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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.05.1910
- Strukturtyp
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- 1910-05-30
- Erscheinungsdatum
- 30.05.1910
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- Deutsch
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121, 30, Mai 1910, Nichtamtlicher Teil, «»rl-ntlat! >, d, Dtschn, V„chr,and-I, 6399 einziges Buch ist seit Jahren so viel gesprochen und so viel Tinte vergossen worden wie gerade über dieses. Auf dem Theater hat das Werk seine Uraufführung zwar endlich erlebt, und wenn die Begeisterung auch groß war, so war sie doch nicht so groß, wie sie der Dichter, seine drei Verleger und sonst alle, die an dem Erfolg des Werkes mitgearbeitet hatten, erwartet haben mochten, ja die Kritik erlaubte sich sogar mehrere Einwendungen, Auch als Buch ist das Werk nun nach mehrfachen Vertröstungen und Ver schiebungen endlich erhältlich. Was den Verleger, der das Er scheinen erst auf Ende Februar, dann auf Mitte, dann aus Ende März, und jedesmal mit Bestimmtheit, in Aussicht stellte, bewogen haben mag, immer noch damit zu warten, ist nicht recht ersichtlich, den» das Interesse flaut bedeutend ab. Möglich, daß die Firma Fasquelle sich wieder an einem Veto ihres berühmten Autors gestoßen hat (aber warum sollte ein solches erfolgen, jetzt, wo das Werk in der „Illustration" längst vollständig erschienen ist?), oder daß die Zeit zur Herstellung der riesigen Auflage zu knapp war. Vermutlich dürfte elfteres der Fall sein, denn der Chantecler lag schon vor mehr als einem Jahre drucksertig vor; seine Aufführung wurde damals nur durch den Tod des Hauptdarstellers Coqueliu verschoben, und in dieser Zeit wäre die Herstellung, auch der größ ten Auslage, gut möglich gewesen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich eine kleine Geschichte er zählen, die auch in gewissem Zusammenhang mit dem »Olmntscler« steht. Bekanntlich genießt der Franzose, und zwar mit Recht, einen ziemlichen Ruf als Bibliophile; solche Leute, denen ihr Geld beutel die Anschaffung wirklich seltener und in geringer Zahl her- gestellter Werke nicht erlaubt, richten ihr Augenmerk mit Vor liebe auf die erste Auflage erfolgreicher Werke, also solcher Exem plare, die keine Auslagenbezeichnung tragen. Diese »Lx>M- plaires cke xreraiöis eckition« sind ein vom französischen Sortimenter heißbegehrter Artikel, und die Verleger drucken häufig, um der Nachfrage genügen zu können, je nach den Aussichten des Buches, nicht nur eine, sondern fünf, sechs oder sieben »erste« Auflagen, d, h, erst vom sechsten, siebenten oder achten Tausend an wird dem Umschlag die Auflagen zahl beigedruckt. Ja manche Verleger benutzen diese Schwäche des Publikums sogar als Lockmittel bei ihren Ankündigungen an die Sortimenter: Wenn bis zu dem und dem Tage eine gewisse Anzahl bestellt wird, so werden zur Hälfte Exemplare der »promisre eckition« geliefert. Geht das Buch nun nicht nach Erwarten, was ja bekanntlich im Geschäftsleben des Ver legers auch Vorkommen kann, so hat man manchmal alle Mühe, die sonst so gesuchte erste Auflage überhaupt an den Mann zu bringen. Ganz einwandfrei ist dies Verfahren zwar nicht, aber was die Hauptsache ist, sowohl Sortimenter wie Publikum sind vollkommen damit zufrieden, obgleich beiden der Sachverhalt ganz genau bekannt ist; sjeder bildet sich eben ein, daß gerade sein Exemplar dem ersten wirklichen Tausend angehöre, und dem Buch selbst sieht man es ja zum Glück nicht an, ob nur ein- oder fünftausend Exemplare davon in« Verkehr sind, Herr Fasquelle ist für seinen Chantecler von diesem alten Brauch abgewicheu: Er druckte wirklich nur tausend Exemplare der ersten Auslage, die sich von der gewöhnlichen 3,50 Franks- Ausgabe durch nichts anderes unterscheiden, als daß sie numeriert und auf Japanpapier abgezogen sind. Aber sie kosten 50 Frcs. pro Exemplar und alle sind reißend abgegangen. Dieser Posten allein macht einen Bruttoumsatz von 50 000 Francs aus, bei dem der Nutzen des Verlegers um so größer ist, als der Autor von dieser ersten Auslage wohl kaum ein Honorar beziehen dürste. Gewissermaßen kann man diesen fruchtbaren Gedanken des Herrn Fasquelle, der wohl baldige Nachahmung finden wird, als Ent schädigung für den Erstabdruck des Chantecler in der »Illustration« ansehen, wodurch ihm, dem Originalverleger, das beste an seinem Berlagswerke genommen wurde. Ich vergaß: außer dem Japan papier weist die erste Auslage des Chantecler als weiteren Vorteil aus, daß sie die einzige mit beweglichen Lettern gedruckte Aus gabe ist, während alle anderen Auslagen von Stereotypplatten abgezogen wurden; aber selbst dann wage ich nicht zu entscheiden, ob dieser Unterschied, den der Laie nie merken wird, einen Vier zehnmal höheren Preis als den der Originalausgabe rechtfertigt. Jedoch wie gesagt, der Verleger ist schon lange vor Erscheinen alle Exemplare glatt losgeworden, und es tut ihm nur leid, daß das Tausend nicht größer war. In letzter Zeit wurden die Pariser Zeitungen in gelinde Auf- regung versetzt durch eine neue Gesetzesvorlage, die mit un- gewohnter Schnelligkeit von der Deputiertenkammer ange nommen worden ist und augenblicklich dem Senat vorliegt. Es handelte sich darum, den Tageszeitungen zu verbieten, über Ver brechen ausführlich zu berichten, und vor allem, diese bis ins kleinste gehende Berichterstattung mit Illustrationen verstümmelter Leichname usw, zu schmücken. Diese Vorlage ist ein zweischneidiges Schwert, Für die Bildung des Volkscharakters kann es allerdings nur von Vorteil sein, wenn schauerlich illustrierte Mordgeschichten aus den Tagesblättern, die eine ganz andere Ausgabe zu erfüllen haben, verschwinden würden, aber anderseits läßt es sich nicht leugnen, daß die Presse bei der ungeheuren Verbreitung, die sie heute angenommen hat, nächst dem Zufall der wertvollste Mitarbeiter der Polizei geworden ist. Manches Verbrechen wäre ungesllhnt geblieben, wenn nicht die Presse indirekt zur Entdeckung des Schuldigen beigetragen hätte. Endlich, und das ist die Hauptsache, wäre die Annahme dieser Vorlage der erste Schritt zu einer Bevormundung der Presse, die schon nach dem Rat des alten Fritz »nicht genieret werden sollte«, und daß es dazu nicht kommt, liegt ebensosehr im Interesse der Presse als des Verlagsbuchhandels, Überhaupt scheint die Vorlage ein Schlag ins Wasser zu sein, denn obgleich ausdrücklich von den Tageszeitungen die Rede ist, wollte der Gesetzgeber wohl weniger diese Presse treffen — vielleicht mit Ausnahme solcher Blätter, die die Ausschlachtung von Verbrechen als Spezialität betreiben — als vielmehr die periodisch erscheinenden Zeitschriften in diesem Genre und die zahllosen Kollektionen von Schundliteratur, die sich gegenseitig in bluttriefenden Mord- und Detektivgeschichten zu überbieten scheinen. Durch diese Literatur ist allerdings noch nie ein Verbrechen ermittelt, wohl aber schon manches begangen worden, und wenn es gelänge, in diesem Punkte der Unterneh mungslust verschiedener Verleger einen Riegel vorzuschieben, so wäre dies nicht nur für Frankreich ein Segen, sondern auch in anderen Ländern sehr nachahmenswert. Ein Verleger, der nach der Art der von ihm vertriebenen Lite ratur kaum Anspruch auf diese Bezeichnung hat, und der übrigens auch in keinem Adreßbuche steht, ist letzthin mit den Pariser Ge richten in unliebsame Berührung gekommen. Dieser eigenartige Berussgenosse befaßte sich mit sogenannter Ausklärungsliteratur und vertrieb seine beiden Werke — er hatte nur zwei, aber voll kommen gleichwertige veröfsentlicht — aus guten Gründen nicht etwa durch das Sortiment, sondern direkt. Er versandte nach den amtlich veröffentlichten Ausgeboten an Verlobte oder Jungver mählte Prospekte über zwei Werke, je eins für die Braut und den Bräutigam bestimmt, deren Titel so wenig an Deutlichkeit zu wünschen übrig ließen, daß ich sie kaum zu wiederholen wage. Zwei der so Bedachten klagten wegen Beleidigung, die, schon aus dem Titel allein zu schließen, auch unzweifelhaft vorlag, und das Ende vom Liede war, daß dieser verlegerische Versuch seinem Unternehmer vier Monate Gesängnis und 4000 Francs Strafe eingetragen hat. 827»
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