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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.07.1910
- Strukturtyp
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- 1910-07-28
- Erscheinungsdatum
- 28.07.1910
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- Deutsch
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Jk 172, 2», Juli 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 8667 Karls d. Gr. letztem Willen, in den Straßburger Eidschwüren, im Hildebrandlied ersichtlich sind, und daß die karolingische Schrift bis etwa 1250 immer weiter vervollkommnet und aus gestaltet worden ist. Die wichtigsten Werke unseres ältesten Schrifttums sind meist in der gebrochenen karolingischen Schrift, die Werke der mittelhochdeutschen Dichter ausschließlich in unserer gebrochenen Schrift niedergelegt. Es ist gewiß kein Zufall, daß die fertige Entwicklung der deutschen Bruchschrift um 1260 mit der Blüte der mittelhochdeurschen Dichtung und mit der Blüte des gotischen Baustils zusammenfällt und daß man unsere Bruch schrift von da ab gotische Schrift zu nennen begann; denn in ihr wie im Baustil rang der nämliche deutsche oder germanische Geist sich zum Allsdruck. Die heutige deutsche Schreibschrift, die sich zu gleicher Zeit mit der karolingischen, später gotisch genannten Schrift entwickelte, ist keine abgeleitete Schrift, sondern eine selb- ständige germanisch-deutsche Schöpfung. Die gotischen Schriften des vierzehnten Jahrhunderts weisen eine wunderbare Schönheit und Vollendung auf, besonders diejenigen der großen Manessi schen Liederhandschrift, die 1888 durch Vermittlung des Buch händlers Trübner für Deutschland zurückgewonnen wurde. Einem Deutschen war es beschieden, die Druckkunst zu er finden. Wieder war es die deutsche Bruchschrift, deren Gestalt Gutenberg seinen beweglichen Lettern gab. Peter Schöffer, Albrecht Dürer, I. G. Breitkopf u. a. sorgten für die weitere Ausbildung der deutschen Schrift, während die große Zahl der heutigen Schriftgießereien nach Kräften um Vervollkommnung und Mannigfaltigkeit der deutschen Schrift besorgt ist. Reinecke bringt in seinem Werke zahlreiche Schriftproben jetziger Schrift gießereien. In mehr als tausendjähriger Arbeit haben Deutsche an der Ausgestaltung der deutschen Schrift gearbeitet. Ein Frevel am deutschen Volkstum wäre es, wenn man das uralte Erbgut der deutschen Schrift leichtsinnig preisgeben wollte, weil eine kleine Anzahl von Leuten für einen schwächlichen Internationalismus schwärmt und nicht einsehen will, welcher unermeßliche Schaden dem Deutschtum durch Preisgabe seiner deutschen Schrift ent stehen würde. Daß die Erlernung der deutschen und lateinischen Schrift für die deutsche Jugend etwas unbequem ist, mag sein, rechtfertigt aber durchaus nicht die Preisgabe der deutschen Schrift, die zweckmäßiger und der deutschen Sprache besser angepaßt ist. Die deutsche Schrift ist eine wirkliche Leseschrift; sie ist besser lesbar, d. h. in den Wortbildern klarer und deutlicher als die lateinische Schrift. Alles Lesen ist zum Teil Uberfliegen und Erraten. Beim geläufigen Lesen fortlaufenden Satzes faßt der Blick nicht jeden einzelnen Buchstaben, sondern die Wortbilder und von diesen auch wieder nur ein bestimmtes Zeichen in's Auge; der Blick haftet nur an bestimmten Stellen des Wortbildes, während alle übrigen Zeichen nur mittelbar, d. h. mit der seitlichen Netzhaut gesehen werden. Unser Sehen beim Lesen ist größtenteils nur ein mittel bares. Nach den Ermittlungen von Schriftsachverständigen ist die Erkennbarkeit von Schriftzeichen im unmittelbaren (geraden) Sehen beim Lesen nicht allein maßgebend; die größere Einfach heit der Form der Schriftzeichen, bzw. die größere Leichtigkeit, sie zeichnend oder schreibend wiederzugeben, bewirkt nicht leichtere, sondern schwerere Erkennbarkeit und Lesbarkeit. Beim mittelbaren Sehen, d. h. bei allem Lesen, sind nun Buchstaben mit scharf unterscheidbaren, kennzeichnenden, eckigen Formen und spitzen Winkeln leichter als andere zu erkennen. Deshalb ist die deutsche Schrift besonders in ihren kleinen Buchstaben leichter er kennbar als die abgerundete lateinische Schrift. Bei der deutschen Bruchschrift haben die Buchstaben, besonders die kleinen, scharfe Ecken, Kanten, Häkchen, eckige (dreieckige, rautenartige) Ver dickungen der senkrechten Striche, schnörkelartige Fortsätze und Abschlüsse, zahlreiche Ober- und Unterlängen, sowie andere kenn zeichnende Anhängsel, sämtlich Eigenschaften, die das Hinmalen derselben aus dem Kopfe zwar etwas erschweren, die Unter scheidung und Erkennbarkeit beim Lesen aber erleichtern, indem sie durch ihr eigenartiges Gepräge vorzüglich in die Augen fallen und den Wortbildern mehr kennzeichnende Ausladungen geben als die Zeichen der Lateinschrift. Die Buchstaben s, f, h, sch, ß besitzen über die Schriftlinie hinausragende Ober- und Unterlängen, die Oberlängen von b, d, k, l, t, die Unterlängen von g, p, q, x, y, z sind untereinander merklich verschieden, wodurch bei den deutschen Schriftzeichen Mannigfaltigkeit erzielt wird und kennzeichnende Wortbilder ge schaffen werden. Dadurch bietet die Buchschrift dem Auge, be- sonders beim schnellen Lesen, mehr Ruhe-, Anhalts- und Stütz punkte, größere Klarheit und Übersichtlichkeit und befördert das Erraten (Erkennen im mittelbaren Sehen). Bei der Lateinschrift wird das Lesen deutscher Wortlaute auf die Dauer schwierig und nachteilig, besonders das der langen deutschen Wörter, weil das Auge an den vielen Abrundungen und Bogen der stets gleich mäßig runden, ineinander verfließenden Schrift abgleitet und selten feste Ruhepunkte findet. Die Formen o, 6, o, 0, 3, 8, X, v, V, ^V, x, X, 2, 2, p, ?, k, X usw. wirken in Lateinschrift auf die Dauer ermüdend. Der Lateinschrift fehlen mehr Ober und Unterlängen als der deutschen Schrift. Die Oberlängen von t, t', b, ir, ck usw. bieten dem Auge keine starken Unterschiede. Die Großbuchstaben der Lateinschrift sind weniger gut zu unterscheiden als die der deutschen Schrift, die Buchstaben 6, b, p, y, b, ü leicht zu verwechseln. Die deutsche Schrift beansprucht im Druck weniger Raum als z die lateinische Schrift, was für das Lesen, d. h. für das schnellere Erfassen der Wortbilder von Vorteil ist. Deutscher Satz ist gleich mäßiger als der gleiche lateinische, da nach k', 1^, k, 1, V, usw. Lücken entstehen, die breiten Formen des 6, v, 6, 0, U außerdem für das Lesen ungünstig sind. Neun Zeilen Bruchschrift ergeben bei demselben Schriftgrade zehn Zeilen in runder Schrift, oder elf Bruchschriftbuchstaben nehmen so viel Raum, d. h. Breite, wie neun Lateinschriftbuchstaben entsprechenden Kegels ein, weil der Buchstaben-Abstand bei der Bruchschrift ein gleichmäßigerer ist. Das Auge hat also bei dieser einen viel kürzeren Weg zu durch laufen, wodurch die Lesbarkeit erhöht wird. Bei manchen älteren Schriftschnitten fehlen die entsprechenden Lettern ß, sch, ä, ö, ü, äu, A, O, U, Äu usw. Die deutsche Schrift ist für die Augen gesundheitlich wohl tätiger als die lateinische Schrift, wie statistische Erhebungen und augenärztliche Untersuchungen dargetan haben (siehe Reinecke S. 48 ff.). Die deutsche Schrift ist schreibflüchtiger, d. h. leichter und deutlicher schreibbar als lateinische Schrift; sie vermeidet die Richtungsänderung im rechten und stumpfen Winkel, das Absetzen und zweimalige Durchlaufen derselben Strecke mit der Feder beim Aufstrich und Abstrich, ebenso das Berühren und Zusammenfallen von Auf- und Abstrich bei einzelnen lateinischen Buchstaben. Auf oie zahlreichen anderen Ausführungen Reineckes bezüglich der Zweckmäßigkeit der deutschen Schrift kann hier nicht eingegangen werden (S. 65 ff.). Ein besonders interessanter Abschnitt des Buches von Neinecke ist derjenige über die Stimmen namhafter Deutscher zur Schrift wahl. Von Dürer bis Rosegger finden wir die Äußerungen zahl reicher hervorragender deutscher Männer, die sich für die deutsche Schrift erklären. Luther meint in seinem Sendschreiben vom Dolmetschen, daß uns die lateinischen Buchstaben über die Maßen hindern, gut deutsch zu reden. Der bekannte Buchhändler und Buchdrucker G. I. Breitkopf erklärte, daß das Lesen des Deutsch druckes für die Augen angenehmer und länger auszuhalten sei als das Lesen fremdschriftiger Bücher. In der Nachschrift zu seinem bekannten Werke über die Macht des Gemüts sagt Immanuel Kant, daß die Buchdrucker (zum Schutz der Augen der Leser) unter polizeiliches Gesetz gebracht werden müßten, da mit sie kein Werk deutschen Inhalts mit lateinischer, wohl gar kursiver Schrift drucken. Goethes Mutter ersucht ihren großen Sohn wiederholt, seine Werke nicht mit den ihr so fatalen latei nischen Lettern drucken zu lassen. Am 25. Dezember 1807 schreibt sie an Goethe: »Halte fest an deutschem Sinn, deutschen Buch staben, denn wenn das Ding so fortgeht, so wird in fünfzig Jahren kein Deutsch mehr weder geredet, noch geschrieben und Du und Schiller Ihr seid hernach klassische Schriftsteller, wie Horaz, Livius, Ovid und wie sie alle heißen; denn wo keine Sprache mehr ist, da ist auch kein Volk. Was werden alsdann die Professoren Euch zergliedern, auslegen und der Jugend ein bleuen! Drum solang es geht — deutsch, deutsch geredet, ge schrieben und gedruckt!« Bismarck war ein eifriger Freund der deutschen Schrift. Er verfügte die Verwendung von Fraktur für alle amtlichen Drucksachen des Reichs (Gesetzsammlung, Statistik, Papiergeld des Deutschen Reichs, Drucksachen des Reichstags). Uber die Vorliebe Bismarcks für deutsche Schrift berichten Poschinger und Sybel verschiedene unterhaltsame, für die 1128*
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