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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.04.1923
- Strukturtyp
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- 1923-04-11
- Erscheinungsdatum
- 11.04.1923
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. Xe 84, 1l. April 192-8. hört in den zweifelhaften Schatz jener Klischee-Bezeichnungen, die gerade die am häufigsten gebrauchen, die sic am seltensten verdienen. Als ideale Forderung, als sittliches Postulat bleibt für unfern Berus die Aufgabe, gute Bücher zu verlegen und zu verbreiten -und so an unserm Teil zu der Kultur des Volkes beizutragen. Sofort aber taucht hier die Frage aus: Was ist ein gutes Buch? Wo ist das Tribunal, das über den Wert entscheidet? Diese Frage, die nicht nur innerhalb unseres Berufes gestellt wird, ist in der Gegenwart kaum zu beantworten. Denn eine Einheit von Geist und Volk, von Kunstschaffenden und Kunst- empsangenden besteht in keiner Weise. Das; dies nicht zu allen Zeiten ebenso gewesen ist, lehrt ein Blick auf die italienische Renaissance oder das deutsche Mittelalter. Es ist hier nicht der Ort, darüber Betrach tungen anzustcllcn, warum die gesamte Bürgerschaft von Florenz ein so gewaltiges Interesse an der Aufstellung des David von Michel angelo nahm, wie heute etwa die Bevölkerung einer Großstadt an einem Radrennen oder an einer Kinoprcmiere. Für uns genügt die Fest stellung, daß die großen Geister der Nation für das deutsche Volk nicht viel bedeuten, daß ihre Werke im Herzen der Volksgenossen nicht leben dige Werte sind und daß nur ganz dünne Schichten der Bevölkerung an den großen geistigen Werten teilhaben. Moralisch verschlimmert wird dieser Zustand noch dadurch, daß die Autoritätsgeltung der großen Meister der Vergangenheit die Bildungslüge gezeitigt hat; daß an Stelle des inneren Erlebnisses, der warmen Empfänglichkeit die konventio nelle, leere Schätzung des Namens getreten ist. Ist der Sortimenter so optimistisch, zu glauben, daß dieser unwürdige Zustand gebessert werden kann, so erwachsen ihm allerdings die schönsten Aufgaben. Die alten Vertriebsmethoden freilich genügen nicht mehr. Mit Ansichtsversen dungen, Prospekten und Inseraten ist's nicht getan. Das schon häufiger hier angeregte Mittel ist das lebendige Wo r t. Ter Buchhändler muß aus seiner Zurückhaltung hervortreten und reden, bzw. lesen, nicht einmal, sondern oft, systematisch und methodisch. Wenn er zunächst sich den großen Meistern widmet, deren Autoritätsgeltung niemand anzu- zweifeln wagt, wird er einen Goethe-, Lessing-, Steller-, Storni-, Mörikc-, Droste-Abend veranstalten, öderer wird mehrere Meister unter einem einheitlichen Sammelwort vereinen. Er kann eine derartige Veranstaltung dann: »Deutsche Romantik oder »Deutscher Humor«, »Minnesänger«, »Deutsche Liebeslieder« od. ähnl. betiteln. Will er die bildende Kunst hineinbcziehen, so mag er »Dürer«, »Grünewald«, »Die deutsche Domplastik« u. a. in Lichtbildern zeigen. Er kann je nach der Richtung seiner Buchhandlung oder nach persönlicher Neigung — Naturwissenschaft und Philosophie, Volkswirtschaft, Jagd, Wandern und Reisen in seine Werbetätigkeit cinbezichen. Notwendig wäre, daß er von Anfang an betont, er wolle weder mit Rezitatoren noch mit wissen schaftlichen Rednern in Wettbewerb treten, sondern lediglich dem Buche dienen. Neben dem mündlichen Hinweis auf die Werke, aus denen er liest oder über die er spricht, wird ein gedrucktes Programm, das die Titel mit den Preisen angibt, sicher die besten Dienste tun. Die schwie rige Lokalfrage kann in allen Fällen gelöst werden. Am besten wird cs sein, wenn die Veranstaltung in den eigenen Räumen der Buchhand lung abgehaltcn werden kann. Ist das nicht möglich, so wird die Aula einer Schule oder ein Konzertsaal zu haben sein. Einprägsam und im Sinne einer wirklichen Propaganda wertvoll wird nur eine regelmäßige Folge von Veranstaltungen werden. Jeden Monat, am besten an einem immer gleichen Wochentage die Vorträge veranstalten und den Mut haben, die zuerst sich vielleicht einstelleuden Mißerfolge in Kauf zu nehmen, das dürfte ohne Zweifel der letzten Endes von, Erfolg be gleitete Modus sein. Am günstigsten wäre cs, wenn die Ortsvereine diese Propagierung des Buches, eine wahrhaftige »Kulturarbeit«, in die Hand nähmen. Ich fürchte nur, daß eine Einigung auf das Programm selbst bei den durch Autoritätsgeltung des Namens geheiligten Meistern sich nicht leicht wird erzielen lassen. Ganz unmöglich wird dies bei den neueren Schriftstellern werden. Und doch ist die Förderung dieser eine ganz besonders vornehme Aufgabe des Buchhändlers. Nach einem schönen Wort Fontanes sollen wir alles Alte, soweit es darauf An- svruch hat. lieben, für das Neue aber sollen wir recht eigentlich lebe n«. hier taucht wieder die eingangs gestellte Frage aus: Was ist ei.n gutes Buch? Objektiv, im Sinne einer wissenschaftlichen Erkenntnis läßt sich diese Frage nicht beantworten. Das heiße, ein volles Mcn- schenalter währende Bemühen Dürers um das Wesen der Kunst endet mit dem von tiefer Resignation erfüllten Ausspruch: »Was die Schön heit ist, daß weiß ich nit«. Neben der eigentlichen Empfänglichkeit für den Wert des Buches sprechen beim Leser die politische und religiöse Einstellun-g, seine geistige Gcsamthaltung in der Beurteilung mit, und so kann es kommen, daß der eine Löns als bedenklichen oder unchristlichen Schriftsteller ansieht, während dem andern auch nur die Möglichkeit einer solchen Beurteilung unverständlich ist. Beide aber sind von der unbedingten Nichtigkeit ihres subjektiven Urteils so durchdrungen, als ob cs sich um die absolute Wahrheit handelte. Dieser unter den Lesern festgestellte Gegensatz der Anschauungen ist ebenfalls unter den Sorti- 470 meutern vorhanden, und so läßt sich ein »Wertbnchhandel« letzten Endes nur unter Gleichgesinnten konstituieren. Die für unsere politischen Ver hältnisse charakteristische Eigenbrödelei muß auch auf dieses Gebiet über tragen werden. Im besten Falle wird es glücken, ein paar Sortimenter in diesen Fragen unter einen Hut zu bringen, häufig genug wird der Einzelne, zum Schluß verärgert und die Hoffnungslosigkeit eines Zu sammenwirkens einschen'd, mit Stirner sagen müssen: »Ich bin ich und setze mich selbst«. Trotz der angedcuteten Schwierigkeiten bleibt die Aufgabe des Buch Händlers bestehen, dem Buche und dem darin niedergelegten Geist den Weg zu bereiten und neue Methoden hierbei zu versuchen, die die ver änderte Zeit erfordert. Von einer Schweizerceise und einem Spickaal*). Eine Fugenderinnerung von» Ulrich M e y e r. Die im Nachsolgendeu erzählte kleine Geschichte ist nur eine von vielen, die ich mir als ernste oder heitere Erinnerung an meine Lehr jahre bewahrt habe. Es sind viele Jahre hingegangen, ja, schon bald vollendet sich -das fünfte Jahrzehnt, seit ich das lustige Erlebnis haben durfte. Ter »alte Brünslow«, ihr eigentlicher Held und mein gestrenger Lehrmeister, ruht schon seit 40 Jahren unter dem grünen Rasen von seiner Arbeit aus. Manch einer der älteren Berufsgenossen wird sich des alten Herrn erinnern und wissen, daß er nicht nur ein Mann war, von dem Spickaal- und ähnliche Geschichten in reichlicher Menge lachend durchs Land liefen. Nein, der Held dieser kleinen luftigen Ge schichte, Karl Brünslow, war nicht nur ein tüchtiger Esser, sondern vor allem ein tüchtiger und hochangesehencr Buchhändler Die drei Alten: Barnewitz, Brünslow und Hinstorfs waren es, zu denen wir jungen Anfänger im mecklenburgischen Buchhandel voll ehr fürchtiger Scheu hinaufschautcn. Sie haben alle drei, jeder in seiner Art, Tüchtiges geleistet. Was Brünslow aubclangt, so hat er aus dem kleinen Tümmlerschcn Zweiggeschäft in Neubrandenburg -durch sein Können und seine Tatkraft eine vortrefflich geleitete Buchhand lung gemacht, die sich nicht nur in beiden Mecklenburg, sondern weit darüber hinaus höchsten Ansehens erfreute. Brünslow war ganz ei» Mann der alten, bis ans die Knochen soliden Schule. Niemals hat ein Verleger oder irgendein anderer durch ihn auch nur den geringsten Schaden erfahren. Er war auch Verleger. Mehrere in Mecklenburg und dariiber hinaus gut cingesührte Schulbücher von Stolte und Biblische Geschichten von Nürnberg und Maskow fanden sehr guren Absatz. — Auch mit Fritz Reuter war Brünslow befreundet und nahm die ersten Gaben des großen plattdeutschen Volksdichtcrs in Kom missionsverlag. Brünslow hätte wohl auch für die Dauer Reuters Verleger bleiben können. Er fand indessen nicht den Mut dazu. Er war der Meinung, plattdeutsche Geschichten könnten nur ein kleines Publikum finden. Außerdem war ihm Reuter, der ja lange in Nen- bran'denburg oder dessen Nähe lebte, gar zu hemdärmelig genau be kannt, als daß dieser Prophet seines engsten Vaterlandes ihm mehr hätte gelten können, als es andere Propheten in ihreü Vaterländer» gemeinhin zu tun pflegen. Jedenfalls war für mich und andere, die bei Brünslow lernten, seine Schule eine gute und nützliche, und jeden falls denke ich mit herzlicher Dankbarkeit meines zwar oft wunder lichen, im Grunde aber ehrenwerten und tüchtigen Lehrmeisters, der samt seiner vortrefflichen Frau stets fürsorglich aus das Wohl auch des Personals bedacht war. Die kleine lustige Geschichte aber, die ich im Anschluß an die vor stehende, gewissermaßen geschichtliche Einleitung nun erzählen will, ist diese: lkber die alte liebe Vorderstadt war ein lachender, sonniger Som mertag gekommen. Seine Augen blinzelten auch ein wenig in das Dunkel unseres Ladens hinein und weckten Neflere auf der Goldschrift der Geschenkliteratur. Recht ein Tag, die Reiselust in den Seelen lebendig zu machen. Sieh, da kam auch schon einer mit besonders fröhlichen Augen, die zu sagen schienen: »Mi het eilt wat Leives dahn«! oder »Ick Hess mi ganz wat Fines in Ulsicht nahmen!« In Mecklenburg dachte man eben dazumal natürlich auch nur platt deutsch. Darum konnten den5 auch des Ankömmlings lachende Augen nicht hochdeutsch! reden. »Go n Dag ook, Brünslow! »I, go'n Dag ook, Töppel! Na, wo geiht di dat? Du sühst so fidel ut, itn din Oogen kiken so kregel, as wierst Du tein Johr jünger wor'n.« *) Aus dem in Vorbereitung befindlichen Buche: Wandern und Werden. Lebenserinnerungen eines deutschen Buchhändlers. Von Ulrich Meyer.
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