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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.04.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-04-16
- Erscheinungsdatum
- 16.04.1910
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- Deutsch
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86, 16, April 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 4553 Die Wilhelm Meister-Handschrift und die sogenannte Überspannung des Urheberrechts. Von Justiziar vr. Fuld in Mainz. Die Erörterungen, die sich an die Frage geknüpft haben, ob es mit Rücksicht auf die Vorschriften des deutschen Ur heberrechtsgesetzes möglich sei, die neu entdeckte Handschrift von Wilhelm Meister zu veröffentlichen, waren zum großen Teile darin einig, daß die positivrechtliche Nominierung der Tragweite des Urheberrechtsschutzes in Deutschland zu weit gehe. Auch diejenigen Zeitungen, die bei Erlaß des Urheber rechtsgesetzes von 1901 durchaus auf seiten der Kämpfer für die Erweiterung der Rechte der Urheber standen und auch noch später, insbesondere bei Erlaß des Kunstschutz gesetzes, die gleiche Anschauung verfochten, haben teilweise sich dahin ausgesprochen, daß im kulturellen Interesse das Gesetz geändert werden müsse, wenn es mit der Konsequenz ver bunden sei, daß die allerentferntesten Epigonen dem deutschen Volke den Genuß eines Kulturwerkes vorenthalten könnten. Man hat auf 8 29 des Urheberrechts-Gesetzes aufmerksam gemacht und gefragt, wie es sich damit verhalte, wenn heute irgendwo in Tirol ein bislang nicht bekanntes Werk Walthers von der Vogelweide entdeckt werde und irgend ein biederer Älpler sich als Nachkomme des Dichters ausweise. Es ist nicht zu verkennen, daß durch solche Aus lassungen in der Tat in weiteren Kreisen der Bevölkerung die Überzeugung geweckt werden könnte, daß unser positives Urheberrecht sich habe verleiten lassen, den Schutz des Urhebers zu überspannen, und dies könnte unter Umständen für die weitere Entwicklung recht nachteilig sein. Denn gerade in diesem Punkt ist die Mehrheit der Deutschen recht empfindlich; sie lehnt es ab, um materieller Vorteile ent fernter Verwandten der Dichter und Denker willen der Nation den Genuß eines Werkes zu erschweren oder gar un möglich zu machen. Es kann nun aber im Ernst nicht davon gesprochen werden, daß das Urheberrechtsgesetz den Schutz überspannt habe. Nicht an dem Urheberrechtsgesetz liegt die Schuld, liegt die Ursache, wenn die Veröffentlichung der ersten Nie derschrift von Wilhelm Meister vorab nicht zu erwarten ist, sondern an dem Bürgerlichen Gesetzbuch und seiner grenzen- und schrankenlose» Ausdehnung des Begriffs der Erben. In § 29 ist bezüglich der oxers. xostlrum» bestimmt, daß die Schutzfrist endigt, wenn seit dem Tode des Urhebers dreißig Jahre und außerdem seit der ersten Veröffentlichung zehn Jahre abgelaufen sind; bezüglich eines Werks, das also erst später als dreißig Jahre nach dem Tode des Urhebers veröffentlicht ist, hat es bei der zehnjährigen Schutzfrist sein Bewenden. Außerdem wird in Ansehung der opers, xostimms. vermutet, daß das Urheberrecht dem Eigentümer des Werks zustehe. Diese Be stimmung geht keineswegs zu weit: ein Schutz der säitio priueops ist nicht minder geboten als ein solcher der »per» xostlruivs. und findet sich auch in den Gesetzen des Auslandes, in manchem sogar in noch weitergehendem Maße als in dem Gesetz von 1901. Der Gedanke, der Z 29 beherrscht, daß, solange die Veröffentlichung eines Werkes noch nicht erfolgt ist, der Schutz des Werkes zeitlich nicht begrenzt ist, mutz auch als ein zutreffender erachtet werden. Wollte man auch für die unveröffentlichten Werke die mit dein Ablaus des dreißigsten Jahres nach dem Tode des Autors erlöschende Normalschutzfrist als maßgeblich erachten, so würde die Konsequenz die sein, daß zahlreiche Werke, die erst in einem späteren Zeitpunkte veröffentlicht werden, überhaupt jedes Schutzes gegen Nachdruck entbehren. Es ist aber nicht cin- zusehen, daß zwingende rechtliche oder kulturelle Erwägungen Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. dies gebieten. Wie oft kommt es vor, daß der Autor selbst bestimmt, daß ein von ihm nachgelassenes Werk erst lange Zeit noch seinen! Tode veröffentlicht werden darf, die Memoirenlitcratur ist an Beispielen dafür nicht arm; — weshalb sollen nun diese Werke jedes Schutzes gegen Nach druck entbehren? Der Einwand, daß ein Nachkomme von Goethe heute imstande ist, die Veröffentlichungsbefugnis der Handschrift von Wilhelm Meister für sich zu beanspruchen, oder daß gar ein Nachkomme Walthers von der Vogelweide Anspruch auf ein posthumes Werk des Dichters erheben könnte, richtet sich nicht gegen den Gedanken, daß posthume Werke vor ihrer Veröffentlichung nicht gemeinfrei werden können, sondern er richtet sich gegen die unbeschränkte Anerkennung des gesetz lichen Erbrechts. Bekanntlich hat man sich bei der Beratung des Bürger lichen Gesetzbuchs nicht dazu entschließen können, nach dem Vorbild anderer Gesetzgebungen eine Erbrechtsgrenzs ein- zusührsn; man hat es für richtiger erachtet, das Erbrecht der allerentferntcsten Epigonen anzuerkennen, obwohl zwischen ihnen und dem Erblasser nicht nur jede Familiengemeinschaft, sondern auch jede sonstige Zusammengehörigkeit fehlt. Hätte unser bürgerliches Recht eine Erbrechtsgrenze, so könnten aus dem Schutze der posthumen Werke im Sinne des 8 29 Schwierig keiten nicht entstehen. Wenn bestimmt wäre, daß die gesetzliche Erbberechtigung nicht über den zwölften Grad hinausginge, so würde praktisch bei der Entdeckung von posthumen Werken, die erst ein Menschenalter und später nach dem Tode ent deckt werden, eine Schwierigkeit bezüglich der Veröffentlichung nicht bestehen; denn nach 8 8 des Urheberrechtsgesetzes er lischt, wenn der Fiskus Erbe ist, das Recht des Urhebers, soweit es dem Erblasser zusteht, mit dessen Tode Die Vorwürfe, die man aus Anlaß des Falles Wilhelm Meister erhoben hat, richten sich also ganz über wiegend an eine falsche Adresse; an dem Erbrecht und nicht an dem urheberrechtlichen Schutze der oxerg, xostlruma liegt es, wenn die Veröffentlichung von Nachlaßwerken, an deren Bekanntgabe die Nation ein kulturelles Interesse ersten Ranges hat, erschwert ist. Daraus folgt, daß Rcfoim- bestrebungen auch nur insoweit berechtigt erscheinen, als sie sich auf die Beschränkung des gesetzlichen Erbrechts richten, die nicht nur im Zusammenhang mit dieser Frage, sondern auch aus anderen Gründen längst ein Bedürfnis ist. Gegen die Abschwächung des Urheberrechtsschutzes, wie er insbesondere darin zu erblicken wäre, daß man für alle, auch die posthumen Werke die Schutzfrist mit Ablauf des dreißigsten Jahres nach dem Tode des Urhebers erlöschen ließe, muß entschieden Widerspruch erhoben werden; eine solche Änderung des Gesetzes von 1901 wäre mit einer Rückbildung des Ur heberrechts gleichbedeutend, für die es angesichts der Tatsache, daß die folgerichtige Weiterentwicklung des Schutz gedankens sich nunmehr allenthalben in den Gesetzgebungen der Kulturstaaten Anerkennung verschafft hat, an jeglichem Grunde fehlte. Eine Änderung der unbeschränkten Zulassung aller, auch der entferntesten Erben seitens des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist schwer herbeizuführen; in dieser Beziehung sind die Vorgänge und Versuche, die im Zusammenhang mit der Finanzresorm stattfanden bezw. gemacht wurden, sehr belehrend; ob heute solche von besserem Erfolg gekrönt wären, steht dahin. Im Hinblick hierauf würde es sich vielleicht empfehlen, dem Gedanken einer Beschränkung der Erben auf urheber rechtlichem Gebiete näherzutrcten. Jedenfalls dürfte eine derartige Bestimmung einer Vorschrift vorzuziehen fein, die den Schutz der posthumen Werke von der Voraussetzung ab hängig macht, daß die Veröffentlichung während einer bestimmten Frist nach dem Ableben des Urhebers er- ess
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