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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.02.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-02-21
- Erscheinungsdatum
- 21.02.1910
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- Deutsch
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42, 21. Februar 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 2269 Neueinrichtungen anfänglich Widerstand entgegensetzte, Gutes und Segensreiches gewirkt, als Schriftsteller von Ruf konnte er auch falschen Anschauungen und Anschuldigungen der Gelehrten und Schriftsteller ganz anders als die meisten seiner Standesgenossen gegenübertreten und diese widerlegen. Die großen Fehler und Schwächen Nicolais beeinträchtigen die freuoige Anerkennung nicht, die seine unleugbaren Verdienste sich geradezu erzwingen. Er ist ein Fackelträger der Aufklärung gewesen; er ist eine feste, in sich geschlossene, echt sittliche und männliche Persönlichkeit. Nicolai war durchaus kein kleinlicher, sondern ein großer, sich selbst weise beschränkender Mann, eine tageshelle, bürgerliche Natur, der beste Repräsentant des alten Berlinertums mit seinen Fehlern,^ kleinen Untugenden und seinen vielen Vorzügen. Zahlreiche Freunde und Freundinnen verkehrten in Nicolais gastlichem Hause; eine schöne, anregende Geselligkeit zeichnete heimisch fühlten. Kunst und Poesie fanden bei ihm eine Heim stätte, und im persönlichen Verkehr traten die guten Seiten seines Charakters, sein umfassendes Wissen, seine Heiterkeit, sein zwang seine Verträglichkeit und bescheidene Einfachheit im Leben, seine Dienstfertigkeit und Opferwilligkeit hervor. Daneben aber war er Herrscher in seinem Hause, in Gebiete der Literatur; nur die von ihm für gut befundenen Wege und Ziele sollten gelten. Was er, Lessing und Moses Mendelssohn einst für gut befunden — und im Laufe der Zeit ver körperte sich mehr und mehr in ibm der Gedanke, daß die ganze Bewegung von ihm eingeleitet und ausgegangen sei —, sollte maß gebend für alle Welt sein und ihr Evangelium werden. Daher der Streit mit fast allen bedeutenden Persönlichkeiten der Zeit auf dem Gebiete der Literatur. Die Romantiker und Herder verspottete er in seinem »kleinen feynen Almanach«, Goethe und die Stürmer und Dränger in »Freuden Werthers«, Schillers ästhetische Ansichten, vornehmlich in seiner »Reise durch Deutschland«, in der er auch giftige Pfeile gegen Kant und die Philosophen schmiedete. Zahlreiche Abhandlungen und Bücher setzten dann dieses Thema fort. Die Angegriffenen hielten mit ihren Entgegnungen nicht zurück, vornehmlich Goethe und Schiller in den Lenien und Fichte in der Schrift »Friedrich Nicolai's Leben und sonderbare Mei nungen« brachten heftige Entgegnungen. An vierzig der Xenien beziehen sich auf Nicolai. Da heißt es in Nc. 84: »Im Vorbeigehn stutzt nur den alten Berlinischen Steinbock, Das verdrießt ihn, so giebt's etwas zu lachen fürs Volk.« über Nicolais Werk »Geschichte eines dicken Mannes» heißt es in Nr. 142: »Dieses Werk ist durchaus nicht in Gesellschaft zu lesen, Da es, wie Recensent rühmt, die Blähungen treibt.« Auf seine Mitarbeit an den Briefen, die neueste Literatur betreffend, spielt Nr. 144 an: »Auch Nicolai schrieb an dem trefflichen Werk? Ich will's glauben, Mancher Gemeinplatz auch steht in dem trefflichen Werke.« oder »Zur Aufklärung der Deutschen hast du mit Lessing und Moses Mitgewirkt? Ja, du hast ihnen die Lichter geschneuzt.« Eine ganze Reihe der Lenien beschäftigt sich sodann mit Nicolais Beschreibung einer Reise durch Deutschland, die den ganzen Zorn der Großen in Weimar erregt hatte, und geißelt seine Überhebung: »Nicolai reiset noch immer, noch lang wird er reiten; Aber ins Land der Vernunft findet er nimmer den Weg.« »Allen Formen macht er den Krieg, er weiß wohl, zeitlebens Hat er mit Müh' und Not Stoff nur zusammengeschleppt.« »Querkopf! schreit ergrimmt in unsere Wälder Herr Nickel; Leerkopf! schallt es darauf lustig zum Walde heraus.« »Nicolai entdeckt die Quellen der Donau! Welch Wunder! Sieht er gewöhnlich doch sich nach der Quelle nicht um.« »Nichts kann er leiden, was groß ist und herrlich; drum, herrliche Donau, Spürt dir der Häscher so lang nach, bis er seicht dich ertappt.« Hölle, jetzt nimm dich in Acht, es kommt ein Neise- Und die Publicität deckt auch den Acheron auf.« Mit Nicolais Angriffen auf Fichte beschäftigen sich u. a. folgende Lernen: »Freilich tauchet der Mann kühn in die Tiefe des Meeres, Wenn du, auf leichtem Kahn, schwankest und Häringe fängst.« »Könnte Menschenverstand doch ohne Vernunft nur bestehen, Nickel hätte fürwahr menschlichsten Menschenverstand.« Andere Lernen nehmen auf eigene Werke oder Verlagswerke Nicolais Bezug, so heißt es von der »Allgemeinen deutschen Bibliothek-: »Zehnmal geles'ne Gedanken auf zehnmal bedrucktem Papiere, Auf zerriebenem Blei stumpfer und bleierner Witz.« Von dem Werk Anekdoten von Friedrich 11.: »Von dem unsterblichen Friedrich, dem Einzigen, handelt in diesen Blättern der zehnmalzehntausendste sterbliche Fritz.« Sein Verhältnis zu Lessing wird unrechterweise verspöttelt in den Versen: »Nenne Lessing nur nicht, der Gute hat vieles gelitten, Und in des Märtyrers Kranz warst du ein schrecklicher Dorn.« Recht bitter ist schließlich noch Nr. 218, die die Blütenlese aus den Lenien beschließen möge: »Hast du auch wenig genug verdient um die Bildung der Deutschen, Fritz Nicolai! sehr viel hast du dabei doch verdient.« Goethe, den er durch seine Schrift »Freuden des jungen Weither« empfindlich gekränkt, war von vornherein sein Gegner. Er hatte damals, 1776, eine Gegenparodie »Anekdoten zu den Freuden des jungen Werthers« verfaßt und ließ seinen Zorn über das »Berliner Hundezeug« aus in derben Versen; so heißt es u. a.: Mich als gefährlich preisen; Der Plumpe, der nicht schwimmen kann, Er will's dem Wasser verweisen! Was schiert mich der Berliner Bann, Geschmäcklerpsaffenwesen! Und wer mich nicht verstehen kann, Der lerne besser lesen.« Auch im Faust führte Goethe in der Walpurgisnacht Nicolai als Proktophantasmisten (d. i. Steißseher) vor und läßt ihn dann den auf dem Blocksberge versammelten Hexen die Existenz ab streiten. Er befiehlt ihnen, zu verschwinden, da er sie aufgeklärt habe, doch: »Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel. Wir sind so klug, und dennoch spukt's in Tegel. Wie lange Hab' ich nicht am Wahn hinausgekehrt, Und nie wird's rein, das ist doch unerhört!« Als die Hexen Faust und Mephistopheles fragen, was der Freudenstörer wolle, antwortet Faust: »Ei! der ist eben überall. Was andre tanzen, muß er schätzen. Kann er nicht jeden Schritt beschwätzen, So ist der Schritt so gut als nicht gescheh'n. Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärts gehn. Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet, Besonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet.« Und als er schließlich fortgetanzt wird und als letzte Worte lagt: »Und hoffe noch vor meinem letzten Schritt Die Teufel und die Dichter zu bezwingen«, erwidert Mephistopheles: »Er wird sich gleich in eine Pfütze setzen, Das ist die Art, wie er sich soulagiert; Und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergetzen, Ist er von Geistern und vom Geist kuriert.« 294
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