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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.04.1923
- Strukturtyp
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- 1923-04-11
- Erscheinungsdatum
- 11.04.1923
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X: 84, 11. April 1923. Redaktioneller Teil. Svrsenvlatt f. d. Dtschn. Vuchtzandrl. »Biin ick ook, Briinslow! Denk di, ick kann NU endlich min Sweizerreis' malen, np de ick mi tein Johr lang all freugt heff! Mirrivoch Nahmibdag geiht't los!« »Tüh, siih! Tat lat ick mi gefallen. Dat's doch mol en annern Snack. Uns'een klimmt bet Fredland orre Woldegk. Vellicht ook mol §ins bet Wannemünn.« -liäd' nich, Briinslow. Pack läwers din Kram tohop nnd lumm mit.« »Nee, dat geiht nich an. Awcr dat een wull'k di man seggen: Wenn Du mi nich mal Kodes milbringst, denn Heft Du dat nahsten -mit mi to -dohn.« »Na, will tokiken, wat fick makcn lett. Wenn ick wedder t'rüg biin, ward ick to di kam' nn verteilen. Äwer nu verköp mi den nigsten Meyer von de Sweiz nn eew good Knrsbook.« De. Doppel erhielt die gewünschten Bücher, sagte »Adschüß ook, Briinslow« nnd verschwand, ausgerüstet mit des Alten besten Beise in ünschcn. Sommertage. Sommerstimmnng. Ferien. Die bunten Schüler mützen belebten das Straßenbilb nicht mehr. Die kleinen Mädels, nach denen ich so gern ans den Fenstern der Leihbibliothek geschaut chatte, ließen sich nicht mehr sehen. Die Schulen hatten geschlossen. Lehrer nnd Schüler waren ansgeslogcn, hierhin und dorthin. Aufs Land, an die See, ins Gebirge. In mir kam nicht einen Augenblick Lie Sehnsucht ans, es ihnen gleichzntnn. Ich habe nie im Leben Sehnsucht gehabt nach Dingen, die ich unerreichbar wußte. Was sollte ich mir mein Herz mit unerfüllbaren Wünschen beschweren? Vier Fahre sollte ich lernen. Vier Jahre tagaus, Lagein, alltags nn-d Sonntags meinen Dienst tun nnd dabei allmählich reif werden fürs Leben. Von Urlaub für mich war uie die Rede gewesen, also hatte ich keinen zu beanspruchen. Punktum. — So konnte ich neidlos die anderen ihre Flügel breiten scheu zum Flug in die Freiheit, ans Hie ich noch kein Anrecht hatte. Wir drei im Buchladcn wußten nichit, wie wir -die langen Wochen hinbringcn sollten. Wir suchten an Arbeit zusammen, was nur irgend möglich war. Ich stellte das ganze Lager auf den Kops, säuberte die Bücher, wischte mit feuchten Tüchern die Fächer ans; ich klebte mit Begeisterung neue Schilder auf die Leihbibliotheksbii'cher. Dan» freute ich mich, daß sie so nett und sauber anssahen. Die beiden andern lang weilten sich mehr als ich. Und unser alter Herr hielt sich fast den ganzen Tag über dem Laden fern. Natürlich lasen wir alle drei -eifrigst. Die beiden Gehilfe» hatte ihre Bücher in ihre Pulte verborgen und genossen ihre Romane unter den aufgeklappten Pultdeckeln. Bei jedem verdäck Ligen Geräusch flogen die Deckel zu und die b-eiden mimten Fleiß. Ich studierte im dunklen Hintergrund meinen Grafen von Monte Christo. Abends nach 8 Uhr ging's hinaus: auf die Wälle, an den See. Ich wenigstens. Tie beiden anderen kannten andere Ziele. Ich hatte um 1» Uhr pünktlich zu Hause zu sein. Und ich war pünktlich, wenn gleich ich gern manchmal noch einen Sommernachtstraum am Ceenfer geträumt hätte. So schlichen die Ferienwochen dahin, dis eines Tages wieder etwas mehr Füße durch die Straßen schritten, bis wieder lachende Mädels gesichter vor den Fenstern auftanchten und einzelne Schüler wieder in den Laden kamen, Schulbücher zu kaufen. Die fiir mich fast qual volle Ferienzeit war vorüber. Alle Ausflügler waren wieder im Lande. Auch Brünslows Freund Töppel. Am dritten Tage nach den Ferien trat er in den Laden: »Go'n Dag ook, Briinslow!« »I, gv'n Tag ook, Töppel! Siih, siih, dor büst Du jo wedder. Na nn nn verteil man los. Nn biin ick doch gor to niglich np Din Neis'gcschichtcn!« Töppel, der an Jakobs Pult lehnte, begann denn zu erzählen: »Toierst kehm ick nach Berlin —« »Dorvon kannst din Mul holl'n. Wenn ick von Berlin wat hiiren -doh, denn ward mi slimm und öwel.« . . . »Dat wir ämer gor nich so flicht in Berlin. Dor kriegt ein doch wat to scihn. Bismarcken und Moltten heff ick seihn un dat Panop tikum mit sin Wachspuppenkram. Un in den zapperlotis-Hen Goren biin ick west. Un denn in Potsdam. Du, dat's doch 'n beten wat. Dat's '» Gesöhl, as wenn een dat Hart vnn de ganze Welt slahn hürt Tat seggst Du so, Töppel. Awer ick mag dorvon nix mihr huren. Lat mi in Freden niit din oll Berlin. Nix to freien gisst dat dor, dat is allens. Man wider!« »Tat Freien wir mi frilich Nebensak . . . .« »Weet ick, Töppel, weet ick. Ick weet ook, -dat Du vun't Reisen gans un gor keen richtigen Begriffen l>est. No, wo güng't denn nahsten Heu?« »Vnn Berlin güng dat nah Leipzig. Ook 'ne feine Stadt. Blot gor lc vecl Bookhännlers sünd dor. Annex Lüd kam dor gor nich gegen up. Ju Leipzig dreiht sick allens üm Kommissionäre, üm Sorti menters nn Verlägers, üm Bockdruckers un Bockbinners nn all so'» Kram. Un wenn een tohürt, wat de Lüd up -de Strat tohop räden dohn — wat räden's: Ordinär un netto un Nemittenden un Dispo- »enden un Caldorest un alleu Tod un Deubel, blot wat Vernünftigs räden's nich. Dat wicr mi — Du mötst mi dat nich för öwel nehmen doch » beten gor to langwilig, und wenn nich de Thomanerchor gor so schön sungen har, un wenn dat in dat Theater nich gor to grob orig west wicr, denn wier ick ntknepen.« »Siih so! -De Bockhännlers hebben di ärgert. Scha-d't di gor nicks. Du ärgerst ook de Bookhännlers nu segg mi äwer endlich mal ehs, wat gaff dat to eten in Leipzig?« »Du mit din oll dämlich Eteric! Wat dat gaff, kann'ck di nich up- tellen. Aewer, wat ick eten heff, dat kaust weten: Voigtländische Noh- gericbene mit Schöpsenbraten — grotorig . . . . « »Wat's dat för'n Swinskram — kenn ick nich mag ick nich. Aewer nu man wider. Wohcn güng dat von Leipzig nt?« »Na Eisenach un ruppe up de Wartborg. Dat wier wat för mi! Dor geiht een up Martin Luther sine Footspuren un silht em dor sitten in sin lütt Kabus' un uns' Wort Gottes öwersctteu .... Un de heilige Elisabeth ehr Andenken wad dor lewig, un de ganze olle Burg verteilt vun ehr. Un Tannhäuser uu Wolfram gähn üm, un düsend Johr stahn un Men ut de Muern rute un seggen: »Go'n Dag ook, du olle Nigenbramborger Scholmceste! Un de Utsicht in dat wunder bare gröne Thüringer Land! Jo, Briinslow, dat wir schön dor buben un dat blifft sitten in de Erinnerung . . . .« »Dat mag all recht schön un god wesen, äwer sowat makt doch gans un gor keeu Jndruck, wenn een nicks in de Mag hett. Dor möl een jo vör luter Sä önheitskram swack to Mod war'n.- »Nee, nee, Briinslow, dit Mal wir dat nicks mit dat Eten. Dat vergect de Minsch dor baben gans und gor .... »I ck wull dat nich vcrgcteu, dat kannst mi toglöwen. Na. wohen güng de Reis nu wider?« »Nu güng -dat na Frankfort un na Wiesbaden un een beten ruppe np den Niederwald uu denn na Asmannshusen nn na Büdesheim. Un äwerall wier dat man eine Pracht nn Herrlichkeit uu ick Hess soveel Schönes seihn un crlewt — all dat blifft hacken, kann'ck di seggen. Dor ward ick noch lang an to kehren hebben.« »To lehren? Siih so! Dat's doch en Wnrd. Heft bi also wat Orndlichs mitbröcht?« »Briinslow, Du Heft »voll hüt noch nix in de Mag kregen, dat Du dat mit de Frcteri hüt so wichtig hest. Vun ideale Genüssen hest Du wohl gor keen Ahnung?« »Allens to sin Tid » »Nu lat mi man wider verteilen, Nun güng dat nach Heide!- barg hen! Dor was dat nun würklich gor to schön ....—« Und der alte Töppel mit dem verknitterten Gesicht erzählte voll jugendlicher Begeisterung von der Stadt, die so lieblich zu Füßen der grünen Berge ruht, vom Neckar, der eiligen Laufes dem heiligen Rhein entgegeneilt, und von der schönsten aller Ruinen droben auf der Höhe. Er schilderte alle die Köstlichkeiten, die er schönheitstrunken dort in der Schloßrnine und in ihrer Umgebung hatte genießen dürfen. Und es hätte nicht viel gefehlt, so hätte dies bemooste Haupt uns Scheffels Lied von Alt-Heidelberg der Feinen vorgesungen. — Ich hatte mich längst an den Erzähler herangepirscht, denn von solch lebendiger Schönheits schildernng durfte mir nichts entgehen. Mein alter Chef unterbrach den Erzähler: »Segg mal ehs, Töppel, in Heidelbarg studiert doch ook de jung Siemerling. Hest em nich >be- söcht?« »Jo, jo, säker heff ick dat. Glick toirst. Un he is mit mi gähn nu hett mi all dat wiest, wat ick di vnn Heidelbarg verteilt heff. Aewern flotten Broder is he, dat kann'ck di seggen. As ick vörmiddags Glock elwen to em kehm, leg he noch mit du Noas in't Bcd un hett'n mitten Dook üm den Döhtz. He müßt jo woll een mörderlichen Köter hatt hebben. Un in sin Stnw sach dat ook just nich na Studeern nt. Den Tisch hahst sehr müßt, dor leeg allen Tod un Deubel dörch ennanner. Dor stünn de Waschschöttcl nn de Tänböst säwömm dor in. Un de Hoor- böst leg up en Teller mit en Enn' Mettwnst tohop. En snern Hiring leg in en lütt irden Schöltet un kek mit sine doden Schieloogcn dor herute. Een groten Stebel leeg ook up den Tisch un ecu Nappier nn een Stndentenmütz. Un Ctänclwichs wier dor un een poor Billers uu düsend und lößtig Poppiereu. Aewer, Briinslow, pass rep, nu klimmt wat för Di!« Der alte Herr wurde hellhörig, denn wenn das Folgende etwas für ihn besonders Interessantes sein sollte, so konnte es mrr etwas Eßbares sein. 471
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