheit seiner räumlichen Formen Zu sammenfalle, ist nach Kirschmann (a. a. O. 15) absolut unrichtig. Einfachheit ist nur dann ein gutes Mittel zur Unterscheidung, wenn es sich um eine sehr kleine Anzahl von zu unterscheidenden Dingen oder Zeichen handelt. Sobald jedoch zahlreiche Zeichen zu unterscheiden sind, wie beim Alphabet, dann ist das Haupt erfordernis viel weniger die Einfachheit, als die Abwesenheit von übereinstimmenden Merkmalen. Die Buchstabenzeichen des Morse schen Telegraphen wären z. B. geometrisch sehr einfach, gäben aber viel Anlaß zu Verwechslungen. Die einfachste Buchstaben form ist also durchaus nicht auch die am leichtesten zu erkennende. Im Gegenteil, sagt Kirschmann, würde eine komplizierte Form, die verschiedene nicht mit anderen zu verwechselnde Merkmale bietet, leichter und sicherer erkannt werden, wenn auch nur eines der ihr eigentümlichen Merkmale mit Sicherheit wahrge nommen ist. Noch viel weniger als die direkte Einfachheit der geometrischen Form darf man die Erkennbarkeit eines Schriftzeichens beim Lesen der mehr oder minder großen Leichtigkeit, mit der es schreibend oder zeichnend wiedergegeben werden kann, einfach proportional setzen. Die deutsche wie die lateinische Schreibschrift ist in ihren Formen viel einfacher als die Druckschrift, dennoch ist letztere leichter zu lesen. Ein Hauptirrtum ist die Annahme, daß beim Lesen die Er kennbarkeit der Schriftzeichen im direkten oder zentralen Sehen allein maßgebend sei, oder mit anderen Worten, daß man jeden Buchstaben fixiere, d. h. sein Bild auf die Stelle des deutlichsten Sehens, die ?ovea. centralis der Netzhaut projiziere. Der Blick nimmt sich während des geläufigen Lesens gar keine Zeit, jeden Buchstaben in allen seinen Teilen genau zu besehen; weit davon entfernt bewegt sich der Fixationspunkt auf einer genau wage rechten Linie, die alle kurzen Buchstaben in Punkten schneidet, die ein wenig unter ihrem oberen Ende liegen; die anderen Teile der Buchstaben werden indirekt gesehen und treffen die Netzhaut mehr oder weniger entfernt von der 1?ovea centralis (der Mitte des gelben Fleckes). Auf den Irrtum der Annahme des direkten Sehens beim Lesen hat Professor vr. Kirschmann in seiner Ab handlung über die »Helligkeitsempfindung im indirekten Sehen« schon zehn Jahre früher hingewiesen, als dies von Erdmann und Dodge (Untersuchungen über das Lesen, 1898) geschehen ist. Kirschmann hat gezeigt, daß nur der Abcschütze im ersten halben Jahre des Schulunterrichts (und bis zu einem gewissen Grade vielleicht auch der gewissenhafte Korrekturleser) jeden Buchstaben fixiert, daß dies aber beim geläufigen Lesen unter keinen Um ständen geschieht. Wir lassen vielmehr den Fixationspunkt von Wort zu Wort überspringen — wobei kleinere Wörter oft genug ganz übergangen werden — und können an jeder solchen relativen Haltestelle höchstens ein Zeichen scharf ins Auge fassen, während alle übrigen nur indirekt, d. h. mit der seitlichen Netzhaut gesehen werden. Im indirekten Sehen ist aber die Genauigkeit der Wahrnehmung räumlicher Formen anderen Bedingungen unter worfen als im Zentrum des Sehfeldes. Wenn daher die Seh schärfenbestimmungen der Augenärzte zuweilen etwas zugunsten Vörfinblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. der lateinischen Druckschrift ausfallen, so beweist dies noch nichts für die Überlegenheit der letzteren, denn diese Bestimmungen beziehen sich fast ausschließlich auf isolierte Buchstaben im direkten Sehen. Beim geläufigen Lesen spielt aber das indirekte Sehen, das Sehen mit der exzentrischen Netzhaut eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Deshalb ist es zum leichten und schnellen Lesen unerläßlich, daß die Schriftzeichen eine solche Form und Größe haben, daß sie in möglichst großer Entfernung vom Fixationspunkt schon sicher erkannt werden. Wenn man über die deutsche Druck schrift zugunsten der lateinischen den Stab bricht, ohne unter sucht zu haben, wie es mit der Erkennbarkeit ihrer Bestandteile im exzentrischen Sehen bestellt ist, so tut man großes Unrecht. Beim geläufigen Lesen schreitet der Blickpunkt sprungweise von Wort zu Wort fort, oft auch kleinere einsilbige Worte über springend. Dabei scheint es am wenigsten Anstrengung zu erfor dern, wenn die durchschnittliche Wortlänge eine mittlere ist, also bei der gewöhnlichen Größe der Druckschrift und normaler Ent fernung vom Auge etwa 7—8 Buchstaben umfaßt. Bei Fraktur, die meist enger steht und schmäleren Schnitt erlaubt, dürfen es auch noch mehr sein. Es handelt sich überhaupt nur um die durchschnittliche Wvrtlänge, denn das Auge ermüdet weniger, wenn die Drehungswinkel einigermaßen abwechseln, als wenn sie genau die gleichen bleiben. Auch das Auftreten vieler ganz langer Wörter verursacht keine wesentliche Erschwerung. Das Auge macht dann zwei oder mehr relative Haltestellen in einem Wort. Dagegen stört das Überhandnehmen kurzer Wörter sehr, offenbar weil das Auge gezwungen ist, in zu kurzen Drehungen über zu kleine Schriftstrecken fortzuschreiten, denn nur wenn ver hältnismäßig wenig kurze Formwörter, wie Artikel, Präpo sitionen usw., Vorkommen, können diese bei der Fixation, d. h. bei der Verteilung der relativen Haltestellen übergangen werden. An dieser Stelle sei auch auf einen landläufigen Irrtum auf merksam gemacht. Wenn man beim anhaltenden Lesen kleinen Druckes ermüdet, so schiebt man dies gewöhnlich auf die Klein heit der Buchstaben und auf die Anstrengung des Auges, sie scharf zu sehen. Das ist unrichtig. Die Netzhaut ermüdet nicht an der Schärfe der auf sie projizierten Bilder. Im Gegen teil, je schärfer die Netzhautbilder, um so geringer die Anstrengung und Ermüdung. Beim Fernsehen ruht sich das emmetropische Auge am besten aus, obgleich gerade dann die Bilder auf der ganzen Netzhaut am schärfsten sind. Dagegen ermüdet der motorische Mechanismus des Auges, wenn an die Akkommodations einstellung zu hohe oder zu oft wechselnde Anforderungen gestellt werden und wenn das Auge gezwungen wird, anhaltend sehr kurze Winkeldrehungen zu beschreiben. Professor vr. Kirschmann hat nun seit einer Reihe von Jahren Versuche über die Erkennbarkeit von geometrischen Figuren und Druckbuchstaben im indirekten Sehen angestellt und anstellen lassen. Ausführlicheres darüber möge man in seiner oben an geführten Schrift Nachlesen. Die Hauptergebnisse der Kirschmannschen Untersuchungen sind folgende. Bei Lapidarbuchstaben werden nicht die geometrisch einfachsten, aus senkrechten und wagerechten Linien rechtwinklig zusammengestellten Zeichen wie l., "p, ^ und l-l am weitesten hinaus mit Sicherheit erkannt, sondern die komplizierteren, schiefwinklig zusammengesetzten wie w und ^ (auch v, nur wird dies zuweilen mit und v verwechselt). Den kleinsten Erkennungsbezirk hat 1-«, das mit dem l der einfachste und symmetrischste Lapidarbuchstabe ist. Wenn Einfachheit der Gestalt und Leichtigkeit des Schreibens oder Malens für leichte Lesbarkeit maßgebend wären, müßte l-I im seitlichen Sehen am weitesten erkannt werden. Tatsächlich wird es aber mit ivi, i^, K, x, zuweilen sogar mit verwechselt, wenn aus irgendeinem Grunde die senkrechten und wagerechten Striche des >-i schief oder etwas konvex erscheinen. 0, O, Q, bereiten wegen ihrer sehr ähnlichen runden Formen im indirekten Sehen große Schwierigkeiten. O wird oft mit O verwechselt. Die Antiquabuchstaben werden, obwohl sie komplizierter sind, auf weitere Entfernung sicherer erkannt als die Lapidarbuchstaben. Nur beim 6 geben die Querstriche noch vermehrten Anlaß zu Verwechslungen (z. B. mit L, U, zuweilen auch mit I' und L). Verwechslungen von v und 0 kommen nicht, von 6 und 0 unter einander oder mit 0 seltener vor. Von den kleinen Antiqua buchstaben,. die weder Ober- noch Unterlängen aufweisen, werden I2!7
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder