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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.01.1910
- Strukturtyp
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- 1910-01-26
- Erscheinungsdatum
- 26.01.1910
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil Achtung, die Flut kommt! Ein Notsignal für Verleger von Auslandliteratur. Wenn man eine Überproduktion als Tatsache anerkennen will — und wer wollte das nicht? —, so wird man zugeben mllssen, daß natürlich ausländische Literatur dabei den schwersten Stand haben muß, denn gegen sie richtet sich dann zuerst das Mißtrauen der Kritik, des Sortimenters und des Publikums in der Erwägung: inländische Mittelware hat immer noch mehr Existenzberechtigung als ausländische. Und cs ist Tatsache, daß eben gerade die Mittelware die Über produktion ausmacht. Zunächst soll betont werden, daß hier ganz energisch der Standpunkt vertreten wird: die deutsche Literatur darf sich unter keinen Umständen engherzig gegen ausländische verschließen, denn sie bringt ihr unentbehrliche Werte, und zwar nicht nur durch die allergrößten Geister, die ohne weiteres allen Nationen angehören, wie Shakespeare, Dante, Ceroantes, sondern auch durch kleinere Sterne, etwa wie Dickens, Scott, Bulwer, Zola, Ibsen, Bjö.nson, Strindberg, Kielland usw. Dem deutschen Publikum mutz unbedingt durch tadellose Übersetzungen das Beste der Literaturen aller Kulturvölker zugänglich gemacht werden. Aber darin liegt zugleich auch begründet, daß es das Recht hat, das Mittelmäßige als ein Zuviel anzusehen und sich dagegen aus zulehnen. Wir haben nun ganz unbedingt nachweisbar ein Viel zuviel an Import. Literatur aller Nationen, ganz besonders aber der nordischen. Und von der soll hier einmal geredet werden; was von ihr gilt, gilt ja dann auch mehr oder weniger von jeder andern. Daß gerade aus Nordland ganz besonders viel importiert wird, ist verständlich. Die nordische Literatur ist der unfern durchaus wesensverwandt. Nordische Kultur ist im großen und ganzen wie unsere Kultur. Nordisches Land- und Seevolk ist dem unsern ähnlich, soweit es bei uns noch in Reinkultur auftritt, und der nordische Arbeiter denkt und fühlt genau wie der deutsche. Es hat Zeiten gegeben, und sie liegen noch gar nicht weit zurück, in denen man bei uns beinahe alles Heil aus Nordland er wartete, das war, nachdem Zola bei uns abgewirtschaftet hatte. Wo Nachfrage ist, vervielfacht sich das Angebot, und sonach dauerte es denn gar nicht lange, bis die nordischen Dichter nnd Schriftsteller bei uns wie die Pilze aus der Erde schossen. Zunächst hielt das Interesse noch an, denn diese Länder hatten wirklich noch eine ganz erstaunliche Menge von tüchtigen Leuten an uns abzugeben. Es warf sich aber nun natürlich eine noch viel größere Menge von Übersetzern auf den Import, und es entstand die Übersetzungsroutine und -Maschine, die fortgesetzt ihr Futter braucht; so sank denn bei dem fortgesetzten Verbrauch das literarische Niveau ganz unheimlich. Wir sind nun heute schon so weit, daß man sagen kann: ein sehr großer Teil nordischer Literatur, der bei uns jährlich in Massen importiert wird, ist Mittelware und daher entbehrlich. In Norwegen sind jetzt vor Weihnachten weit über hundert belletristische Bücher erschienen, nnd das für ein Land, das etwa zwei Drittel der Einwohnerzahl Sachsens hat. Es soll zugegeben werden, daß der Durchschnitt dieser Produktion sich bei der allgemeinen Höhe der dortigen Literatur weit über unserm Durchschnitt befindet. Das ist aber noch kein Grund, das Gros dieser Produktion auf Deutschland los zulassen. Nun nehme man die entsprechende Jahresliteratur Schwedens, Finnlands und Dänemarks hinzu, und dann kann man sich einen kleinen Begriff machen, was für eine Flut jetzt augenblicklich auf uns loskommt. Die nordischen Schriftsteller haben in ihren kleinen Ländern bei der großen Konkurrenz natürlich ein saures Brot, und so hat sich seit Anschluß dieser Länder an die Berner Konvention bei allen diesen Schriftstellern das sehr begreifliche Bestreben ein gestellt, ihre Einkünfte durch Übersetzungsverkäufe zu ver größern. Ja, man möchte fast behaupten, daß seit dem Literaturschutz der künstlerische Wert der Literatur gesunken sei, weil viele Schriftsteller bewußt oder unbewußt für den Export zu arbeiten begannen. Es bildeten sich bei einzelnen Übersetzern und Übersetzerinnen wahre Fabrikationsbetriebe heraus, ja es existiert sogar schon in Deutschland ein eigenes Bureau dänischer Schriftsteller zur Vermittlung von Über setzungen, die die Sache nun anscheinend im Großbetrieb übernehmen wollen. Ähnliche Bureaus haben sich in letzter Zeit auch andere Nationen bei uns eingerichtet. Es ist das vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus eine recht bedenk liche Sache, auf die hier mit besonderem Nachdruck hingewiesen werden muß. Jede Post bringt dem Verleger solcher Literatur von Übersetzungsfabriken Dutzende von Angeboten auf einzelne, meist aber gleich aus ganze Serien von Werken ihrer Klienten. Dem Verfasser dieses Artikels wurden vor kurzem von einem Übersetzer gleich 18 verschiedene Romane und Novellen dänischer Herkunft angeboten. Der Übersetzer hatte in der Eile vergessen, die Namen der Autoren anzugeben, oder er hielt das vielleicht für völlig überflüssig: es ist eben dänisch und damit gut. — Die ganze Sache ist meines Er achtens sehr schwierig und sehr ernst. Die meisten Über setzer sind darauf angewiesen, von dem Ertrag ihrer Feder von der Hand in den Mund zu leben. Das bedingt also eine unaufhörliche Tätigkeit, gleichviel ob der Wert solcher Literatur und das Bedürfnis danach damit Schritt hält oder nicht. Es soll hier nun ernsthaft die Frage aufgeworfen werden: Kann diesem offenbaren Mißstand abgeholsen werden? und wie? Die Kritik ist ja schon eifrig dabei, indem sie ausländische Literatur meist nur noch nebenbei be handelt und mißtrauisch anfaßt. Gutes und Mittelmäßiges wird da häufig in einen Topf geworfen. Es soll zugegeben werden, daß es gerade bei nordischer Literatur ungeheuer schwer ist, klar zu erkennen, was dauernden Wert hat und was nur blendet, denn Mittelmäßiges hat oft zunächst viel mehr Bestechendes als Gutes. Um so sorgsältiger muß aber gerade deshalb ausgewählt werden. Die einzigen, die hier Wandel schaffen könnten, wären die einschlägigen Verleger, wenn sie wirklich energisch wollten; und sie haben doch eigentlich alle Veranlassung dazu, es zu wollen; denn letzten Endes müssen doch sie den ganzen Übelstand aus ihrer Tasche bezahlen. Aber wie könnte das geschehen? Meines Erachtens zunächst dadurch, daß sie sich unter Hint ansetzung aller Konkurrenzbefürchtungen einmal zu einer Aussprache über die ganze Angelegenheit zusammenfänden, um über gemeinsame Mittel zur Abhilfe zu beraten. Der sorgfältig auswählende Verleger, der die besten Beziehungen hat und die Massenproduktion nicht mitmacht, wird durch die erwähnten Übelstände ebenfalls getroffen, denn auch seine Literatur wird mit diskreditiert. Es soll hier natürlich durchaus nicht etwa Künstlerischen Bestrebungen das Wort geredet werden. Aber wie viele Enttäuschungen und unnötige Geldausgaben könnten in unserem Berufe vermieden werden, wenn rn manchen Dingen mehr Solidarität und gegenseitiges Vertrauen vorhanden wäre! Da tauchen immer und immer wieder ausländische Schriftsteller mit Büchern auf, von denen der literaturkundige Berleger genau weiß, daß sie nur Halbwegiges schaffen, daß
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